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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Kindeswohl hat Vorrang: Senatorin Ingelore Rosenkötter legt Konzept zur Verbesserung der Jugendhilfe vor

11.04.2007

Jugend- und Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter wird den zuständigen Deputationen und dem Jugendhilfeausschuss in den kommenden Tagen ein Maßnahmen-Paket vorlegen zur Umsetzung der im Eckpunktepapier des Ressorts „Kindeswohl hat Vorrang - Handlungsrahmen zur Verbesserung der Jugendhilfe zum Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung in Bremen" dargestellten Leitlinien.

Mit den vorgeschlagenen konkretisierten Schritten zur Neustrukturierung der Jugendhilfe sollen nach den bereits vorgenommenen Sofortmaßnahmen (Personalverstärkung bei der Amtsvormundschaft und in den Erziehungsberatungsstellen) weitere Konsequenzen aus den offenbar gewordenen strukturellen Defiziten gezogen werden.

Case-Management ist eine fachlich ambitionierte Methode der Sozialarbeit, deren Qualität maßgeblich von der Qualifizierung und der Ressourcenausstattung des Fallmanagements abhängt. Die Analyse des Systems infolge der Aufarbeitung des tragischen Todes von Kevin hat hier erhebliche Defizite zu Tage treten lassen. Die in der Rahmenvorlage mit ihren Anlagen vorgeschlagenen Weiterentwicklungen greifen diese Defizite auf und zeigen Lösungswege auf. Dabei wird auch deutlich, dass insgesamt noch mehr Personal benötigt wird. Der Umfang wird derzeit ermittelt.

Kernbestandteile des Konzeptes sind die Weiterentwicklung der sogenannten fachlichen Weisungen in Verbindung mit der Veränderung fachlicher Standards der Fallbearbeitung. Darin wird unter anderem das Vorgehen bei einem Verdacht auf die aktuelle Gefährdung des Kindeswohls genau festgelegt. Es ist geregelt, dass noch am Tag der Krisenmeldung zwei Fachkräfte einen Hausbesuch machen und dann entschieden wird, ob das Kind in Obhut genommen werden muss.

Bei der Entscheidung, das Kind in der Familie zu lassen, müssen konkrete und präzise Vereinbarungen mit den Eltern zu Zeiträumen und Art der weiteren Überprüfung getroffen und den Eltern genaue Handlungsanforderungen genannt werden. Eine Entscheidung nur nach Aktenlage darf es nicht geben - vielmehr muss in jedem Fall ein Kind in seiner Umgebung in Augenschein genommen werden. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird eine sorgfältige Dokumentation jedes Falles gefordert, die exakt aufgelistete Kriterien zu erfüllen hat.

Des Weiteren sollen fachliche Standards optimiert werden, Qualifizierungen und Schulungen - auch zur Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht - durchgeführt, fachliche Schwerpunkte im Ambulanten Sozialdienst „Junge Menschen" geschaffen werden, die Möglichkeit der Supervision ausgeweitet werden.

Bereits zum 1. Februar 2007 ist in der Stadt Bremen ein Kinder- und Jugendschutztelefon (Telefonnummer: 6 99 11 33) eingerichtet worden. Seitdem ist sichergestellt, dass rund um die Uhr eine erfahrene Fachkraft erreichbar ist. In Kooperation mit freien Trägern (Familien-Krisendienste) ist ein Konzept für einen kommunalen Kinder- und Jugendnotdienst erarbeitet worden, der dann tätig wird, wenn außerhalb der Dienstzeiten der Sozialzentrums-Mitarbeiter/innen eine Krisenmeldung unmittelbar überprüft werden muss. Die Umsetzung dieses Konzeptes soll so rasch wie möglich erfolgen.

Angesichts wachsender sozialer Problemlagen reicht es nicht aus, die Jugendhilfe erst tätig werden zu lassen, wenn Krisen derart eskaliert sind, dass die Erziehungsfähigkeit der Familien durch Hilfsmaßnahmen gestützt werden muss oder die Kinder sogar aus den Familien herausgenommen werden müssen. Senatorin Rosenkötter: „Unser Ziel ist es, das bestehende Präventionssystem wesentlich zu verbessern. Wir wollen das Netz der Schutz- und Früherkennungsmaßnahmen so eng wie möglich knüpfen um die größtmögliche Sicherheit für unsere Kinder zu erreichen.“

Verbesserung der kommunalen Erziehungsberatung

Das Ressort schlägt eine weitere personelle Verstärkung der Erziehungsberatungsstellen vor, die stabilisierend und präventiv Familien unterstützen.

Bürgerschaftliches Engagement einbeziehen - Etablierung von Familienpaten

Ehrenamtliche Familienpaten sollen gewonnen werden. Dabei sollen sie keinesfalls als Ersatz für professionelle Angebote, Maßnahmen und Unterstützungsprogramme der Kinder- und Jugendhilfe dienen. Vielmehr können sie durch ihre Unterstützung einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag zur Selbsthilfe leisten.

Zur Verbesserung des Kindesschutzes und zur Sicherung des Kindeswohls an der Schnittstelle von Gesundheitsdienst und Jugendhilfe ist beabsichtigt, eine Reihe von weiteren Maßnahmen umzusetzen. Dazu gehören unter anderen:

  • Einführung flächendeckender Früherkennungs-Untersuchungen mit verbindlichem Einladungswesen.
  • Aufsuchende Beratung und Screening zum Kindeswohl in benachteiligten Wohnquartieren (Projekt „Tipp Tapp - Gesund ins Leben")
  • Ausbau des Bremer Familienhebammenprogramms,
  • Qualifizierung der Hilfen für drogenabhängige Eltern,
  • „Pro Kind Bremen",
  • „Lies mir vor - Bremer Bücher-Babys".

Diese Maßnahmen sollen jeweils für sich und als fachlich aufeinander bezogenes Netzwerk die gesundheitlichen und sozialen Risiken für Kinder mit belasteten Lebenssituationen minimieren und positive Entwicklungen besonders bei den unter 3-Jährigen fördern.

Einführung flächendeckender Früherkennungs-Untersuchungen mit verbindlichem Einladungswesen
Der Senat hat gestern einen Gesetzentwurf des Ressorts verabschiedet, mit dem die Einladung und die Teilnahme an den Früherkennungs-Untersuchungen verbindlich gemacht werden sollen. Früherkennungs-Untersuchungen sind ein Angebot an Familien mit Kindern, um eine Gefährdung der körperlichen, psychischen oder geistigen Entwicklung von Kindern frühzeitig zu erkennen und ihr begegnen zu können. Das neue Gesetz sieht vor, dass alle Erziehungsberechtigten vom Gesundheitsamt zur Früherkennungs-Untersuchung ihrer Kinder eingeladen werden. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Bremen und Bremerhaven melden die Kinder, bei denen sie die Untersuchung vorgenommen haben, an die Gesundheitsämter. Die Ämter vergleichen dann diese Daten mit denen der Einwohnermeldeämter und können auf diese Weise die Kinder heraus filtern, die nicht an den Früherkennungs-Untersuchungen teilgenommen haben. Den Ursachen dafür kann dann nachgegangen werden.

Aufsuchende Beratung in benachteiligten Wohnquartieren (Projekt Tipp Tapp)
Ziel des Programms ist es, einen frühen und systematischen Zugang zu Risikofamilien zu schaffen. Dieser existiert in Bremen bisher nicht. Das vorhandene, über ganz Bremen angelegte Netz zur Vermittlung von Hilfen für Eltern Neugeborener greift in sozial benachteiligten Wohnquartieren - auch nach bundesweiten Erfahrungen - derzeit nur unzureichend. In Anknüpfung an die Arbeit der Familienhebammen und des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes des Gesundheitsamtes Bremen soll daher Eltern in ausgesuchten Wohnquartieren nach der Geburt sowie im Alter des Kindes von 6 und 12 Monaten über einen Hausbesuch Beratung zu Gesundheits- und Erziehungsthemen angeboten werden. Dabei wird auch eine Beurteilung zur Lebenssituation des Kindes abgegeben. Als Modellprojekt ist zunächst beabsichtigt, rund ein Viertel aller Bremer Neugeborenen in dieses Besuchsprogramm einzubeziehen.

Ausbau des Bremer Familienhebammenprogramms
Zielgruppe des Angebotes sind Schwangere und Mütter mit Kindern bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres, die besonders hohen gesundheitlichen, sozialen oder psychosozialen Risiken ausgesetzt sind. Die Familienhebammen erreichen diese (werdenden) Mütter vor allem über die Geburtskliniken, niedergelassene Ärzte und Hebammen, über Träger einschlägiger Projekte (Stiftung Mutter und Kind, Pro Familia etc.), durch Zuweisungen des Ambulanten Sozialdienstes (ASD) sowie durch Öffentlichkeitsarbeit.

Da die Familienhebammen derzeit nahezu ausschließlich von Klientinnen in extrem schwierigen Lebenslagen in Anspruch genommen werden, wurde dem Gesundheitsamt zur Verstärkung seines Familienhebammenprogramms eine weitere Vollzeitstelle zur Verfügung gestellt, die in sogenannten Hochrisikofamilien eingesetzt werden soll. Das Programm erreicht damit künftig rund 200 Schwangere sowie Mütter bzw. Familien mit Säuglingen und Kleinstkindern im 1. Lebensjahr.

Qualifizierung der Hilfen für drogenabhängige Eltern
Beabsichtigt ist eine konzeptionelle Weiterentwicklung der substitutionsbegleitenden Hilfen für Schwangere, Mütter und Eltern mit Kindern durch Erweiterung des „Ergänzenden Methadonprogramms für Frauen" (EMP Frauen). Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales hat mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen, der Ärztekammer Bremen und den Krankenkassen vereinbart, den Verlauf der Substitutionsbehandlung von Müttern und Eltern mit Kindern regelmäßig in der Qualitätssicherungskommission zu kontrollieren.

Pro Kind
Die Jugendämter beider Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven beteiligen sich am „Bundesmodellversuch zur Prävention von Krankheit, Armut und Kriminalität für Kinder aus sozial benachteiligten Familien" der Stiftung „Pro Kind - Wir begleiten junge Familien“.
Dieses Bundesmodellprojekt lässt nur begrenzte Teilnehmerzahlen einer definierten Zielgruppe zu.

„Lies mir vor - Bremer Bücher-Babys"
Junge Eltern sollen lernen, mit ihren Kindern entwicklungsgerecht umzugehen. Eltern selbst sollen sich für Printmedien, Musik und babygerechte Bewegungsspiele interessieren, für babygerechte Spiel- und Lernangebote sensibilisiert werden und zur Teilnahme an weitergehenden Förderangeboten ermutigt werden. Mit dem Projekt sollen, zunächst am Pilotstandort Bremen-Nord, alle Eltern von Neugeborenen erreicht werden.