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Bundesland Bremen

Pressemitteilung mit Foto "rücksichtslos geradeaus malend" – mehr als eine Rekonstruktion

20.06.2003

Ausstellung zeigt Werke von Paula Modersohn-Becker, Marie Bock und Clara Rilke-Westhoff

Es ist, wenn man so will, eine späte Genugtuung. Im Jahre 2003 ist in Bremen eine Ausstellung zu sehen, die 104 Jahre zuvor für die drei beteiligten Künstlerinnen eine einzige Enttäuschung wurde. Paula Becker, Clara Westhoff und Marie Bock hatten 1899 in der Kunsthalle Bremen ihren ersten öffentlichen Auftritt. Ein harter Verriss in der „Weser-Zeitung“ war die Folge .Vom 22. Juni bis zum 31. August sind diese und weitere Germälde, Zeichnungen und Plastiken der drei damals Geschmähten noch einmal in den Kunstsammlungen Böttcherstraße/Paula Modersohn-Becker Museum zu sehen. Die Präsentation ist indes mehr als eine Würdigung der lange verkannten Künstlerinnen, die für Worpswedes Aufbruch in die Moderne stehen. Hier offenbart sich auch die unerhört sprachliche Kraft des Dichters Rainer Maria Rilke. Seine Texte, neben einigen Werken zu lesen, steigern deren Intensität und zeigen zugleich, wie sehr sich seine Sprache an den Bildern geschliffen hat.


Paula Modersohn-Becker: Sitzende alte Frau, um 1899. Kohle, Rötel und Blei. Foto: Paula Modersohn-Becker Stiftung.

Ein kleines Kabinett dieser einzigartigen Ausstellung ist – ähnlich wie 1899 – den Studien der drei jungen Künstlerinnen gewidmet. Dass der damalige Kunstkritiker Arthur Fitger – selbst ein Bremer Maler – sie als „unqualifizierbare Leistungen“ schmähte, offenbart seine Intoleranz, die nur das Erbauliche, Gute und Schöne akzeptiert. Hier aber wurden Menschen gezeigt, Portraits der knorrigen Bewohner des Teufelsmoors, die Eigentümlichkeit der Landschaft. Die Ablehnung mag auch damit in Zusammenhang stehen, dass malende Frauen um 1900 allenfalls als Hobbymalerinnen zur Kenntnis genommen wurden – nicht als eigenständige Künstlerinnen.

Grund wohl auch für den Dichter Rainer Maria Rilke, in seiner 1903 erschienenen Monografie über die Künstlerkolonie Worpswede die drei Worpsweder Künstlerinnen mit keinem Wort zu erwähnen. Immerhin hatte er sie bereits 1900 kennen gelernt - und Clara Westhoff 1901 geheiratet. Später, ein Jahr nach dem Tod Paula Modersohn-Beckers, wertete er sie als bedeutendste künstlerische Kraft der niedersächsischen Künstlerkolonie.

Die in der Ausstellung zu lesenden Texte stammen denn auch aus Rilkes Schmargendorfer Tagebuch (1900) , aus einem Briefwechsel und dem „Requiem für eine Freundin“.

Die Ausstellung mit dem Titel „rücksichtslos geradeaus malend“ stellt die Werke der Frühphase der drei Künstlerinnen dem reifen und eigenständigen Spätwerk von Paula Modersohn-Becker gegenüber. In zahlreichen Portrait- und Aktstudien sind die Gemeinsamkeiten der drei Künstlerinnen zu erkennen, die in Worpswede Schülerinnen von Fritz Mackensen waren. Die Werke aller drei zeigen sowohl Eigenständigkeit wie die Suche nach eigenen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten. Deutlich vermitteln sie den Aufbruch Worpswedes in die Moderne, ins zwanzigste Jahrhundert.

Eindrücke ganz besonderer Intensität erwarten den Besuch im Hauptraum bereit. Hier finden sich letzte Bilder von Paula Modersohn-Becker, gespiegelt in den unmittelbar den Bildern zugeordneten Worten aus dem Requiem von Rainer Maria Rilke: "Denn das verstandes Du: die vollen Früchte./ Die legtest Du auf Schalen vor dich hin und wogst mit Farben ihre Schwere auf. /Und so wie Früchte sahst du auch die Fraun und sahst die Kinder so von innen her/ getrieben in die Formen ihres Daseins./Und sahst dich selbst zuletzt wie eine Frucht..."


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog und im Insel-Verlag erstmals der vollständige Briefwechsel Paula Modersohn-Beckers mit Rainer Maria Rilke, herausgeben von Rainer Stamm.


Die Ausstellung ist Teil eines Kunstexperiments, das 18 Kulturinstitutionen in Bremen, Worpswede und Fischerhude gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Anlässlich der 100. Wiederkehr der ersten Auflage der Künstlermonografie „Worpswede“ von Rainer Maria Rilke widmen sie sich – auf ganz unterschiedliche Weise – dem Dichter und seiner Beziehung zur Künstlerkolonie Worpswede.