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Senatskanzlei

Vielfaches Gedenken zur 75. Wiederkehr der Reichspogromnacht

16. Nacht der Jugend im Bremer Rathaus – Neue Broschüre zu den Novemberpogromen im Lande Bremen

15.10.2013

In diesem Jahr jährt sich am 9. November die sogenannte Reichspogromnacht zum 75. Mal. Bundesweit wird an diesem Tag daran erinnert, dass in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in ganz Deutschland Synagogen brannten, jüdische Geschäfte und Wohnungen demoliert und Menschen jüdischen Glaubens misshandelt, in Konzentrationslagern inhaftiert, verfolgt und getötet wurden. Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung. Sie waren der Beginn des größten und schlimmsten Völkermordes in der Geschichte der Menschheit.

Im Bremer Rathaus steht das Gedenken an diese grausamen Ereignisse im Mittelpunkt der „Nacht der Jugend“ am 12. November. Seit nunmehr 16 Jahren findet sich ein Kreis engagierter junger Leute zusammen, um eine ganz besondere Form des Gedenkens an Leid, Ausgrenzung, Folter und millionenfachen Mord vorzubereiten: modern, lebendig, jugendgemäß.

Die Nacht der Jugend soll für alle Beteiligten ein Ort der Begegnung sein, des gemeinsamen Nachdenkens und zwanglosen Miteinanders. Sie bietet darüber hinaus allen Interessierten ein Forum zur Auseinandersetzung mit der Geschichte und aktuellen politischen Fragen. „Das Wichtigste, was wir unseren jungen Leuten vermitteln können ist, dass wir nicht vergessen“, betont Bürgermeister Jens Böhrnsen, Schirmherr der Veranstaltung. Dazu gehört, dass stets auch Zeitzeugen zu Wort kommen. Diesmal sind es Rita Medvedeva und Galina Kisel als Überlebende des Holocausts, die über ihr Erlebtes berichten und mit den jungen Leuten ins Gespräch kommen.

Das diesjährige Motto heißt: "Wie schön ist der Mensch, wenn er ein Mensch ist!". Es ist ein Satz von Szymon Dattner, der Auschwitz überlebt hat. Er drückt das Vertrauen in die Menschlichkeit des Menschen aus - trotz schrecklichster Erfahrungen. Und er ist der Leitfaden in Diskussionsrunden, in Workshops und Ausstellungen, in Lesungen, Theaterszenen wie auch in den musikalischen Auftritten. Welche Voraussetzungen sind notwendig, damit Menschen sich menschlich verhalten, was gefährdet oder zerstört die Menschlichkeit und was bringt sie zur Entfaltung? Woher kommen Gut und Böse? Diese Fragen werden im Verlaufe des Abends eine wichtige Rolle spielen.

Zugesagt hat inzwischen der bei Jugendlichen bekannte und beliebte Reggae-Sänger und Hip-Hopper Nosliw. In seinen sozialkritischen Songs geht es vielfach darum, seine Zuhörer zum Selbstdenken anzuregen. Im Vorfeld der bundesweit geplanten braunen Aufmärsche im Mai 2010 hatte er den Song „Nazis Raus!“ veröffentlicht und setzte damit ein deutliches Zeichen. Ein weiterer Ehrengast ist der Liedermacher, Schriftsteller und ehemaliger DDR-Dissident Stephan Krawczyk, der mit einem eigenen Programm dabei ist. Der Bremer Schriftsteller Mikel Jentsch konnte für eine Lesung aus seinem Buch „Blutsbrüder“ gewonnen werden. Das gesamte Programm der Nacht der Jugend wird im Rahmen einer Pressekonferenz rechtzeitig bekannt gegeben.

Bürgermeister Jens Böhrnsen wird am 12. November um 18.30 die Nacht der Jugend“ in der Oberen Rathaushalle eröffnen. Es ist wie in den vergangenen Jahren damit zu rechnen, dass wieder insbesondere junge Leute in Scharen ins Rathaus strömen. Viele von ihnen haben sich aktiv beteiligt – etwa 500 Mädchen und Jungen bereiten das ganze Jahrüber die Veranstaltung vor. Alle, die dabei sind, unterstützen die Grundwerte der Nacht der Jugend: Sie wollen, dass Menschenfreundlichkeit, gegenseitige Anerkennung und Respekt wieder mehr Platz im Miteinander finden. Zugleich ist ihnen demokratisches und soziales Engagement wichtig. Und sie planen den Ablauf dieses ganz besonderen Abends im Bremer Rathaus so, dass diese Werte auf vielfältige Weise sichtbar und erlebbar werden. Die jungen Leute kommen u.a. aus Sportvereinen, aus Politik- und Geschichtskursen, aus Theater- und Tanzgruppen, von Unicef, Amnesty international oder aus Schülerfirmen, die das Catering, die Werbung oder das Saubermachen übernehmen.

Weitere Veranstaltungen zum Gedenken an die Reichspogromnacht

Orte des Gedenkens sind notwendig, um zu begreifen, was war und was sich niemals wiederholen darf. In diesem Sinne gibt es weitere Veranstaltungen in Bremen. Bereits am 8. November um 9.30 Uhr wird Bürgerschaftspräsident Christian Weber auf dem Jüdischen Friedhof in Hastedt einen Kranz niederlegen. Um 11.30 Uhr findet die alljährliche Gedenkfeier am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in der Dechanatstraße statt, die in diesem Jahr von der CDU-Fraktion organisiert wird. Es spricht Dr. Samuel Salzborn, Universität Göttingen.

Am 10. November bitten die Jüdische Gemeinde und die Bremische Bürgerschaft
um 16 Uhr zu einem Familiennachmittag in die Jüdische Gemeinde zum gemeinsamen Erinnern und Gedenken. Eingeladen dazu sind Abgeordnete,
Mitglieder des Senats sowie Staatsräte und Staatsrätinnen und deren Familien. Rabbiner Teitelbaum wird dabei sein; Bürgerschaftspräsident Christian Weber hält am Gedenkstein im Garten der Jüdischen Gemeinde eine kurze Rede.

Das Staatsarchiv Bremen gibt zur 75. Wiederkehr der Reichspogromnacht eine Broschüre heraus, die sich in besonderer Weise mit den Novemberpogromen 1938, mit den Morden, Brandstiftungen und sonstigen Ausschreitungen in Bremen, Bremen-Nord und Bremerhaven befasst. Als Gesamtdarstellung der Geschehnisse präsentiert sie neues Quellenmaterial. Ein Schwerpunkt der Analyse liegt auf den Tatbeteiligten, ihrer Herkunft, ihren Motiven und ihrer Mitgliedschaft in der NS-Bewegung. Die Schrift wird in Kürze der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im Bamberger Haus - dem ehemaligen Warenhaus des jüdischen Kaufmanns Julius Bamberger - ist vom 10. bis 30. November eine Sammlung mit 300 historischen Postkarten zu sehen, die Motive aus dem jüdischen Leben zwischen 1898 und 1938 zeigen.In den Ansichtskarten spiegelt sich eine Welt wieder, die nahezu vollständig verloren gegangen ist. Die meisten zeigen heute nicht mehr existierende jüdische Bauwerke und Synagogen. Die Schau wird am 10. November um 11 Uhr im Bamberger Haus, Faulenstraße 69 eröffnet.