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Der Senator für Kultur

Bremen gibt Objekte an Erben eines jüdischen Sammlers zurück

22.02.2017

Die Stadtgemeinde Bremen gibt an die Erben des jüdischen Kaufmanns Ernst Saulmann zwei Objekte aus der Sammlung der Museen Böttcherstraße zurück. Es handelt sich um eine Wäschepresse und die Skulptur Heiliger Rochus, die Ludwig Roselius auf einer Auktion ersteigert hatte. Die aus Eichenholz gefertigte Skulptur stammt aus dem Umkreis des Meisters von Osnabrück und wurde um 1525 gefertigt. Der Heilige Rochus ist im Gewand eines Pilgers mit Wanderstab, breiten Schuhen und barettartiger Mütze dargestellt. Die farbige Fassung ist bis auf minimale Reste verloren gegangen. Die Wäschepresse aus dem 18. Jahrhundert besteht aus Eiche und Ahorn-Holz mit Nussbaum-Furnier.

Der Heilige Rochus (© Museen Böttcherstraße)
Der Heilige Rochus (© Museen Böttcherstraße)

Unter Federführung des Senators für Kultur hat die Stadtgemeinde Bremen als Eigentümerin der Sammlungsbestände der Museen Böttcherstraße in gutem Einvernehmen mit dem Museum und mit der Kanzlei von Trott zu Solz Lammek, der Rechtsvertretung der Erben von Ernst und Agathe Saulmann, am 28. November 2016 eine Vereinbarung über die Rückgabe der Objekte getroffen. Der heutige Schätzwert für beide Objekte zusammen beläuft sich laut gutachterlichen Einschätzungen im Auftrag der Erben sowie der Museen Böttcherstraße zwischen 5.000 und 20.000 Euro. Nach intensiver Prüfung haben die Museen Böttcherstraße sich für eine Rückgabe entschieden und gegen eine finanzielle Entschädigung, die die Erben eingeräumt hatten.

Ernst Saulmann war Inhaber der Mechanischen Baumwollweberei in Eningen, die seine Familie 1895 gegründet hat. Er und seine Ehefrau Agathe Saulmann besaßen eine umfangreiche Kunstsammlung aus antiken Stücken, Skulpturen, Altmeister-Gemälden, Majoliken, Tapisserien, Gemälden des 19. Jahrhunderts, Möbeln, anderen Kunstobjekten und einer Bibliothek.

Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde Ernst Saulmann während des Nationalsozialismus ab dem 30. Januar 1933 rassisch verfolgt. Seine Firma war von Boykottmaßnahmen betroffen. 1935 verließen er und seine Frau das Deutsche Reich und zogen nach Florenz, das sie ebenfalls verlassen mussten. Ernst Saulmann war später im Lager Gurs in Nizza interniert. Er starb am 25. April 1946. Seine Ehefrau Agathe überlebte und beerbte ihn. Sie nahm sich am 18. Juni 1951 das Leben.

Das Deutsche Reich plünderte das Vermögen Ernst Saulmanns systematisch aus. Teile seiner Vermögensbestände (Anteile an der Baumwollweberei) pfändete das Finanzamt Reutlingen 1936 für die zu entrichtende rassistisch motivierte sogenannte Reichsfluchtsteuer. In mehreren Auktionen wurde sodann im Auktionshaus Weinmüller Ende 1936 auf Anweisung des Finanzamtes Reutlingen und letztlich zugunsten des Staates auch die Kunstsammlung versteigert.

An dem verfolgungsbedingten Verlust der Kunstsammlung besteht aufgrund der rassistischen Verfolgung und dem damit einhergehenden Verlust des Vermögenswertes der Kunstsammlung im Sinne der Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1998 und der Gemeinsamen Erklärung des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände vom 14. Dezember 1999 kein Zweifel. Eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz erhielt Agathe Saulmann für den Verlust der Kunstsammlung nicht.

Das Auktionshaus Weinmüller erteilte nach dem Krieg die Auskunft, die Auktionskataloge seien im Krieg verbrannt worden. Erst vor einigen Jahren hat das Nachfolgeunternehmen von Weinmüller, das Auktionshaus Neumeister in München, seine Unternehmensgeschichte wissenschaftlich aufarbeiten lassen und dabei 2013 die angeblich verbrannten Kataloge wiedergefunden, darunter auch die Kataloge der Auktionen, in denen die Sammlung Saulmann versteigert worden war. Sie stehen seit 2014 in digitalisierter Form der Forschung zur Verfügung. Hieraus ist ersichtlich, dass Ludwig Roselius ausweislich der Auktionsunterlagen unter anderem die Wäschepresse und die Skulptur Heiliger Rochus ersteigerte.

Foto: Museen Böttcherstraße