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Der Senator für Finanzen

Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum eröffnete Ringvorlesung in der neuen Zentralbibliothek zur „Zukunft der Stadtstaaten“


21.04.2005

„Die öffentliche Debatte mit fundierten Argumenten versachlichen“

„Die besonderen Freiheiten der Stadtstaaten verlangen ein hohes Maß an Selbstdisziplin“, erklärte heute Nachmittag (21.4.2005) Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum anlässlich der Eröffnung der Ringvorlesung des Instituts für Politikwissenschaft und der Forschungsstelle Finanzpolitik der Universität Bremen über „Die Zukunft der Stadtstaaten“ in der neuen Zentralbibliothek Am Wall. Offenbar werde gerade an diesem Punkt in der bundesweiten Debatte ein latenter Missbrauch unterstellt, denn es scheine einen Automatismus zu geben, der jede Frage nach der Finanzstruktur der Stadtstaaten zu einer Territorialdiskussion mache. Dr. Nußbaum: „Das geht am Thema vorbei, denn hier wird eine Medizin vorgeschlagen, die mit den unbestrittenen „Krankheitssymptomen“ rein gar nichts zu tun hat. Ein Stadtstaat kann nicht dadurch an Finanzkraft gewinnen, dass er zur politischen Peripherie einer größeren Gebietskörperschaft erklärt wird“. Viel entscheidender sei die Frage, wie man sich in konjunkturschwachen Zeiten über alle Ländergrenzen hinweg die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge organisieren und finanzieren könne, wie man gleichwertige Lebensbedingungen erhalten und Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen könne und wie man öffentliche Ressourcen nachhaltig einsetzen könne.


Wenn man die Thematik in dieser Weise betrachte, werde man zu dem Ergebnis kommen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Region nicht unbedingt von der territorialen Größe bestimmt werde. Der Bremer Finanzsenator weiter: „Man sollte Regionen im vereinten Europa auch nicht nur innerhalb von politischen Grenzen betrachten und insbesondere an die Möglichkeiten zur Vernetzung der lokalen Verwaltungen denken“. Die Dozenten der Veranstaltungsreihe „Die Zukunft der Stadtstaaten“ würden sich deshalb verstärkt mit Fragen der horizontalen und vertikalen Finanzverteilung sowie der regionalen Arbeitsteilung und Kooperation befassen.


Den abstrakten Begriff der politischen Selbständigkeit mit Inhalten füllen


Wenn die Demoskopen in einer aktuellen Umfrage bestätigen, dass nur jeder zweite Bremer für die Selbständigkeit dieses Bundeslandes Einbußen infolge einer schlechteren Finanzausstattung in Kauf nehmen würde, dann wird damit – so Senator Dr. Nußbaum bei der Eröffnung der Ringvorlesung - zumindest eines klar: „Wir können die politische Selbständigkeit unseres Bundeslandes nicht allein mit der Tradition als älteste deutsche Stadtrepublik begründen. Die Menschen erwarten zurecht einen erkennbaren Nutzen aus dem politischen Zuschnitt unseres Gemeinwesens und die Tradition spielt dabei für viele offenbar nur eine untergeordnete Rolle“. Umso wichtiger sei es, dass die Diskussion, ganz gleich welches Ziel man verfolge, mit den richtigen Argumenten geführt und der abstrakte Begriff der politischen Selbständigkeit mit Inhalten gefüllt werde. Man müsse sich etwa fragen:

  • Welche politischen Entscheidungsstrukturen sind geeignet, die spezifischen Probleme unserer Region zu lösen?

  • Wie können wir organisieren, dass ein möglichst großer Teil aller hier erwirtschafteten Ressourcen in unserer Region eingesetzt werden kann?

  • Wer bestimmt, welche Zukunftspotenziale geschaffen werden,

  • welche Standards öffentliche Dienstleistungen haben,

  • wo es wie viele Schulen gibt,

  • wie die Wirtschaftsförderung aussieht usw.?


Die politische Selbständigkeit verlangt nach Auffassung von Finanzsenator Dr. Nußbaum aber zugleich nach einem besonders verantwortungsvollen Umgang der politischen Klasse mit den staatlichen Steuerungsinstrumenten: „Die staatlichen Handlungsmöglichkeiten ermöglichen den Stadtstaaten beispielsweise rechtlich eine nahezu unbegrenzte Kreditaufnahme für investive Zwecke und ohne dass diese durch ökonomische Kennzahlen wie Eigenkapitalquote oder Verschuldungsgrad geregelt ist. Die Stadtstaaten haben damit hervorragende Gestaltungsspielräume, unterliegen aber gleichzeitig der besonderen Herausforderung, dass im Rahmen der eigenen politischen Willensbildung das Konkurrenzverhältnis von nachhaltiger Finanzpolitik im Rahmen der Einbindung in die bundesstaatliche Ordnung und kommunalpolitischem Lobbyismus ausgesteuert werden muss“. Die besonderen Freiheiten der Stadtstaaten verlangten also ein hohes Maß an Selbstdisziplin!


Wenn Prof. Dr. Günter Dannemann in dem heutigen ersten Vortrag von „Stadtstaaten in der Krise?!“ spreche, müsse man sich vergegenwärtigen, dass man es nicht nur mit stadtstaatenspezifischen Entwicklungen zu tun habe, die Krisen-Symptome auslösten. Dr. Nußbaum: „Die Strukturkrise klassischer Industrien und Massenarbeitslosigkeit, der demografische Wandel und das Erodieren der Institution „Familie“, die Globalisierung der Wirtschaft und die sinkende soziale Verantwortungsbereitschaft – all das sind Entwicklungen, die aufgrund ihrer Sozial- und Wirtschaftsstruktur Ballungsräume und insbesondere die Großstädte treffen und in den Stadtstaaten wie unter einem Brennglas deutlicher zutage treten als anderswo“.


Besondere Aufgabe: Probleme in den Griff bekommen


Die politische und gesellschaftliche Aufgabe bestehe darin, diese Probleme in den Griff zu bekommen. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe soll deshalb darüber diskutiert werden, wie die offensichtliche Strukturkrise der Stadtstaaten überwunden werden könne und wie die resultierenden finanziellen Lasten getragen werden könnten. „Es geht nicht um eine ideologische Existenzsicherung der Stadtstaaten, aber es kann auch nicht darum gehen, anhand einer finanzpolitischen Momentaufnahme das Föderalismusprinzip auszuhebeln und damit den politischen Wettbewerb und regionale Gestaltungsmöglichkeiten allein von der ökonomischen Leistungsfähigkeit abhängig zu machen, anstatt Mechanismen zur Ressourcenverteilung so zu justieren, dass alle Bundesländer in der Lage sind, die sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen. Wir sollten immer bedenken, dass der Föderalismus zunächst kein ökonomisches, sondern ein politisches Prinzip ist, das auf die Pluralität politischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Lösungsansätze setzt“, stellte der Finanzsenator fest.


Für Bremen sei die Bewältigung der aktuellen Problemlage von existenzieller Bedeutung. Die anbrechende dritte Phase der Sanierung der öffentlichen Haushalte stehe unter dem Vorzeichen unbestreitbarer Erfolge bei gleichzeitig verschlechterten finanziellen Rahmendaten. Schon jetzt ist nach den Ausführungen von Dr. Nußbaum klar, dass eine Sanierung nicht ohne weitere externe Hilfen gelingen kann: „Unsere Strategie ist aber darauf ausgerichtet, mit intensivierten Konsolidierungsmaßnahmen und weiteren Investitionen zur Stärkung der bremischen Wirtschaftskraft einen hohen Eigenbeitrag zur Stabilisierung unserer Finanzkraft zu leisten. Dies tun nicht alle Stadtstaaten“. Angesichts unterschiedlicher Strategien könne man also nicht von einer einheitlichen Stadtstaaten-Position sprechen.


Dr. Nußbaum: „Debatte in Bremen mit fundierten Argumenten versachlichen“


Es sei nicht das Ziel dieser Ringvorlesung, eine einheitliche Stadtstaaten-Position zu zementieren oder gar die bisherige bremische Strategie ex-post zu rechtfertigen. Der Senator: „Ich wünsche mir vielmehr, dass von den Dozenten, die alle zu den wenigen ausgewiesenen Experten gehören, die sich mit der besonderen Situation der Stadtstaaten in Wissenschaft und Praxis beschäftigt haben, die besondere Problemlage herausgearbeitet wird und das sich aus den unterschiedlichen Standpunkten neue Argumente und zukunftsorientierte Wege herauskristallisieren, die sich auch zum Wohl der Freien Hansestadt Bremen nutzen lassen“. Den Hörern und Beteiligten dieser Ringvorlesung gegenüber äußerte Finanzsenator Dr. Nußbaum abschließend den Wunsch, „dass Sie als Multiplikatoren dieser komplexen Thematik, die öffentlich Debatte, die uns in Bremen noch lange beschäftigen wird, mit fundierten Argumenten versachlichen“.