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Senatskanzlei

Bundeskanzler Gerhard Schröder brachte wertvolle Zeichnungen nach Bremen zurück

25.01.2000

Bürgermeister Dr. Henning Scherf dankte der Bundesregierung und hofft auf weitere Unterstützung bei der Rückführung von Kulturgütern

Große Freude in Bremen: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat bei seinem heutigen (25.1.2000) Besuch in Bremen zwei wertvolle, gegen Kriegsende verschleppte Zeichnungen aus dem Bestand der Bremer Kunsthalle den rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben. Damit stehen eine jahrelange Irrfahrt und ein regelrechter Kunstkrimi vor einem happy end. Bei der offiziellen Übergabe an die Vertreter der Kunsthalle und des Kunstvereins bedankte sich Bürgermeister Dr. Henning Scherf bei Bundeskanzler Gerhard Schröder für die Unterstützung bei der Rückführung der Kulturgüter: "Ich danke der Bundesregierung und Gerhard Schröder für die tatkräftige Unterstützung der Bremer Kunsthalle und des Senats bei den Bemühungen, die Zeichnungen wieder nach Bremen zu holen. Auf diese Hilfe setzen wir auch in Zukunft". Auch künftig, so der Präsident des Senats, sei es erklärtes Ziel der Landesregierung, verschleppte Kulturgüter wieder an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. "Wir Bremer sind uns dabei der engagierten Unterstützung von Gerhard Schröder sicher".


Die beiden vom Bundeskanzler nach Bremen zurückgebrachten Zeichnungen gehören zu einem Konvolut von insgesamt 14 Blättern, die gegen Kriegsende von Soldaten verschleppt wurden und sich lange in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, befanden. Im einzelnen handelt es sich dabei um


  • eine Federzeichnung mit der Darstellung einer Madonna mit Kind (Raffael zugeschrieben) in der Größe von 20,3 x 15,2 cm und

  • eine Zeichnung eines knieenden männlichen Aktes von hinten (Giovanni Lorenzo Bernini zugeschrieben), rote Kreide, Größe 23 x 17 cm.


Beide Werke sind durch Prägestempel als Eigentum der Kunsthalle Bremen ausgewiesen und in deren Inventarlisten aufgeführt.


Die Geschichte der 14 Zeichnungen liest sich wie ein Krimi


Die beiden in Bremen lang vermissten Bilder gehören zu einem Konvolut von 14 Blättern, die gegen Kriegsende von Soldaten verschleppt wurden und in Aserbaidschan landeten. Bereits 1993 war der Bremer Kunstverein auf die Zeichnungen aufmerksam geworden. Als sie in Baku in einer Ausstellung gezeigt wurden, konnten sie als Eigentum des Kunstvereins identifiziert werden. Die Rückgabe an Bremen scheiterte jedoch, weil die Bilder wenig später vom Museum in Baku als gestohlen gemeldet wurden. Einige von ihnen wurden bald darauf im New Yorker Auktionshaus Sotheby´s angeboten. Der Versuch, die russischen Anbieter mitsamt der Zeichnungen mit Hilfe des FBI festzunehmen, misslang.


Neue Nachrichten erhielt der Kunstverein 1997 von der deutschen Botschaft aus Japan. Dort böte ein Japaner 12 angeblich aus Privatbesitz stammende Zeichnungen zum Preis von 12 Mio. Dollar an. Viele von ihnen würden den Stempel des Kunstvereins bzw. der Kunsthalle Bremen tragen. Acht der 12 Blätter konnten seinerzeit einwandfrei identifiziert werden, woraufhin der Japaner die seine Version des angeblichen Familienbesitzes aufgab und mit seiner Preisforderung auf 6 Mio. Dollar herunterging. Auf das Angebot des in der Museumspraxis üblichen Finderlohns von 10 bis 12 Prozent ging er nicht ein – auch nicht, als er Ende 1997 zu einem Treffen nach Bremen reiste. Der Kunstverein beharrte jedoch darauf, dass ohne eine Besichtigung der Originale nicht weiterverhandelt werden könne. Es wurde ein weiteres Treffen in New York verabredet, das am 5. September auch tatsächlich zustande kam. Die Zusammenkunft und die Verhandlungen zwischen dem Vertreter des Kunstvereins (in Begleitung eines getarnten Zollbeamten) und dem japanischen Anbieter wurde von Sicherheitsbeamten verfolgt, der Anbieter sowie drei Russen wurden festgenommen, die Zeichnungen wurden beschlagnahmt. Acht von ihnen konnten zweifelsfrei als Bremer Blätter identifiziert werden. Vier weitere Bremer Zeichnungen wurden bei späteren Durchsuchungen gefunden.


Seither werden die wertvollen Zeichnungen aus Bremen in New York verwahrt bis zur endgültigen juristischen Klärung der Eigentumsverhältnisse. Der steht nunmehr nichts im Wege. Im November 1999 bestätigte der Präsident Aserbaidschans Hajdar Alijew ausdrücklich, das die Blätter Eigentum der Bremer Kunsthalle seien. In einem "Protokoll über die Übergabe von Kulturgütern durch die Regierung der Aserbaidschanischen Republik an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland" wurde außerdem die Rückgabe der beiden jetzt von Bundeskanzler Gerhard Schröder überbrachten Bilder vereinbart. Nachdem Aserbeidschan damit die ersten beiden Zeichnungen zurückgegeben hat, besteht jetzt begründete Hoffnung, dass auch die in New York lagernden Blätter bald nach Bremen zurückkehren.


Insgesamt sind es ca. 1700 Zeichnungen und ca. 3000 Blatt Druckgraphik, die 1943 aus Sicherheitsgründen aus der Bremer Kunsthalle in das Schloss Karnzow (Kreis Kyritz) in der Mark Brandenburg ausgelagert wurden. Bei Kriegsende fielen sie in die Hände sowjetischer Soldaten und auch der dortigen Zivilbevölkerung. Alle Bremer Verluste wurden 1991 in der "Dokumentation der durch Kriegsauslagerung im 2. Weltkrieg vermissten Kunstwerke der Kunsthalle Bremen" in russischer und deutscher Sprache publiziert, basierend auf dem erhaltenen Vorkriegsarchiv in seinem Abbildungsmaterial. Dieser umfassende Katalog wurde an Museen, Galerien, Auktionshäuser und die deutschen Botschaften in aller Welt verschickt. Eine zweite verbesserte Auflage dieser Dokumentation in englischer Sprache liegt seit 1997 vor.