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Senatskanzlei

Bürgermeister Jens Böhrnsen: „Mit Entschlossenheit und Augenmaß die finanzielle Zukunft und die Selbständigkeit Bremens sichern“

20.01.2006

Präsident des Senats ergreift Initiative für Neubestimmung des Sanierungskurses / Eckpunkte einer Gesamtstrategie vorgestellt

Unter der Überschrift „Mit Entschlossenheit und Augenmaß die finanzielle Zukunft und die Selbständigkeit für den Stadtstaat Bremen sichern“ hat der Präsident des Senats, Bürgermeister Jens Böhrnsen, heute (20. 1. 2006) die Eckpunkte seiner Strategie für eine nachhaltige Sanierung des bremischen Haushalts und den langfristigen Erhalt der Bremer Selbständigkeit vorgestellt. Jens Böhrnsen: „Wir brauchen eine klare Orientierung über unsere Ziele, Chancen und Wege. Und wir brauchen eine in sich stimmige, nach innen und außen überzeugende Gesamtstrategie, um erfolgreich die vor uns liegenden Herausforderungen zu bestehen. Dafür müssen drei entscheidende Handlungsfelder durchdacht und in einem schlüssigen Gesamtkonzept aufeinander bezogen werden: unsere Eigenanstrengungen, unsere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und unsere Argumente und Positionen in den bevorstehenden Verhandlungen mit Bund und Ländern über die Neuordnung der Finanzbeziehungen.

Mit dem vorgelegten Strategiepapier stelle ich mich dieser Aufgabe und Verantwortung als Präsident des Senats. Der Weg, den ich damit dem Senat, der Bremischen Bürgerschaft und den Bremerinnen und Bremern vorschlage, ist ehrgeizig aber realistisch. Ich bin überzeugt, dass es für die jetzt nötige konstruktive und ergebnisorientierte Diskussion eine wegweisende und tragfähige Grundlage legt. Zu dieser Diskussion lade ich alle ein, die sich für ein selbständiges, leistungsfähiges und lebenswertes Bremen einsetzen.“



Ausgangslage und Rahmenbedingungen


Die Freie Hansestadt Bremen ist ein leistungsfähiges Land. Im Vergleich aller 16 Länder verfügt Bremen über die zweithöchste Wirtschaftskraft. Das je Einwohner erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt liegt in Bremen um 40 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Durch seine Häfen erfüllt Bremen eine unverzichtbare Schlüsselaufgabe für den Exportweltmeister Deutschland. Als Oberzentrum gewährleistet Bremen ein vielfältiges attraktives Angebot für die gesamte Region des Nordwestens. Für die Bürgerinnen und Bürger zeichnen sich seine beiden Städte durch hohe Wohn- und Lebensqualität aus.


Bremens Selbständigkeit ist dabei ein hohes Gut und ein Gewinn für Bürgerinnen und Bürger, für die Region und die Bundesrepublik insgesamt. Bremens Selbständigkeit


  • bietet Gestaltungsmöglichkeiten und ermöglicht Selbstverantwortung, Bürgernähe und Identifikation der Menschen
  • sichert die Aufgabe Bremens als Oberzentrum und wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Kraftzentrum für die Region
  • erhält föderale Vielfalt und bringt spezifische Sichtweisen und Lösungsansätze aus der Perspektive eines Stadtstaates auf Bundesebene ein


Gleichwohl: Die Lage des bremischen Haushalts ist dramatisch. Bremen befindet sich nach wie vor in einer extremen Haushaltsnotlage. Verschuldung sowie hohe und nach wie vor steigende Zinslasten schränken politische Handlungs- und Gestaltungsspielräume bedrohlich ein.



Bremen ist kein Fass ohne Boden


Bremens extreme Haushaltsnotlage ist nicht selbstverschuldet. Sie ist aus eigener Kraft allein auch nicht zu bewältigen. Bremen ist auf externe Hilfe angewiesen. Darauf hat Bremen einen durch die Verfassung begründeten Anspruch. Er muss allerdings geltend gemacht werden im Rahmen einer Gesamtstrategie, die überzeugend belegt: Bremen ist kein Fass ohne Boden. Eine nachhaltige Sanierung ist erreichbar und gestaltbar.


Diesen Nachweis kann und will Bremen erbringen. Er bezieht sich auf drei zentrale Handlungsfelder


  • Eigenanstrengungen
  • Klage
  • Verhandlungen


1. Eigenanstrengungen


Im Bereich der konsumtiven Primärausgaben hat Bremen im Vergleich zum Durchschnitt der Flächenländer und zu den anderen Stadtstaaten seine Ausgaben in den letzten zehn Jahren bereits deutlich reduziert. Im Jahr 2004 wurde das Niveau Hamburgs unterschritten; das Ausgabenniveau Bremens liegt sogar um rund 10 Prozent unterhalb der Berliner Ausgaben. Dennoch wird es in Bremen keine Spielräume für Ausgabensteigerung geben und die Politik der strikten Ausgabenbegrenzung wird fortgesetzt werden müssen. Das bedeutet faktisch, dass Tarifentwicklungen, Kostensteigerungen und Steigerung von gesetzlichen Leistungen auch künftig durch zusätzliche Einsparungen erwirtschaftet werden müssen.


Im Bereich der Investitionen hat Bremen in den vergangenen Jahren deutlich mehr ausgegeben als der Durchschnitt der Länder oder die Stadtstaaten. Diese Strategie einer verstärkten und überdurchschnittlichen Investitionspolitik zur Stärkung der Wirtschaftskraft und zur Bewältigung des Strukturwandels war notwendig, richtig und insgesamt – trotz einiger Rückschläge - erfolgreich. Sie war überdies ein von Bund und Ländern ausdrücklich akzeptierter Teil des Bremer Sanierungsprogramms.


Dieser Kurs deutlich überproportionaler Investitionen muss für die Zukunft gleichwohl den veränderten Rahmenbedingungen nachhaltig angepasst werden. Denn:


1. Mit dem Auslaufen der Sanierungszahlungen sind die Finanzierungsspielräume für eine überdurchschnittlich hohe Bremer Investitionsquote nicht mehr vorhanden.

2. Ein unverändertes Festhalten an der bisherigen Höhe der Investitionen birgt auch bei einer erfolgreichen Klage auf Entschuldungshilfen in Milliardenhöhe die Gefahr, dass Bremens Finanzen nicht dauerhaft saniert werden könnten. Vielmehr würden die positiven Effekte einer Absenkung der Zins-Steuerquote mittelfristig erneut durch steigende Zinsbelastungen aufgezehrt. Es drohte ein erneutes Absinken in die Haushaltsnotlage. Das gilt insbesondere, weil und solange Steuereinnahmen aus einer stärkeren Wirtschaftskraft nur zum geringsten Teil dem bremischen Haushalt zugute kommen.

3. Bremen wird angesichts des angestrebten Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht und der bevorstehenden Verhandlungen mit Bund und Ländern auch bei den Investitionen am Maßstab anderer Länder, insbesondere der Stadtstaaten, gemessen werden. Ein unverändertes Festhalten am bisherigen Investitionsniveau birgt insofern hohe Risiken für eine schlüssige und überzeugende Klage- und Verhandlungsstrategie.


Vor diesem Hintergrund geht es darum, einen Maßstab für die Höhe der Investitionen zu finden, der


  • den Erfordernissen der Bremer Wirtschafts- und Strukturentwicklung gerecht wird
  • in der Diskussion mit Bund und Ländern nicht als unvertretbarer, Bremen begünstigender Sonderweg angreifbar ist
  • eine dauerhafte Stabilisierung der Bremer Finanzsituation im Anschluss an eine einmalige Entschuldungshilfe ermöglicht


Nach Prüfung aller Alternativen soll das Investitionsniveau Bremens deshalb künftig – einwohnerbezogen - dem der Freien und Hansestadt Hamburg angepasst werden. Zum Vergleich: Während Bremen im Jahr 2005 je Einwohner über 1000 € für Investitionen ausgab, liegt die entsprechende Vergleichszahl für Hamburg bei gut 600 €.


Für Bremen ergibt sich daraus eine schrittweise Absenkung des Investitionsvolumens von 686 Mio. € im Jahr 2005 auf 495 Mio. € im Jahr 2009. Für den weiteren Zeitraum bis zum Jahr 2012 ergibt sich für Bremen - bezogen auf die entsprechende Hamburger Finanzplanung - ein Investitionsvolumen zwischen 370 Mio. € und 420 Mio. €. Der Zielplanung ist ein vorläufiger Ansatz von 420 Mio. € zugrunde gelegt.


Auch wenn ein höheres Investitionsniveau nach wie vor strukturpolitisch sinnvoll, angemessen und wünschenswert wäre, müssen dafür nötige finanzielle Spielräume erst erkämpft werden.


Durch diese Eigenanstrengungen im konsumtiven und investiven Bereich wird ein geeigneter Sanierungspfad beschrieben, um im Jahr 2009 als ersten wesentlichen Teilschritt einen ausgeglichenen Primärhaushalt zu erreichen.


Bereits im Jahr 2008 werden Bremens Primärausgaben unter denen Berlins liegen.


2. Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht


Bremen erfüllt nach wie vor alle Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung für das Vorliegen einer extremen Haushaltsnotlage entwickelt hat. Entscheidende Ursache hierfür ist die Entwicklung der Einnahmen, die sich in Folge der anhaltend ungünstigen Konjunktur gänzlich anders dargestellt hat und von Bremen nicht zu beeinflussen war als für den Sanierungszeitraum zugrunde gelegt. Deshalb befindet sich Bremen nach wie vor unverschuldet in einer extremen Haushaltnotlage und hat Anspruch auf externe Hilfe. Bis Ende Februar 2006 wird Bremen diesen Anspruch in einem Normenkontrollantrag geltend machen. Die Klage wird auf die Entlastung von nicht tragbaren Zinsausgaben durch eine einmalige oder eine zeitlich gestaffelte Entschuldungshilfe abgestellt werden.


Im Zusammenspiel von Eigenanstrengungen und Teilentschuldung wird das Fundament für eine dauerhafte Sanierung des bremischen Haushaltes gelegt.



3. Verhandlungen mit Bund und Ländern im Rahmen der zweiten Stufe der Föderalismusreform


Bremen wird seinen Beitrag leisten, um die finanziellen Grundlagen des föderalen Systems insgesamt zu stärken. Gleichzeitig wird Bremen sein spezifisches Interesse an einer langfristigen und nachhaltigen finanziellen Sicherung des Stadtstaates in die von der Bundesregierung wie von der Ministerpräsidentenkonferenz vereinbarte zweite Stufe der Föderalismusreform einbringen. Dabei wird es vor allem darum gehen, dass


  • das erwirtschaftete Steueraufkommen in höherem Umfang im Land verbleibt und wirtschaftspolitische Anstrengungen auch honoriert werden
  • eine aufgabenadäquate Finanzausstattung der besonderen Situation des Stadtstaates und der Bedeutung der bremischen Häfen Rechnung trägt.



Für diese Ziele hat Bremen gute Argumente und wird sie in die Diskussion der folgenden Themenfelder einbringen



  • Angemessenheit der Einwohnerwertung
  • System der Umsatzsteuerverteilung
  • Steuerzerlegung
  • Hafenlasten
  • Investitionshilfen




Auch wenn unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen und angesichts der nötigen Eigenanstrengungen in allen Bereichen auch eine Absenkung des Investitionsniveaus unvermeidlich ist – grundsätzlich ist Bremen überzeugt, dass eine aufgabenadäquate Finanzausstattung ein höheres als das derzeit mögliche Investitionsniveau umfassen muss. Eine hohe Wirtschaftskraft und Leistungsfähigkeit des Standorts Bremen liegt auch im Interesse der Region und der Bundesrepublik insgesamt. Im Zuge der Reform des bundesdeutschen Finanzsystems zusätzlich gewonnene Spielräume für Investitionen in Bremen kommen daher der Gesamtheit von Bund und Ländern zugute. Eine Option hierfür liegt in verstärkten Bundeshilfen gemäß Artikel 104 a (4) des Grundgesetzes. Bremen wird diesen Gesichtspunkt in den bevorstehenden Verhandlungen nachdrücklich vertreten.


Bürgermeister Jens Böhrnsen abschließend: „Der Weg, den ich vorschlage wird nicht einfach. Aber er ist zu schaffen, er führt in die richtige Richtung und das Ziel ist auf ihm zu erreichen. Wir haben eine faire Balance zwischen unseren ehrgeizigen, aber leistbaren Eigenanstrengungen und unseren berechtigten und gut begründbaren Ansprüchen gegenüber Bund und Ländern gefunden. Wir können diesen Weg selbstbewusst und aufrecht gehen. Denn er beweist: Wir wollen nicht bevorzugt werden. Wir wollen einen fairen Anteil an den von uns erwirtschafteten Einnahmen erreichen und einen angemessenen Ausgleich für die strukturelle Benachteiligung unseres Stadtstaates im bundesdeutschen Finanzsystem. Bremen wird durch die Verstärkung seiner Eigenanstrengungen seinen Beitrag leisten. Ein gerechtes System der Finanzverteilung ist gleichzeitig die beste Grundlage für ein selbständiges Bremen.“


Hinweis:
Das Eckpunkte-Papier des Präsidenten des Senats erhalten Sie hier als Download: www2.bremen.de/info/presse/060120_Eckpunkte_Bremer_Strategie.pdf