Sie sind hier:

Senatskanzlei

„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen“

13.12.2005

Bürgermeister Jens Böhrnsen zu den neuerlichen Attacken des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin auf Bremens Selbständigkeit

„Es reicht. Es wird höchste Zeit, dass Thilo Sarrazin seine politische Geisterfahrt stoppt und endlich aufhört, seine Profilierungslust auf Kosten anderer Länder und des gesamten föderalen Systems der Bundesrepublik auszutoben. Da der Berliner Finanzsenator inzwischen offenbar gar nicht mehr merkt, welchen politischen Flurschaden er anrichtet, müssen wir ihm in und außerhalb Berlins jetzt offenbar mit vereinten Kräften klarmachen: Die Schmerzgrenze ist überschritten“, sagte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen heute (13.12.2005) zu den erneuten Attacken des Berliner Finanzsenators gegen die Selbständigkeit Bremens und des Saarlandes. Dabei zwängen die unqualifizierten Ratschläge aus Berlin leider inzwischen, in Bremen ansonsten gepflegte und geschätzte hanseatische Zurückhaltung ausnahmsweise zurückzustellen.


„Die Zahlen und Fakten sind eindeutig und belegen eindrucksvoll, welches Bundesland derzeit größte Probleme hat, seine ökonomische Lebensfähigkeit nachzuweisen: Bremen ist es nicht! Bremen verfügt über die zweithöchste Wirtschaftskraft aller 16 Länder. Pro Einwohner wird in Bremen ein Bruttoinlandsprodukt von 35.600 Euro im Jahr erwirtschaftet. Gemessen an seiner Wirtschaftskraft ist Bremen faktisch Geberland und zahlt unter dem Strich – übrigens auch für Berlin. Berlin liegt mit seiner Wirtschaftskraft noch um 12 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt und mit einem BIP pro Einwohner von 23.000 Euro sage und schreibe um rund 50 Prozent hinter Bremen. Das sind Zahlen, die einen Berliner Finanzsenator eigentlich sehr kleinlaut an den eigenen Schreibtisch treiben und über die Probleme vor seiner Haustür nachdenken lassen sollten. Statt mit einem kurzen Hemd aus dem Leihhaus viel Wind zu machen, sollte Sarrazin lieber ganz, ganz kleine Schrippen backen. Die Zutaten dafür muss er allerdings nach wie vor auf Pump kaufen oder sich von Bund und Ländern bezahlen lassen.“ Böhrnsen wies darauf hin, dass Berlin allein im Jahr 2005 durch Bundesergänzungszuweisungen und Länderfinanzausgleich über 5 Milliarden Euro aus den Finanztöpfen von Bund und Ländern erhalte. „Um es berlinerisch auszudrücken: Das sind über 1500 Euro pro Berliner Nase. Berlin hängt wie kein anderes Land am Tropf der Solidargemeinschaft. Wer in so hohem Maße auf die Solidarität anderer angewiesen ist, sollte sich verkneifen, wirtschaftlich leistungsfähigen Bundesländern die Existenzberechtigung abzusprechen.“


Darüber hinaus müsse Berlin sich immer wieder – z.B. vom ehemaligen Bundesfinanzminister Hans Eichel - fragen lassen, ob es bei den Bundesmitteln für den Aufbau Ost mit der nötigen Sorgfalt umgehe und sie tatsächlich den Spielregeln entsprechend in die Stärkung der Wirtschaftskraft investiere. Den begründeten Anfangsverdacht zu zerstreuen, in Berlin würden zweckgebundene Leistungen des Bundes in schwarzen Löchern des Haushalts verschwinden – auch das sei eine lohnende Aufgabe für den Berliner Finanzsenator. „Falls das entscheidende Erfolgsgeheimnis der Berliner Haushaltssanierung tatsächlich darin bestehen sollte, Milliardenzuschüsse des Bundes für den Aufbau Ost in laufende Ausgaben zu stecken, wäre das nicht gerade ein Vorbild für solide Finanzpolitik.“


Kleiner Schönheitsfehler der Kritik des ehemaligen Bundesfinanzministers Hans Eichel am Berliner Finanzgebaren sei allerdings, so Böhrnsen, dass Eichel in Berlin zwar immer wieder auf die vereinbarte Zweckbindung gepocht und auf höhere Investitionen gedrängt habe, während er Bremen, das sich während des gesamten Sanierungszeitraums peinlich an alle Sanierungsauflagen gehalten und verabredungsgemäß in seine Wirtschaftskraft investiert habe, in einem plötzlichen Sinneswandel eine überhöhte Investitionsquote vorwarf.


„Unter dem Strich bleibt: Berlin hat ein dramatisches Haushaltsproblem und Thilo Sarrazin offenbar kein Konzept, um Berlins wirtschaftliche Lebensfähigkeit mittelfristig wiederherzustellen. Wer selbst so im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Wenn Bremens Wirtschaftskraft sich nur annähernd in seiner Finanzkraft spiegeln würde oder Bremen einen Bruchteil der Berliner Bundeshilfen bekäme, würden wir uns nicht demnächst vor dem Bundesverfassungsgericht wiedersehen. Ich hoffe – auch im Interesse Berlins -, dass Thilo Sarrazin bis dahin eine überzeugendere Strategie einfällt als mit dem Finger auf andere zu zeigen. Es ist ein fundamentaler Irrtum, dass man mehr Luft zum Atmen bekommt, wenn man anderen an die Gurgel geht.“