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Die Senatorin für Kinder und Bildung

Studie liefert wichtige Erkenntnisse über Gewalt an bremischen Schulen

25.08.2003

Lemke: Probleme müssen offen benannt und gemeinsam gelöst werden

Das Thema Gewalt an den Schulen beschäftigt die Schulen und die Behörde schon seit mehreren Jahren. Es sind bereits zahlreiche Aktivitäten veranlasst worden, um die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen und Kindern einzudämmen. Dazu gehören spezielle Fortbildungsmaßnahmen und Trainings für Lehrkräfte, aber auch diverse Programme und Projekte gegen Gewalt und Rechtsradikalismus für Schülerinnen und Schüler. Es gibt mehrere erfolgreiche Projekte mit außerschulischen Partnern (Streitschlichter-Ausbildung mit dem Täter-Opfer-Ausgleich sowie Sozialtrainings, Schulmediation, das Programm „Erwachsen-Werden“ von LIONS Quest). Diese Maßnahmen werden gefördert aus Mitteln des Projektes „Wohnen in Nachbarschaften“ (WIN) und auch durch die Bürgerstiftung Bremen. Die Schulen organisieren dies in eigener Regie aus der Erkenntnis, dass Angst oder das Gefühl von Bedrohung Lernen und Schulklima negativ beeinflussen. Darüber hinaus bietet das Landesinstitut für Schule (LIS) eine breite Palette an einschlägigen Veranstaltungen an (siehe Anhang). Es mangelt also nicht an Aktivitäten, aber notwenig sind noch wirkungsvollere Maßnahmen und Konzepte.
Was bisher fehlte, waren detaillierte Erkenntnisse über den Umfang, die Struktur und die Bedingung von Gewalt an den Schulen. Diese sind aber notwendig, um gezielte und wirkungsvolle Maßnahmen und Präventionskonzepte erarbeiten zu können.
Deswegen hat der Senator für Bildung und Wissenschaft zusammen mit den Ressorts Inneres, Justiz sowie Jugend und Soziales die jetzt vorliegende Studie bei der Akademie für Arbeit und Politik in Auftrag gegeben.

Senator Lemke zu den Ergebnissen der Studie:
Das Ausmaß an strafrechtlich relevanten Delikten ist sehr beunruhigend, insbesondere der Besitz und der Einsatz von Waffen in Schulen.
Es ist nicht akzeptabel, dass jeder 15. Befragte sich schon im Klassenraum eher oder sogar sehr unsicher fühlt, jeder sechste auf den Schulfluren, jeder vierte während der Pausen und jeder dritte auf den Schultoiletten.
Die Untersuchung bricht mit zahlreichen Tabus und benennt die brennenden Probleme. Daraus müssen wir jetzt gemeinsam mit den Schulen die notwendigen Konsequenzen ziehen. Wir brauchen ein Aufbrechen der Schweigespirale. Der angebliche gute Ruf der Schule darf nicht länger wichtiger sein als die schonungslose Aufklärung.

Ich appelliere eindringlich an Eltern, Lehrer und Schüler: Seht den Tatsachen ins Auge und leitet die notwendigen Konsequenzen ein! Die beunruhigenden Befunde der Untersuchung müssen wir unbedingt ernst nehmen, es kann nicht sein, dass unsere Sek-I-Zentren von bis zu einem Drittel der Schülerinnen und Schüler als angstbesetzte Orte erfahren werden.

Eine ganz wichtige Frage ist: Wie erreichen wir die Lehrer, die aus unterschiedlichen Gründen wegsehen, Gewalt ignorieren oder verharmlosen?

Notwendig ist der Erfahrungsaustausch der Kollegien von vergleichbaren Standorten mit signifikant voneinander abweichenden Resultaten. Es ist ein Verdienst dieser Studie, dass sie zeigt: Es geht doch! Es gibt Schulen in sozialen Brennpunkten, die besser mit der Gewalt fertig werden als andere. Von den positiven Erfahrungen müssen die anderen lernen. Das müssen wir jetzt organisieren. Wir müssen auch dazu kommen, dass pädagogische Konsequenzen in Reaktion auf Verfehlungen umgehend und ohne langwierige Verfahren und bürokratische Hindernisse gezogen werden können.

Allen Integrationsbemühungen zum Trotz errichten die heutigen Schüler eine Hierarchie, in der die deutschen auf die türkischstämmigen, diese auf die Aussiedlerkinder und diese schließlich auf die Kinder von Asylbewerbern herabsehen. Hier müssen wir nach neuen, erfolgreicheren Wegen suchen. Die Arbeit in den Grundschulen belegt, dass Integration erfolgreich geleistet werden kann.

Die Probleme, die die Studie aufgezeigt hat, lassen sich nicht mit Anordnungen beheben. Es muss an den Schulen ein noch stärkeres Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Gewalt – in welcher Form auch immer - nicht geduldet wird. Die Schulleitungen, -kollegien und -konferenzen müssen gemeinsam nach Wegen suchen um die Gewalt einzudämmen, dies gelingt nur im Zusammenwirken von Schule, Schülern und Elternhaus.

Dazu brauchen die Schulen auch Unterstützung. Die bereits bestehende Lenkungsgruppe der beteiligten Ressorts wird auf der Basis dieser Studie gezielte Konzepte zur Eindämmung von jugendlicher Gewalt nicht nur an Schulen erarbeiten.

Anhang:
Eine Auswahl praktizierter Beispiele zur Gewaltprävention

Nachfolgend eine Auswahl von Seminare, Beratungs- Trainingsangeboten und Projektveranstaltungen, die sich im engeren Sinne mit Gewaltprävention befassen oder in jüngster Zeit befasst haben, Diese Angebote umfassen alle Schulstufen und sind Veranstaltungsreihen, langfristige Trainingsprogramme oder einmalige Veranstaltungen. Die pädagogischen Konzepte setzen auf verschiedenen Ebenen an und diese Vielfältigkeit schlägt sich auch in den Angeboten nieder, wobei der Schwerpunkt beim Sozialtraining, der Konfliktberatung, und der Gewaltprävention liegt. Zunächst drei etwas ausführlicher kommentierte Beispiele, die das notwendige Spektrum der auch der künftigen Aktivitäten skizzieren:

"Schule OHNE Rassismus" - "Schule MIT Courage"
In Bremen haben bisher 8 Schulen den Titel "Schule OHNE Rassismus" - "Schule MIT Courage" erworben, weitere arbeiten daran. Voraussetzung ist die Zustimmung von mindestens 70 Prozent aller Schüler, Lehrer und Mitarbeiter über diese drei Ziele:

  1. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es zu einer zentralen Aufgabe meiner Schule wird, nachhaltige und langfristige Projekte, Aktivitäten und Initiativen zu entwickeln, um Diskriminierungen, insbesondere Rassismus zu überwinden.
  2. Wenn an meiner Schule Gewalt oder diskriminierende Äußerungen oder Handlungen ausgeübt werden, wende ich mich dagegen und setze mich dafür ein, dass wir in einer offenen Auseinandersetzung mit diesem Problem gemeinsam Wege finden, zukünftig einander zu achten.
  3. Ich setze mich dafür ein, dass an meiner Schule einmal pro Jahr ein Projekt zum Thema Diskriminierungen durchgeführt wird, um langfristig gegen jegliche Form von Diskriminierung, insbesondere Rassismus vorzugehen.

Wenn wir erreichen, dass möglichst viele Schulen sich diesen Zielen verpflichten, sind wir auf einem guten Weg.

„Cool sein - cool bleiben„
Als ein gutes Beispiel zur Unterstützung der Lehrkräfte ist die Veranstaltung „Cool sein – cool bleiben“ zu nennen. Denn nur, wenn die Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, mit gewaltbereiten Jugendlichen umzugehen, können sie im Konfliktfall auch erfolgreich eingreifen. Es darf aber nicht den einzelnen Lehrern überlassen bleiben, ob sie an solchen Veranstaltungen teilnehmen. Die Schulen müssen sich darum kümmern, dass genügend Lehrkräfte in diesen Fragen ausgebildet sind.
Am 29. und 30. Oktober 2003 findet durch Vermittlung der Landeszentrale für politische Bildung am LIS dieser Fachtag für Lehrerinnen und Lehrer statt, an dem auch Kontaktpolizisten teilnehmen. Die Landeszentrale setzt als Trainer den Polizeioberkommissar Rolf-Dieter Baer aus Frankfurt/Main ein, der nach Auswertung von mehreren Tausend Gerichtsakten dieses Seminar zur Gewaltprävention entwickelt hat. Baer zeigt in Rollenspielen auf, wie sich die von Gewalt betroffenen Schülerinnen und Schüler richtig verhalten, um sich der Gewalt entziehen zu können. Unter dem Titel „Nicht mit mir„ ist das Trainingsprogramm inzwischen Bestandteil der Polizeiausbildung der Hochschule für Öffentliche Verwaltung. Zahlreiche Kontaktpolizisten in Bremen verfügen mittlerweile über diese Ausbildung.

Auch Wettbewerbe tragen dazu bei, dass Bewusstsein zu stärken:
„Dem Hass keine Chance„ Bremer Jugendpreis des Senats

Vor den Herbstferien 2003 wird die neue Staffel für Schüler und Jugendliche unter dem Motto „Was has(s)t du eigentlich?„ ausgeschrieben. Die Arbeiten sollen sich mit Abziehen, Draufhauen, Fertigmachen beschäftigen, sollen sich mit denen, die Hass fühlen und Gewalt ausüben und mit denen, die Hass und Gewalt schlichten, befassen. Die Arbeiten können bis 21. März 2004 eingereicht werden.

Weitere Angebote

Kooperation zwischen Schule und Polizei
Beratungsangebot über das im Bremer Westen erprobte Konzept: Erika Bosecker (Allgemeine Berufsschule) Rainer Zottmann (Leiter der Polizeiinspektion

Perspektiven einer gewaltmindernden Pädagogik Inwieweit kann die Gewalt in der Schule importiert oder selbstproduziert sein? Inwiefern kann das Sozialklima gewaltpräventiv sein? Regeln etablieren und Grenzen setzen, aber wie?.. stufenunabhängig 1 Veranstaltung

Pilotprojekt zu Vereinbarungen über Erziehungsverhalten in Konfliktsituationen mit Schülern und Schülerinnen. Schulinternes Projekt mit dem Ziel, die Erfahrungen für andere Schulen nutzbar zu machen.

„Streitschlichtung durch Schülerinnen und Schüler“ Wolfgang Albers/Susanne Poppe-Oehlmann, Sek I, Sek II, nach Vereinbarung

Kooperative Konfliktberatung und Mediation in der pädagogischen Arbeit. Jürgen Meierkord/Sybille Roehr. Primar, Sek I. 14. tägig von Aug. – Jan.

Sozialtraining in der Schule Gert Jugert u.a.3. – 6. Klasse, 40 stündige schulinterne Lehrerfortbildung

„Fit for Life“ Training sozialer Kompetenz für Jugendliche Dr. Gert Jugert, u.a. ab 8. Klasse, 40 stündige Lehrerfortbildung nach Vereinbarung.

Gewaltprävention Gert Jugert, Peter Hegeler, u.a. umfassendes Angebot für alle Schulstufen, nach Vereinbarung

Sozialtraining in der Schule in Theorie und Praxis Peter Hegeler/ Sandra Reith, Präventionsprogramm zur Förderung soz. Kompetenz und zur Vorbeugung aggressiver und sozial-unsicherer Verhaltensweisen bei Kindern. 3.-6.Klasse, Blockseminar und weitere Seminare.

Aggression und Gewalt – mit Wut und Aggression friedfertig leben lernen. Renate Bäuerle/ Ulrike Becker, Arbeit mit gestaltpädagogischen Haltungen und Methoden. Wochendende, 140DM, stufenunabhängig

Programm gegen Diskriminierung und für Zivilcourage.(ADL) Roland Bühs, Regina Piontek, u.a. , stufenunabhängig , nach Vereinbarung

Kreative Methoden am Beispiel des Themas „Miteinander leben – Keine Gewalt gegen Ausländer“ Prof. Dr. Bernd Janssen. In praktischen Übungen werden kreative Methoden vorgestellt, Sek I, eine Veranstaltung

Präventionsarbeit im (Fach-)Unterricht Regina Piontek, Im Rahmen eines internationalen Netzwerkes sollen auf der Grundlage schon bestehender Konzepte und Materialien Konkretisierungen für den eigenen Unterricht vorgenommen werden. Sek I, Sek II, Sonderpädagogik, eine Veranstaltung und nach Vereinbarung

“Hast du Ärger oder Streit......ist der ‚Runde Tisch’ nicht weit“, Konfliktbearbeitung in der Grundschule, Sybille Roehr

Lions-Quest- Seminare „Erwachsen werden“
Ein Programm zur Persönlichkeitsentwicklung von 10 – 15 jährigen Jugendlichen Günther Henning

„Arbeiten und Lernen in einer Schule der Viefalt“ (Eine Welt der Vielfalt – ADL)
Training von Lehrkräften und Schüler/innen. Roland Bühs, Regina Piontek, Angelika Weber, Nursel Aslan

Demokratie- und Toleranzerziehung
Vielfalt, Toleranz und Respekt zwischen allen Beteiligten zu leben, ist nicht einfach. Wie können Schule und Unterricht dazu beitragen, dass sie diese Werte spiegeln? Regina Piontek

Zu weiteren Aktivitäten, die im LIS bzw. in Kooperation mit anderen Institutionen und dem LIS stattfinden, gehören u.a. die Materialien der Landesbildstelle, die Beteiligung an der„Nacht der Jugend“ den Projekten des Vereins „Erinnern für die Zukunft“, die durch Lehrerfortbildungsveranstaltungen vorbereitet und begleitet werden