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Senatskanzlei

Hochspannung in Bremen: Start der neuen Ariane 5 Rakete am Freitag

08.02.2005

Die Freie Hansestadt Bremen ist „Tor zu Meer und Raum“


Wird am Freitag in den Orbit geschossen: die Oberstufe der Ariane 5 ECA in einer Montage-Halle auf dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou.

Am kommenden Freitag, den 11. Februar 2005, startet vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guyana die neue Version der Ariane 5. Diese Ariane 5 ECA kann zehn Tonnen Nutzlast in den Weltraum transportieren. Die derzeit eingesetzte Standard Version schafft gut sechs Tonnen. Der erste Startversuch der ECA endete am 11. Dezember 2002 nach drei Minuten mit der Notsprengung des Trägers über dem Atlantik. Die Rakete kam damals vom Kurs ab und die Mission musste vorzeitig beendet werden.


Hunderte von Tests und Analysen in den Monaten danach wiesen als Ursache eine Überhitzung des neuen Haupttriebwerks aus. Seitdem haben die Ingenieure zahlreiche Änderungen und Verbesserungen in die Zehntonnen-Variante der Ariane 5 eingebracht. Der Qualifikationsstart mit der Flugnummer 521 wird am 11. Februar zwischen 20.49 und 22.10 Uhr Bremer Zeit stattfinden.


Bremen sieht diesem Start mit besonders großer Spannung entgegen. Denn zum einen stammen zentrale Technologie-Elemente der Rakete von der Bremer EADS SPACE Transportation, zum anderen ist Bremen als tragendes Mitglied im Ariane-Städtebund (CVA Communauté des Villes Arianes) der Namenspatron für diesen Start.


Flug 164 ist die "Mission Bremen“


Für Bürgermeister Dr. Henning Scherf passt diese Symbolik hervorragend zu Bremen als einer Stadt „deren Bewohner sich im Verlauf ihrer ganz besonderen Geschichte das Wappen mit dem ‚Schlüssel zur Welt’ verdient und bewahrt haben.“ Heute könne Bremen stolz darauf sein, diesen Schlüssel zu den Weltmeeren wie auch zum Weltraum in der Hand zu halten, sagte der Präsident des Senats. Der konsequente und langfristige Ausbau zu einem Standort für Hochtechnologie, Forschung und Wissenschaft hat seine Früchte getragen: Bremen ist die Stadt der Luft- und Raumfahrt, und in diesem Jahr sogar die „Stadt der Wissenschaft“. „Diese Entwicklung gibt den Bremerinnen und Bremern Recht, die seit Jahrhunderten gerade auch angesichts mancher Rückschläge ihrem Motto ‚buten un' binnen – wagen un' winnen’ treu geblieben sind. Ich wünsche sehr, dass die Ariane 5 ECA unser Bremer Wappen, den Schlüssel zu den Weltmeeren wie zum Weltraum, erfolgreich in die Erdumlaufbahn trägt“, so Bürgermeister Scherf.



Mit einer Transportkapazität von anfangs rund sechs Tonnen galt die Ariane 5 von Beginn an als weltweit leistungsfähigste Trägerrakete zum Transport von Nutzlasten in geostationäre Transferumlaufbahnen (36.000 km). Stetig wachsende Abmessungen und Gewichte der Satelliten machten die kontinuierliche Weiterentwicklung der europäischen Trägerrakete Ariane 5 notwendig. Mit der Erhöhung auf zehn Tonnen Nutzlast zielen die Europäer auch weiterhin auf die größtmögliche Abdeckung des öffentlichen und kommerziellen Marktes der Zukunft – und dies zu beständig wettbewerbsfähigen Konditionen, da meist zwei Satelliten mit einer Mission befördert werden.


Das Bremer Unternehmen EADS SPACE Transportation ist in Deutschland für die Oberstufe, das Lagerregelungssystem, die Steuerungseinheit VEB mit dem Gehirn der Rakete und für die Schubkammer des Haupttriebwerks "Vulcain" der Zentralstufe verantwortlich. Die neue Oberstufe ESC-A (Etage Superieur Cryotechnique Version A) erzielt ihre Leistung durch Verwendung tiefkalter, so genannter hochenergetischer Treibstoffe (Flüssigwasserstoff/Flüssigsauerstoff). Die Schubkraft dieser Bremer Oberstufe, die ihre „Passagiere“ in nur 16 Minuten Brenndauer bis zum Aussetzpunkt katapultiert, beträgt 65 KiloNewton, entsprechend rund 180.000 PS.


Flug 164 befördert den Kommunikationssatelliten XTAR-EUR und den Testsatelliten MAQSAT B-2 aus dem Münchner Hause Kayser Threde, welcher unter anderem das Verhalten von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit für die europäische Raumfahrtagentur ESA untersucht. „Mission Bremen“ befördert zudem die gebannte Hoffnung der Stadt der Luft- und Raumfahrt auf eine neue Ära europäischer Technologieführung im All.


„Grenzerfahrungen“
„Die Mission Bremen markiert einen Meilenstein in der Geschichte der Raumfahrt, denn mit Einführung dieses Leistungstyps wagt Europa einen Riesenschritt zur Sicherung der Marktführerschaft auch der nächsten zehn Jahre“, ist sich Dr. h.c. Werner Inden sicher. Fast 40 Jahre lang - von den ersten Anfängen des ERNO bis zur heutigen EADS SPACE Transportation – prägte der Ingenieur die Geschicke der Raumfahrtentwicklung am Standort Bremen entscheidend mit und ist heute noch im Ariane-Städtebund für die Freie Hansestadt Bremen aktiv. Als Zeitzeuge der Bremer Raumfahrtgeschichte sieht er den Start der Ariane 5 ECA in einer Reihe mit den großen Entwicklungsschritten, durch die Bremen international Anerkennung als Zentrum wegweisender Raumfahrttechnologie fand. Der Durchbruch gelang 1974 mit dem Auftrag der ESA für Entwicklung und Bau des europäischen Weltraumlabors Spacelab. Spacelab bewies seine technologische Reife von 1983 bis 1998 auf 22 Missionen mit mehr als 720 Experimenten, durchgeführt durch 149 Astronauten. Mit dem Zuschlag für den Bau des Columbus-Moduls als europäischer Beitrag zur Internationalen Raumstation (ISS), den Aufträgen für das vollautomatische Versorgungsfahrzeug der ISS, das ATV (Automated Transfer Vehicle) und für die Produktion der Ariane-5 Oberstufe bei EADS SPACE Transportation hat der Raumfahrtstandort Bremen seinen internationalen Ruf stetig gefestigt. „Doch so gerade wie dieser Weg scheint, ist er nie gewesen“, erinnert sich Inden. Rückschläge habe es immer wieder in der Raumfahrt gegeben.


Auch die Entwicklung einer europäischen Trägerrakete war gerade in den Anfängen von Rückschlägen geprägt, so Horst Holsten. Die Entwicklungsgeschichte der Ariane ist mit dem Namen dieses ehemaligen EADS SPACE Transportation Ingenieurs wie mit keinem anderen in Bremen verbunden. Der Vorläufer der Ariane, die Rakete „Europa“, schaffte es nicht ein einziges Mal die Umlaufbahn zu erreichen. „Einmal wurde die Nutzlastverkleidung nicht abgesprengt, ein andermal löste sich die Selbstzerstörung der Rakete von selbst aus, und beim letzten Flug – dem ersten Flug von Kourou - verfälschte ein loses Kabel die Flugkontrolldaten und ließ die Rakete von der Bahn abkommen“, erinnert sich Holsten.


Selbst bei der weltweit extrem erfolgreichen Trägerrakete Ariane 4 gab es immer wieder Rückschritte: Die Ariane-Missionen 15 und 18 (1985 und 1986) wurden durch Zündfehler der Oberstufe zum Fehlschlag, während 1990 menschlicher Irrtum die Mission 36 scheitern ließ: Man hatte schlicht einen Putzlappen in einer Rohrleitung vergessen. Auch die Erststarts der neuen Ariane 5 1996 und der Zehntonnen-Variante am 11. Dezember 2002 erreichten ihre Ziele nicht.


„Derartige Rückschläge sind die Grundlage für den Erfolg - vorausgesetzt man gibt nicht auf und zieht die richtigen Schlüsse aus der Erfahrung“, sagt Holsten. „Wir müssen uns immer vor Augen halten, was wir eigentlich in der Raumfahrt konkret tun: Wir verlassen die Grenzen unserer Erde. Das kann nie eine Routine wie Autofahren werden. Raumfahrt bleibt immer im wahrsten Sinne des Wortes eine Grenzerfahrung für alle Beteiligten und die eingesetzte Technologie selbst. Die Zündung eines Triebwerks unter Schwerelosigkeit kann auf der Erde nicht getestet werden, wie auch Trennvorgänge von Stufen und Nutzlasten nur simuliert werden können.“


Holsten weist zudem auf die von den Entwicklungsingenieuren berechnete Zuverlässigkeit der Ariane 5 von immerhin fast 99 Prozent hin. „Gerade auch bei der Vorbereitung dieses Starts haben wir alles Menschenmögliche getan, um die Rakete so sicher wie möglich zu machen. Unter anderem wurde der Hauptmotor verändert und unter Vakuum getestet, die Oberstufe wurde verstärkt und die Hauptstufe wurde modifiziert.“ Dennoch betont Holsten: „Flug 521 ist und bleibt ein Qualifikationsstart, bei dem wir verschiedene Dinge auf der Erde nicht testen können. Dieses Restrisiko müssen wir akzeptieren. Gleichzeitig vertrauen wir darauf, dass wir am Ende den Durchbruch schaffen.“


Diesen Aspekt betont auch Josef Kind, Präsident EADS SPACE Transportation in Bremen: „In unserem Hause hängt eine Vielzahl beruflicher Lebensgeschichten am Erfolg dieser und anderer Projekte. Diese Menschen haben ein Recht darauf, ihre Arbeit bis zum Erfolg voran zu bringen. Diese Arbeit ermöglicht Europa den eigenständigen Zugang zum Wirtschaftsraum Weltraum. Und wenn man dafür noch einmal ansetzen muss wie jetzt, dann ist dies eben so. Unverzeihlich wäre nur eines: Aufzugeben. Dies gilt für die Ariane und für alle Bereiche, in denen wir am Standort Bremen nun fast ein halbes Jahrhundert lang Technologiegeschichte geschrieben haben.“


Bremen und die Ariane-Städtepartnerschaft
Bremen gehört gemeinsam mit dem hiesigen Raumfahrtunternehmen EADS SPACE Transportation zu den Gründungsmitgliedern des Ariane-Städtebundes „Communauté des Villes Ariane“ (CVA), in dem sich Unternehmen und Kommunen der am Arianeprojekt beteiligten Regionen 1998 zusammengeschlossen haben. Ziel des Bundes sind die Förderung des Austausches der Jugend auf Grundlage wissens- und forschungsrelevanter Projekte und auch die Verstärkung der industriellen Zusammenarbeit. „Die Ariane soll die Jugend in unserem Städtebund näher an Technologie und Wissenschaft heranbringen, und der industriellen Kooperation unserer Städte Tür und Tor öffnen“, wünscht sich Bürgermeister Henning Scherf. Im CVA sind neben Bremen 16 weitere Städte Europas, und neben EADS SPACE Transportation (Bremen und Ottobrunn) zwölf weitere Raumfahrtunternehmen Frankreichs, Italiens, Spaniens und Deutschlands zusammengeschlossen. Ehrenmitglied ist die europäische Weltraumorganisation ESA.


Am 1. Januar 2002 übernahm Bürgermeister Dr. Henning Scherf vom ehemaligen französischen Premierminister und heutigem Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, die Präsidentschaft des Ariane-Städtebundes. Damit lag es nahe, die Patenschaft über eine der bevorstehenden Ariane Missionen zu übernehmen. Angesichts des von Mut und Zuversicht geprägten Bremer Mottos ‚buten un' binnen – wagen un' winnen’ entschied sich Bremen für den erneuten Qualifikationsstart der bisher stärksten Ariane-Version. So wird die "Mission Bremen“ den Abschluss der Präsidentschaftsperiode Bremens in der CVA markieren.