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Bundesland Bremen

Spuren der Zeit reichen bis in die Enkelgeneration

17.11.2005

Bremer Verein bietet Überlebenden des Holocaust und deren Angehörigen psychosoziale Unterstützung an

Ernma P. lebt seit zwei Jahren im Altenheim. Sie fühlt sich wohl – aber wenn sie geduscht werden soll, widersetzt sie sich. Sie schreit, schlägt um sich und ist kaum zu beruhigen. Eine Psychologin findet schließlich heraus, dass die 85Jährige einst das KZ Ravensbrück überlebt hat. Diese Erkenntnis hilft den Betreuern, ihre Reaktionen besser einzuordnen und entsprechend auf die Ängste einzugehen. Überlebende nationalsozialistischer Verfolgung wie auch deren Kinder und Enkel im Umgang mit der belastenden Vergangenheit zu unterstützen – mit diesem Ziel hat sich in Bremen der „Verein Spuren der Zeit „ gegründet. Es ist ein überregional arbeitender, aus jüdischen und nicht-jüdischen Mitgliedern bestehender Verbund von Therapeuten aus Bremen und anderen Städten, die sich vor allem mit dieser Thematik befassen und gezielte Hilfe anbieten.


Der Holocaust hat tiefe, oft verdeckte und verschüttete Spuren bei den unmittelbar Betroffenen hinterlassen. Spuren, die sich nicht einfach irgendwo verlieren. „Es ist dramatisch, immer wieder zu erleben, wie sehr auch die nächste Generation, ja sogar die übernächste von den Auswirkungen der traumatischen Erfahrungen ihrer Eltern betroffen sind“, sagt Renate Jegodtka, die als ausgebildete Therapeutin seit vielen Jahren speziell in diesem Bereich arbeitet. Menschen, die zu ihr kommen, wollen häufig gezielt ihre Vergangenheit aufarbeiten.


Doch den meisten Patienten sei gar nicht bewusst, dass ihre Probleme mit sich oder mit der Familie fast immer Ursachen haben, die mit den Erlebnissen während der NS-Vergangenheit zusammenhängen. Wenn dieser Hintergrund aufgedeckt wird, kann eine individuelle Beratung den Betroffenen weiterhelfen. Die Therapeuten des Verbundes stehen sodann - jeder mit seiner fachspezifischen Ausrichtung und Kompetenz - für Einzel- und Familiengespräche zur Verfügung oder vermitteln gezielt weiter.


Ein weiteres, nicht unwichtiges Arbeitsfeld für den Verein „Spuren der Zeit“ sind Seminare, die Menschen mit „sekundären Traumatisierungen“ angeboten werden. Es sind Frauen und Männer, die beispielsweise in Gedenkstätten arbeiten, die Filme über nationalsozialistische Verbrechen drehen oder Bücher zu diesem Problem schreiben. Durch die ständige Beschäftigung mit dieser belastenden Thematik kann bei manchen Menschen die notwendige Distanz verloren gehen, Grenzen brechen ein. Die aber sind unbedingt nötig sind, um dem Thema gerecht werden zu können „Wenn dann noch andere Probleme hinzukommen, kann diese psychische Belastung bis hin zur Arbeitsunfähigkeit führen“, weiß Renate Jegodtka aus langjähriger beruflicher Praxis. Der Verein bietet hier ebenso Hilfe an wie auch Supervision und Weiterbildung für Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem beruflichen Alltag mit den Folgen des Nationalsozialismus und Verfolgung zutun haben.


Weitere Informationen: „Spuren der Zeit“, Tel: 0421/8399364

Email: info@spuren-der-zeit.org