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Senatskanzlei

Antragsverfahren vor dem Staatsgerichtshof zum Beleihungsgesetz – Senat gibt Stellungnahmen ab

25.04.2001

Das Gesetz zur Übertragung von Aufgaben staatlicher Förderung auf juristische Personen des privaten Rechts, das ‚Beleihungsgesetz‘, ist nach Auffassung des Senats der Freien Hansestadt Bremen nicht verfassungswidrig. Die Kontrollrechte des Parlaments werden nicht eingeschränkt, es entstehen vielmehr durch ein umfassendes Berichtswesen neue Transparenz und zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten durch Senat und Bürgerschaft. Gleichzeitig erlaubt die Beleihung Privater in manchen Bereichen flexibleres Handeln als es der öffentlichen Verwaltung möglich wäre.

Zu diesem Ergebnis kommt die am 24. April 2001 vom Senat beschlossene Stellungnahme seines Prozeßbevollmächtigten, dem Frankfurter Verfassungsrechtler Professor Dr. Joachim Wieland. Eine weitere Stellungnahme des Senators für Justiz und Verfassung stützt diese Auffassung.

Auf Initiative der Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen hatten im Januar dieses Jahres 20 Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft einen Antrag beim Staatsgerichtshof eingebracht, mit dem Ziel, die im Beleihungsgesetz vom Mai 1998 ermöglichte Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch private Unternehmen für verfassungswidrig zu erklären. In dem Antrag wird behauptet, die Erledigung staatlicher Aufgaben durch privatrechtliche Gesellschaften mache dem Parlament und besonders der Opposition die Kontrolle des Senats unmöglich. Der Senat hat gestern seine beiden Stellungnahmen dem Staatsgerichtshof zugeleitet.

Der Prozeßbevollmächtigte des Senats Professor Wieland stellt in seiner Stellungnahme die Übertragung von Aufgaben in den Zusammenhang mit der Konsolidierung des bremischen Staatshaushaltes. Dabei würden mittel- und langfristig wirkende Strukturveränderungen der öffentlichen Verwaltung angestrebt. Nicht nur die Symptome der Haushaltsnotlage sollten therapiert, sondern ursachenorientierte strukturelle Lösungen angestrebt werden. Deshalb ist „eine Neuorientierung der Aufgabenwahrnehmung des gesamten öffentlichen Sektors in der Freien Hansestadt Bremen erforderlich,“ heißt es in der Stellungnahme.

Wesentlicher Bestandteil dieses grundlegenden Umbaus zu einem ‚Konzern Bremen‘ sind die Dezentralisierung von Aufgaben und die Stärkung von Eigenverantwortlichkeit. Dies setzt wiederum wirkungsvolle Kontrolle voraus und damit ein „neues und ausgebautes Instrumentarium der strategischen Steuerung“.
Zu diesen Instrumentarien gehören Verträge zwischen den senatorischen Stellen und den beliehenen Privaten (Kontrakte) ebenso wie wirkungsvolles Controlling und Berichtswesen. „Gerade das in der öffentlichen Verwaltung neue Instrument des Controlling stärkt die Bürgerschaft in ihrer zentralen Funktion als Hauptorgan politischer Steuerung, weil es größere Transparenz, eine neue Qualität der Planung und damit bessere Einblicke in den Vollzug von Haushalt und Beschlüssen ermöglicht.“

Die Controlling-Berichte des Senators für Finanzen „ermöglichen der Bürgerschaft in vielen Kennzahlen einen Vergleich zwischen den politischen Vorgaben und deren tatsächlicher Umsetzung durch die Verwaltung. Damit erhält die Bürgerschaft wesentlich mehr und genauere Informationen über das Verwaltungshandeln als nach dem klassischen System der Input-Steuerung, die sich weithin in einer Ermächtigung zur Tätigung von Ausgaben erschöpfte und eine parlamentarische Kontrolle der Mittelverwendung oft nur Jahre später in Form der Rechnungslegung zur Entlastung der Exekutive erlaubte.“

Das Neue Steuerungsmodell werde zur Zeit aufgrund seiner zahlreichen Vorteile in den Kommunen, in den Ländern und im Bund eingeführt. „Der Reformprozeß ist in den einzelnen öffentlichen Verwaltungen unterschiedlich weit fortgeschritten, bewegt sich aber überall in die gleiche Richtung.“

Die „umfassende und erschöpfende Kontrolle“ der vom Senat beauftragten Gesellschaften - wie der Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG) oder der Bremerhavener Gesellschaft zur Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) sei durch die umfassende Berichtspflicht der Gesellschaften gegenüber dem Senat gewährleistet. Das neu eingeführte Berichtswesen und Controlling verschaffe der Bürgerschaft einen konkreteren Überblick und einen „wesentlich besseren Einblick in Leistungen und mögliche Schwächen auch der beliehenen Gesellschaften, als das vor der Einführung des Neuen Steuerungsmodells gegenüber den in die öffentliche Verwaltung integrierten, mit der Wirtschaftsförderung betrauten Stellen der Fall war.“

„Die von den Antragstellern geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit greifen nicht durch. Sie beruhen vielmehr wesentlich auf einer Verkennung der Eigenarten des Neuen Steuerungsmodells und seiner Stärkung der Informations- und Kontrollmöglichkeiten auch der Bürgerschaft, ihrer Ausschüsse und Mitglieder. Das Beleihungsgesetz entspricht dem Vorbehalt des Gesetzes, den Anforderungen an die demokratische Legitimation der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, es stärkt im Zusammenhang mit dem Neuen Steuerungsmodell die Verantwortlichkeit der Exekutive gegenüber der Legislative ... Nach Auffassung des Senats der Freien Hansestadt Bremen ist der Antrag folglich unbegründet“, heißt es in der Stellungnahme zusammenfassend.

In der Stellungnahme des Senators für Justiz und Verfassung wird ausdrücklich festgestellt, daß der Vorwurf fehlender demokratischer Legitimation des Beleihungsgesetzes nicht zutrifft. „An keiner Stelle entsteht ein Raum der Freiheit des Regierungshandelns von parlamentarischer Kontrolle“, heißt es. Das Parlament selbst habe im Beleihungsgesetz konkret die Gesellschaften benannt, denen der Senat durch Vertrag nähergenannte Aufgaben im Bereich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung übertragen kann. Die Gesellschaften stünden unter der Aufsicht des Senats, der seinerseits dem Parlament rechenschaftspflichtig sei und regelmäßig der Bürgerschaft berichten müsse. Die Gesellschaften könnten nur Geld ausgeben, das die Bürgerschaft vorher bewilligt habe. Selbstverständlich kontrolliere die Bürgerschaft durch ihren Haushalts- und Finanzausschuß, wofür das Geld verwendet werde. Außerdem habe der Rechnungshof das Recht, das Finanzgebaren der Gesellschaften zu prüfen und der Bürgerschaft zu berichten. Selbstverständlich könnten Ausschüsse der Bürgerschaft ihre verfassungsmäßig verbürgten Informations- und Kontrollrechte gegenüber dem Senat wahrnehmen; der Senat sei verpflichtet, den Ausschüssen Informationen aus seinem Geschäftsbereich und auch aus den Gesellschaften zu geben. Auskünfte könnten nicht mit der Behauptung verweigert werden, als privatrechtliche Gesellschaften bräuchten die Unternehmen sich nicht gegenüber dem Parlament zu verantworten. Auch die Rechte der Deputation für Wirtschaft (für die Wirtschaftsförderung) und der Deputation für Arbeit (für die Arbeitsmarktförderung) blieben unberührt:
Selbstverständlich könnten sie wie bisher über die Förderungsangelegenheiten ihres Geschäftsbereiches beraten und beschließen und dadurch auch Einfluß nehmen auf die Führung der Aufsicht über die Gesellschaften. Zudem könnten sie wie bisher von dem zuständigen Senator alle Auskünfte verlangen; sie hätten auch das Recht der Akteneinsicht. Von einer Beinträchtigung der parlamentarischen Kontroll- und Mitwirkungsrechte könne demnach keine Rede sein.