Sie sind hier:

Bundesland Bremen

Der moderne Seemann: Ausgeschlossen und einsam

17.12.2004

Bremer Wissenschaftler legen Studie über seemännisches Arbeiten heute vor

Seemann, Einsamkeit und Meer: In vielen eingängigen Shanties oder alten Filmen ist dieses Klischee nach wie vor präsent. Die Wirklichkeit heute ist freilich gar nicht so weit davon entfernt. Die Seeleute des 21. Jahrhunderts leiden in der modernen Transportlogistik der internationalen Schifffahrt immer mehr unter Ausschluss und Einsamkeit. Das jedenfalls hat jetzt eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung der Forschungs- und Kooperationsstelle Schifffahrt der Universität Bremen ergeben. Zugleich fanden die beiden Autoren Prof. Heide Gerstenberger und Dr. Ulrich Welke heraus, dass die konkrete Situation an Bord und das Arbeitsklima entscheidend vom Management und vom Kapitän abhängt.


In der Studie über die Arbeit auf See ging es nicht um extreme Arbeits- und Lebendbedingungen an Bord. Vielmehr wollten die Wissenschaftler in Erfahrung bringen, wie denn der durchschnittliche Arbeitsalltag auf den Schiffen aussieht. Um das herauszufinden, waren die beiden Autoren selbst an Bord und haben Seeleute bei ihrer Tätigkeit an Bord und im Hafen beobachtet. Insgesamt waren etwa 200 Seeleute an dem Forschungsprojekt beteiligt.


Was die Sicherheitsstandards und Arbeitsbedingungen auf einem ausgeflaggten Schiff angeht, so können diese heute ebenso gut oder gar noch besser sein als auf einem Schiff, das unter der Flagge eines der früher dominanten seefahrenden Staaten fährt. Laut Studie wird die Situation an Bord durch konkrete Strategien des Managements bestimmt. Mitte der 70er Jahre, als die Ausflaggung allgemein praktiziert wurde, sanken die Sicherheitsstandards in der Seeschifffahrt ständig. Seit in den vergangenen zwei Jahrzehnten internationale Vorschriften und Kontrollen eingeführt wurden, verbesserte sich die Situation. Allerdings – auch weiterhin gibt es „schwarze Schafe“.


Reedereien sind heute vielfach nicht Eigentümer der Schiffe, die sie betreiben. Schifffahrtsfremde Schiffseigener interessieren sich kaum für ihre Schiffe, geschweige denn für die Mannschaften an Bord. Die meisten Seeleute werden heute auch nicht mehr direkt bei einer Reederei angestellt, sondern erhalten den Heuervertrag von einer so genannten „Crewing Agency“. Viele Schiffe werden an Befrachter vermietet. Diese entscheiden dann über den konkret Ablauf des Seetransports. Sie bestimmen die Routen und verlangen, dass die Liegezeiten in Häfen so kurz wie möglich sind. Viele Verantwortliche an Land nehmen Seeleute daher nur noch als Ladungsbegleiter wahr. Die Seeleute selbst fühlen sich, wie die Autoren der Studie herausgefunden haben, eingeschlossen in die enge Welt des Seetransports, von der Welt draußen allerdings sind sie ausgeschlossen.


Die Forschungsergebnisse sind jetzt als Buch erschienen:
Heide Gerstenberger & Ulrich Welke, Arbeit auf See. Zur Ökonomie und Ethnologie der Globalisierung
Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2004, 399 Seiten, € 29.90