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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

„Ein Stück Wiedergutmachung geleistet“

Senat würdigt die Arbeit des Beirats für die vergessenen Opfer des NS-Regimes

29.06.2010

Mit einem Empfang im Bremer Rathaus hat heute (Dienstag, 29. Juni 2010) der Senat der Freien Hansestadt die zwanzigjährige Arbeit des Bremer Beirats für die vergessenen Opfer des NS-Regimes gewürdigt. Staatsrat Dr. Joachim-Schuster: „Es ist Zeit, dem Beirat für seine hervorragende Arbeit zu danken. Er hat in besonderer Weise dazu beigetragen, ein Stück Wiedergutmachung zu leisten und das schwere Schicksal der Betroffenen moralisch anzuerkennen und auch materiell ein wenig zu erleichtern.“ Schuster forderte die Bremerinnen und Bremer auf „gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus zu kämpfen.“

Der Beirat hatte und hat die Aufgabe, den Menschen zu helfen, die in der NS-Diktatur unter anderem wegen ihres Glaubens, ihrer Parteizugehörigkeit, ihrer Homosexualität oder aus anderen Gründen vom NS-Regime verfolgt wurden. Der Beirat beriet in den vergangenen 20 Jahren über 932 Schicksale und entschied über die Zahlung von Hilfen an die Opfer - insgesamt 1.030.000 Euro. An laufenden Leistungen werden zurzeit jährlich noch ca. 80.000 Euro vom Land Bremen an 28 Betroffene gezahlt. Auf dem Senatsempfang sprachen Staatsrat Dr. Joachim Schuster für die Senatorin für Soziales und Helmut Koch für den Beirat der vergessenen Opfer.

Nachfolgend die Rede von Staatsrat Dr. Joachim Schuster:
(Es gilt das gesprochene Wort)

„Im Namen des Bremer Senats – und ganz besonders auch im Namen der leider erkrankten Senatorin Ingelore Rosenkötter – begrüße ich Sie herzlich hier im Rathaus.

Der Grund für diesen Empfang liegt 20 Jahre und wenige Monate zurück:
Es war im Jahr 1989, als sich hier in Bremen ein Gremium für die vergessenen Opfer des NS-Regimes gebildet hat.

Dieser Beirat hatte und hat die Aufgabe, den Frauen und Männern zu helfen, die in der Zeit der NS–Diktatur unter anderem wegen ihres Glaubens, wegen ihrer Parteizugehörigkeit, wegen ihrer Homosexualität oder aus anderen Gründen vom NS-System brutal verfolgt wurden.

Im Jahr 1989 war die Antragsfrist für Anträge und Hilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz bereits abgelaufen - Hilfen waren auf dieser Grundlage also nicht mehr möglich. Aber auch für die Opfer, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz deswegen keine Hilfe für erlittene körperliche oder seelische Schäden erhalten konnten, weil sie nicht in den Schutzbereich des Gesetzes fielen, musste aus humanitären Gründen ein Weg gesucht und gefunden werden, um die nötige Wiedergutmachung zu leisten.

Wir sprechen hier von den „vergessenen Opfern“ des Nazi-Regimes. Wir sprechen von den Menschen, die auch im Nachkriegsdeutschland Angst haben mussten. Wer von den Nazis wegen seiner Homosexualität verfolgt wurde, der musste auch nach 1949 leiden – der berüchtigte § 175 galt weiter. Es war damit unmöglich, einen Antrag auf Entschädigung zustellen - man hätte seine sexuelle Identität damit sofort preisgegeben, sich den Behörden verraten, wäre erneut zum Opfer geworden.
Beispielhaft sind hier auch die große Gruppe der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie die Gruppe der Roma und Sinti zu nennen, die schreckliches Leid erfahren haben.

Für diese Menschen hat der Bremer Senat nach langen parlamentarischen Debatten in der Bremischen Bürgerschaft - die vorliegende Dokumentation vermittelt einen ausführlichen Eindruck über die Diskussionen – einen Weg zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung eröffnet.

Nachdem eine grundsätzliche Einigung über die Hilfeleistung unter den Parteien der Bremischen Bürgerschaft erzielt worden war, drohte eine weitere langwierige Diskussion über die Rechtsform des Gremiums. Die Frage war: Stiftung oder Verein?

Der Senat hatte daraufhin kurzerhand die Vergabe der von der Bürgerschaft beschlossenen Haushaltsmittel einem Beirat übertragen. Rückblickend lässt sich heute sagen: diese Entscheidung war mehr als richtig! Der Beirat hat sich in den vergangenen 20 Jahren mit dem Schicksal vieler Betroffener beschäftigt. Er hat nie aufgehört, das Verständnis in der Gesellschaft für das schlimme Schicksal der Verfolgten zu wecken und wach zu halten.

In den Sitzungen wurde jeder einzelne Antrag durchgesprochen, beraten und über Art und Höhe einer Hilfe abgestimmt. Es wurden einmalige Hilfen und laufende Hilfen bewilligt. Das Arbeitsressort bzw. das Landesamt für Wiedergutmachung hat die Beschlüsse umgesetzt und die Zahlung der festgesetzten Entschädigungen ausgeführt.

Insgesamt fanden in den 20 Jahren 73 Sitzungen statt, in denen insgesamt über 932 Schicksale beraten und über die Zahlung von Hilfen entschieden wurde.
Über den gesamten Zeitraum beliefen sich die einmaligen Zahlungen auf insgesamt ca. 1.030.000 Euro. An laufenden Leistungen werden zurzeit jährlich noch ca. 80.000 Euro vom Land Bremen an 28 Betroffene gezahlt. Nach den nun vergangenen 20-Jahren ist ein Ende dieses bemerkenswerten Kapitels bremischer Verantwortung für die vergessenen NS-Opfer in absehbare Nähe gerückt. Um auch für spätere Generationen die Erinnerung wach zu halten, wurde die Ihnen jetzt vorliegende Dokumentation erstellt. Autor ist Herr Jakob Lohße. Er hat in sorgfältiger Kleinarbeit die Entschädigungsakten ausgewertet. In der Dokumentation wird noch einmal nachvollzogen, welche politischen und finanziellen Probleme gelöst, welche parlamentarischen Hürden genommen werden mussten, um dieser Opfergruppe eine Entschädigung zukommen zu lassen. Die Dokumentation zeigt nicht nur die politischen Hürden bis zur Aufnahme der Arbeit des Beirats auf, sondern widmet sich auch repräsentativen Einzelschicksalen, mit denen sich der Beirat zu befassen hatte.

Da für die Zukunft kaum noch Anträge von NS-Opfern zu erwarten sind, stellt sich über kurz oder lang die Frage, ob die Arbeit des Beirates künftig in die Hände der Verwaltung gelegt werden kann. Das Landesamt für Wiedergutmachung hat in all den vergangenen Jahren die Arbeit und die Maßstäbe des Beirates miterlebt. Es wäre daher durchaus in der Lage, in Sinne des Beirates dessen Aufgaben zu übernehmen und abzuschließen.

Es ist Zeit, dem Beirat für seine hervorragende Arbeit zu danken.
Er hat in besonderer Weise dazu beigetragen, ein Stück Wiedergutmachung zu leisten und das schwere Schicksal der Betroffenen moralisch anzuerkennen und auch materiell ein wenig zu erleichtern.

Ich wünsche mir, und dazu wird die vorliegende Dokumentation sicher ihren Beitrag leisten, dass die Schrecken des Krieges in Erinnerung bleiben und das Schicksal der Menschen eine ständige Mahnung sind, es nie wieder so weit kommen zu lassen.
Wir alle müssen gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus kämpfen. Herzlichen Dank.“