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Senatskanzlei

Durch Form zum Geist: Wilhelm Lehmbrucks Werk in Bremen

11.02.2000

Gerhard Marcks Haus zeigt 40 Plastiken des großen Bildhauers


Er starb früh und hat dennoch ein vielseitiges bildnerisches und graphisches Werk hinterlassen: Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) gehört zu den wichtigsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts, sein Werk hat internationale Geltung erlangt. Wie kaum ein anderer hat der in Duisburg geborene Künstler es verstanden, seinem Zeitempfinden einen tiefgründigen Ausdruck zu verleihen. In einer Sonderausstellung zeigt das Bremer Gerhard Marcks Haus bis zum 30. April 40 Plastiken, darunter einige der Hauptwerke des Künstlers, 20 Zeichnungen sowie Gemälde und Grafiken. Die Präsentation ist Höhepunkt einer Folge großer Bildhauerwerke des 20. Jahrhunderts, die in dem renommierten Museum bisher zu sehen waren.


Dr. Martina Rudloff, Direktorin des Gerhard Marcks Hauses, konzentriert in dieser spannenden Ausstellung mit dem bezeichnenden Titel "Durch Form zum Geist" die Exponate zu bestimmten Themen bezw Fragestellungen. Die Schau spart zwar Lehmbrucks gesamtes noch unerforschtes Frühwerk aus, setzt aber eher an (1907) als andere Ausstellungen, die sich auf die letzten 10 Lebensjahre des Künstlers fokussiert haben.


In der Bremer Auswahl wird versucht, einige Aspekte und Besonderheiten des Schaffens pointiert hervorzuheben. Im Kern geht es darum, "welche revolutionären Lösungen Lehmbruck fand, indem er der menschlichen Figur neue Ausdrucksmöglichkeiten verlieh, sie torsierte und unterschiedliche Materialien erprobte". Jeder der fünf Räume des Museums bildet so ein Forum, sich an der jahrzehntelangen kontroversen Diskussion um den Bildhauer zu beteiligen. So kann man beispielsweise in einem Raum den berühmten Hagener Torso in den verschiedenen Materialien Bronze, Marmor und Steinguss betrachten und nachvollziehen, wie Lehmbruck die unterschiedlichen Qualitäten der Werkstoffe untersucht hat. Hier vermitteln sich aber



auch seine Bemühungen, die Figuren auf das wesentliche zu beschränken, indem er Teile des Körpers entfernte.


Reduktion, Verzerrung und Fragmentierung gehören zu den großen Errungenschaften der modernen Bildhauerei, zu denen Wilhelm Lehmbruck einen wichtigen Beitrag geliefert hat. An den Figuren "Mutter und Kind" beispielsweise lässt sich sehr genau erkennen, wie Lehmbruck sich mit den Formproblemen der Moderne auseinandergesetzt hat, wie er Figur und Material verdichtet und eine einzigartige Ausdruckstiefe erreicht.


Ein weiterer Raum präsentiert die beiden Hauptwerke "Die Sinnende" und "Die Kniende", in denen Lehmbruck versucht, "die große Linie des Daseins zu fassen", wie es Martine Rudloff formuliert. Die berühmte Kniende mit ihren überlangen Gliedmaßen wird heute als bedeutendes Werk angesehen, das am Anfang der expressionistischen Bildhauerei steht. Mit den beiden Skulpturen "Der Gestürzte" und "Der Trauernde" setzt Lehmbruck sich mit den Schrecken des 1. Weltkrieges auseinander. Eine Konstante im Werk Lehmbrucks ist auch die Auseinandersetzung mit literarischen Themen - auch dieser Aspekt wird in Bremen thematisiert.


Nach Bremen wird die Wanderausstellung in Berlin, Duisburg und Mannheim zu sehen sein. Das bahnbrechende Werk Lehmbrucks wirft immer noch Fragen auf. Diesem Umstand wird der umfangreiche Katalog mit zahlreichen Beiträgen gerecht, die sich mit dem Schaffen Lehmbrucks aus unterschiedlichen Perspektiven auseinandersetzen.

Das Gerhard Marcks Haus ist dienstags bis sonntags von 11-18 Uhr geöffnet.