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Der Senator für Kultur

Martin Heller eröffnet Bremens „Baustelle Bewerbung“ für die Kulturhauptstadt Europas 2010

07.10.2003

Potenzial für einen „europäischen Modellfall“:

Nach vier Monaten Recherche und Gesprächen ist es soweit: Der Schweizer Kulturmanager und künstlerische Leiter des Bremer Projektes „Kulturhauptstadt Europas 2010“, Martin Heller, stellt in einer Konzeptskizze mögliche Leitlinien für die Bewerbung vor, mit der Bremen im Juni kommenden Jahres ins Rennen gehen will. Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse des kritischen Blicks von außen werden in den kommenden Wochen gewiss für Gesprächsstoff sorgen. Und genau darin sah der Senat im April bei seiner Entscheidung für den vormaligen Künstlerischen Direktor der Schweizer Landesausstellung Expo 02 die entscheidende Chance. „Das Bewerbungsprojekt, so wie wir es jetzt gemeinsam mit Martin Heller angelegt haben, bietet eine Reihe von unschätzbaren Vorteilen: Es eignet sich in hervorragendem Maße dafür, die Stadt kulturell neu aufzustellen, sie damit neu zu positionieren und zu präsentieren,“ erklärte der Senator für Kultur, Bürgermeister Hartmut Perschau, im Anschluss an eine Sondersitzung der Kulturdeputation am Dienstag, 07.10.03, auf der Hellers „Baustelle Bewerbung“ präsentiert wurde.

In seinem spielerisch angelegten Papier hat Martin Heller die selbst für Bremer nicht immer leicht zu fassende kulturelle Atmosphäre der Stadt beschrieben. Er hat auch einzelne Stärken und Schwächen heraus gearbeitet, „Brutstätten“ und „Besessene“ gesucht und gefunden sowie Potenziale ausgelotet. „Was ich heute präsentieren kann, sind Ergebnisse einer ersten Annäherung. Der Suchscheinwerfer hat noch längst nicht alles hervorgehoben, was glänzt und funkelt. Die Erfassung und Bewertung konkreter Projekte und einzelner Einrichtungen steht ganz am Anfang, und zu erfinden gibt es noch vieles. Es geht heute mehr um einen Grundtenor, um Verfahrensweisen und Kurzgeschichten“, betonte Heller. Reflexe seiner Annäherung an Bremen sind das „germanische Dorf“ mit 68-er Vergangenheit, die hohe Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt, der „Verlust des Meeres“ oder die „Suche nach neuer Identität“ bei gelegentlicher Weigerung, über den Tellerrand zu sehen.

„Hellers Blick auf Bremen hat nicht nur Lobenswertes hervorgebracht - es gibt auch kritische Beobachtungen. Manch einer fühlt sich vielleicht betroffen oder sogar getroffen. Aber einen solchen Denk- und Diskussionsanstoß haben wir gewollt,“ machte Perschau deutlich. „Dabei wird so manches gemildert durch Hellers Begabung zu liebevoller, mitunter helvetisch gefärbter Ironie.“

Die Chance für Bremen sieht der Künstlerische Leiter der Bewerbung darin, die Stadt zu einem europäischen Modellfall für die zukunftsgerichtete Vermittlung und Bearbeitung von Kultur im weitesten Sinne zu deklarieren. Deshalb arbeitet sein Bremer Team mit einem offenen Kulturbegriff, der Wissenschaft, Technologie, Bildung, Stadtbild, Architektur, Parks, Infrastruktur und die Weser, Kultureinrichtungen, Events und kulinarisch-gastronomische Qualitäten in die Themenfindung mit einbezieht.

In einer ersten Vorauswahl haben Heller und sein Team versucht, sich Themen und Projekten zu nähern, die ihrer Ansicht nach eine Weiterentwicklung nicht nur im Hinblick auf die EU-Bewerbungskriterien, sondern auch für 2010 und darüber hinaus lohnen. Dazu zählen für Heller Veranstaltungen wie die internationale Design-Konferenz „profile intermedia“, die Schwankhalle, das Haus im Park, das Projekt „Niemand ist eine Insel“, die Kunsthalle Bremen, die „umgedrehte Kommode“ als weithin sichtbares architektonisches Zeichen, das Überseemuseum oder Projekte wie Peter Greenaways „The Children of Uranium“ und das Auswandererzentrum Bremerhaven.

„Bremen besitzt viele Qualitäten. Doch das ist draußen zu wenig bekannt. Bremen braucht neue Bilder, die den Strukturwandel, die Eigenarten der Stadt, die Lebensqualität, die kulturellen Besonderheiten im europäischen Vergleich wahrnehmbar machen,“ beschreibt Martin Heller seinen Auftrag. „Das bedeutet Profilschärfung. Ohne Brutstätten und Besessene läuft da nichts. Kultur beginnt auf dieser vitalen Ebene – hier hegt oder verspielt Bremen seine Chancen.“ Auch in der Stadtentwicklung sowie in den Städtepartnerschaften Bremens mit Danzig und Riga, die er vehement ausbauen möchte, sieht Heller große Möglichkeiten. So stellt die Partnerschaft mit Danzig die erste Vereinbarung einer polnischen und einer deutschen Stadt in der Nachkriegsgeschichte beider Staaten dar. Eine wichtige Voraussetzung müsse Bremen jedoch vorab erfüllen: „Bremen muss sich die für eine Bewerbung notwendige Öffnung leisten, sich lustvoll im europäischen Schaufenster präsentieren wollen. Ob das so ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.“

Weiteres Standbein der Bremer Bewerbung werde die ausgeprägte Bürgerkultur der Stadt sein. „Die politischen Institutionen Bremens beziehen sich in ihrem Selbstverständnis auf die Prinzipien einer Zivilgesellschaft. Bremens Bürger begreifen sich selbst als Mitglieder eines Gemeinwesens, das deren Werte vertritt.“ Bremen könnte sich Hellers Ansicht nach der Aufgabe stellen, ein selbstbewusstes Modell für eine moderne Bürgergesellschaft zu entwickeln - „mit dem ausgeprägten Willen zur Partizipation, zu nachhaltiger Verbesserung der Lebensqualität.“

Über den Tag hinaus zu denken ist gerade in schwierigen Situationen kein Luxus, sondern Notwendigkeit und die einzige Möglichkeit, Gestaltungskraft zu mobilisieren gegen die scheinbare Übermacht der Probleme. Darin waren sich Bürgermeister Hartmut Perschau und Martin Heller einig. „Ich stimme dem Papier ausdrücklich zu, wo es heißt, eine Schlüsselressource für zukünftige Wertschöpfung in Deutschland sei Kreativität und Kultur bedeute nicht Verschwendung sondern Ressource.“ Deshalb leistet sich Bremen die Bewerbung als umfassende, auch ökonomische Entwicklungschance,“ so Perschau gegenüber der Presse. Voraussetzung für den Erfolg sei der Schulterschluss der Akteure, die Bündelung der Kräfte, die Zusammenführung der Potenziale. Der ganze Bewerbungsprozess sei angelegt als eine Form innovativer, kritischer Selbstvergewisserung über das, was Bremen auszeichnet.

„In den kommenden Wochen wird es darum gehen, die hoffentlich vielfältigen Reaktionen auf unsere Vorschläge mitzunehmen in die zweite Arbeitsphase,“ umschreibt Intendant Martin Heller den nächsten Schritt. „Es gilt zu konkretisieren, was noch abstrakte Forderung ist, und zu vertiefen, was erst an der Oberfläche schürft. Die Baustelle unserer Bewerbung ist hiermit eröffnet.“

Die Konzeptskizze „Baustelle Bewerbung“ ist unter http://www.kulturhauptstadt-bremen.de als PDF erhältlich oder kann unter: info@kulturhauptstadt.bremen angefordert werden.