Sie sind hier:

Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Gewalt in der Pflege – Sozialsenatorin zeigt sich erschüttert über Video-Bilder

08.11.2012

Erschüttert reagierte Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, auf Video-Aufnahmen, die ein Angehöriger heimlich in einem Bremer Altenpflegeheim aufgenommen hat: „Die Bilder dokumentieren einen extrem rohen und würdelosen Umgang mit einem pflegebedürftigen Menschen“, sagte sie. „Eine solche Behandlung Schutzbedürftiger ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Die Pflege sei einer der Lebensbereiche, in denen die Menschen am stärksten ausgeliefert seien. „Entsprechend hoch müssen die Standards in der pflegerischen Arbeit sowie die Sensibilität im Umgang mit den Pflegebedürftigen und ihren Gefühlen sein.“

Die Senatorin hatte sich unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus dem Herbsturlaub den Vorfall von Vertretern der Wohn- und Betreuungsaufsicht („Heimaufsicht“) schildern lassen und sie gebeten, die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Arbeit in der Deputation am heutigen Donnerstag (8. November 2012) darzustellen. „Gewalt in der Pflege wird nie vollständig zu verhindern sein“, sagte Anja Stahmann. Menschen in der ambulanten und stationären Pflege arbeiteten teils unter sehr belastenden Bedingungen in einem schwierigen und herausfordernden Beruf. Dabei seien zwischenmenschliche Spannungen – auch im Verhältnis zu den pflegebedürftigen Menschen – eine unvermeidbare Begleiterscheinung. „Worauf es ankommt, ist ein professioneller Umgang mit solchen Konflikten, mit Wut, Aggression und Hilflosigkeit, die auf beiden Seiten auftreten können“, sagte Anja Stahmann weiter. Wichtig sei auch eine Arbeitsatmosphäre, in der es zulässig ist, offen über solche Probleme zu reden und gemeinsam nach Abhilfe zu suchen.

Die Senatorin warnte gleichzeitig davor, diesen Fall zu verallgemeinern: „Wir alle wissen, dass in den Pflegeberufen mit viel Hingabe und großer Aufopferungsbereitschaft gearbeitet wird, die großen Respekt verdient.“ Dabei gingen viele Pflegekräfte weit über das hinaus, was man von ihnen erwarten kann. „Diesen Beschäftigten dürfen wir nun nicht mit allgemeinem Misstrauen begegnen.“

Gleichwohl zeige der Fall, wie wichtig eine „Kultur des Hinschauens“ sei. Angehörigen von Pflegebedürftigen rät die Senatorin, sich bei Zweifeln frühzeitig an die Heimleitung und in einem zweiten Schritt auch an die Heimaufsicht zu wenden. Die Heimaufsicht geht allen Beschwerden unverzüglich nach und drängt auf Abhilfe. Das kann bis hin zur Entlassung einzelner Pflegekräfte führen und nach einer Verurteilung auch zum Entzug der staatlichen Anerkennung. Die Heimaufsicht kann – im Extremfall –auch Einrichtungen schließen. Auf die Existenz der Heimaufsicht nebst Kontaktdaten werde in allen Verträgen der Pflegebedürftigen mit den Trägern ausdrücklich hingewiesen.

Die Senatorin ermunterte Angehörige, die Heimaufsicht früher über einen bestehenden Verdacht zu informieren: „Es müssen nicht erst Beweise vorgelegt werden“, betonte Anja Stahmann, „es genügt, wenn Angehörige ein ungutes Gefühl haben und der Auffassung sind, dass sie in Gesprächen mit der Heimleitung nicht weiterkommen.“ Der Besuch bei der Heimaufsicht sei das gute Recht jedes Angehörigen, niemand müsse deshalb Nachteile für den pflegebedürftigen Menschen im Heim fürchten. Während die Heimaufsicht Betreuungsaufsicht in stationären Pflegeeinrichtungen berät und prüft, sind die Pflegekassen und der Medizinische Dienst der Krankenkassen Ansprechpartner für den Bereich der häuslichen Pflege.

Nach dem neuen Bremischen Wohn- und Betreuungsgesetz müssen Straftaten und andere Vorkommnisse, bei denen Bewohnerinnen und Bewohner zu Schaden kommen, der Heimaufsicht angezeigt werden. Diese hat in vielen Fällen frühzeitiger als sonst von entsprechenden Vorkommnissen erfahren und konnte entsprechend frühzeitiger in die Aufklärung und Beratung eintreten. Der Entwurf für eine neue Heimpersonalverordnung sieht zudem erweiterte Pflichten zur Vorlage eines Führungszeugnisses vor. Es soll künftig von allen Pflegekräften vorgelegt werden. Bislang wird es nur von Leitungskräften verlangt.