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Der Senator für Inneres und Sport

Verfassungsschutzbericht: Landesamt verstärkt Öffnung nach außen

Zahl der Rechtsextremisten rückläufig, der Linksextremisten konstant

18.06.2010

Der Senator für Inneres und Sport, Ulrich Mäurer, hat heute gemeinsam mit dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Hans-Joachim von Wachter, den Verfassungsschutzbericht 2009 vorgestellt. Mäurer wies darauf hin, dass in dem Bericht erstmals das Thema Prävention auftaucht und zwar als eigenes Kapitel („Information und Prävention“). Darin werden der vom Landesamt für Verfassungsschutz geführte Dialog mit den muslimischen Verbänden und die Öffentlichkeitsarbeit im Phänomenbereich Rechtsextremismus dargestellt. „Die Öffnung nach außen ist Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses des Landesamtes, das im Jahr 2009 und im laufenden Jahr bereits umgesetzt wurde“, erläuterte der Senator. „Damit will das LfV eine sachliche Basis für die öffentliche Diskussion um die Maßnahmen zur Abwehr der Ziele extremistischer Gruppierungen schaffen“, so Mäurer. Dies zeige sich auch in der differenzierenden Darstellungsweise des vorliegenden Jahresberichts. So wird beispielsweise mit einer graphischen Darstellung verdeutlicht, dass die terroristische Gefahr nicht von „den Muslimen“ ausgeht, sondern von einer kleinen Gruppe gewaltbereiter extremistischer Islamisten.

Aus dem Verfassungsschutzbericht:

Islamistischer Extremismus
Die Ankündigung von Terroranschlägen in Deutschland und die Bedrohung deutscher Einrichtungen und Personen auch im Ausland durch verschiedene internationale terroristische Gruppierungen („al-Qaida“, „Islamische Jihad Union“, „Islamische Bewegung Usbekistan“ u.a.) im Rahmen einer Propagandaoffensive begründete während des gesamtes Jahres 2009 eine abstrakt hohe Gefährdungslage. Zwar gab es keine konkreten Hinweise auf zu erwartende Anschläge in Bremen, gleichwohl war eine besondere Aufmerksamkeit der bremischen Verfassungsschützer und der Polizei bei Großveranstaltungen wie dem Evangelischen Kirchentag, der Osterwiese und dem Freimarkt gefordert.

Ein Schwerpunkt der Tätigkeit des LfV im vergangenen Jahr war die Beobachtung einer kleinen, aber sehr aktiven jihadistischen islamistischen Szene in Bremen. Diese Szene unterscheidet sich ganz deutlich durch ihre radikalen und gewaltbejahenden Ansichten von den anderen islamistisch-extremistischen Organisationen. Zu ihr gehören der „Kultur & Familien Verein e.V.“ in Gröpelingen und das „Islamische Kulturzentrum Bremen e.V.“ (IKZ) in Walle.
Der „Kultur & Familien Verein e.V.“ in Gröpelingen ist eine Moschee, in der eine jihadistisch-salafistische Ideologie verbreitet wird. Es gibt Bezüge ins terroristische Umfeld (GIMF, das Medienorgan von „al-Qaida“). Es wurde und wird ein internationales islamistisches Netzwerk aufgebaut und unterhalten, in dem der „Kultur und Familienverein“ hier in Bremen eine zentrale Rolle spielt. Unter anderem wurden bei der polizeilichen Razzia am 4. Juli 2009 im „Kultur und Familienverein“ diverse europäische und internationale Anhänger der Szene festgestellt.
Das IKZ hat im Jahr 2009 seine Kooperation mit prominenten salafistischen Predigern aus Braunschweig (Muhammed CIFTCI), Köln (Pierre VOGEL) und Leipzig (Hassan DABBAGH) ausgeweitet. Die Besucherzahlen zu den Freitagsgebeten des IKZ haben sich im Jahr 2009 auf ca. 250 bis 350 Personen (in 2008: 200 bis 250 Personen) gesteigert. Außerdem bemüht sich das IKZ derzeit um die Gründung eines muslimischen Kindergartens, in dem die Kinder nach einer äußerst engen Auslegung der islamischen Glaubenslehre erzogen und von als verwerflich angesehenen „westlichen Werten“ ferngehalten werden sollen.

Rechtsextremismus
Die rechtsextremistischen Parteien haben 2009 weitere Mitglieder verloren, und zwar sowohl im Bund als auch in Bremen. Während die Mitgliederzahl der NPD innerhalb eines Jahres in Bremen auf 50 Personen leicht zurückging, befindet sich die DVU mit nunmehr ca. 70 Mitgliedern in Bremen seit mehreren Jahren im freien Fall. Dies entspricht auch dem Bundestrend. Auch das miserable Ergebnis von NPD und DVU bei der Bundestagswahl zeigt den desolaten Zustand der Parteien, gerade in Bremen. Die aktuelle Diskussion über einen wie auch immer gearteten Zusammenschluss beider Parteien ist daher ein Zeichen der Schwäche. Insbesondere in Bremen sind die Verbindungen beider Parteien schon aufgrund bestehender Doppelmitgliedschaften eng. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass zur Bürgerschaftswahl 2011 beide Parteien einer Konkurrenz-Kandidatur ausweichen und das Kandidieren mit einer gemeinsamen Liste anstreben.
Von überregionaler Bedeutung ist die rechtsextremistische Musikszene Bremens. Mit der neuen Band „Strafmass“ sind hier nunmehr vier rechtsextremistische Skinhead-Bands aktiv. Allein 2009 haben drei dieser Bands jeweils eine neue CD veröffentlicht, auch haben die Bands Konzerte in ganz Deutschland und dem Ausland gegeben. Im April 2010 hat nach Jahren erstmals auch wieder ein Konzert im Land Bremen (konkret: in Bremerhaven) stattgefunden. Solche Konzerte üben eine nicht zu unterschätzende Anziehungskraft auf Jugendliche aus, tragen erheblich zum Zusammenhalt von Neonazi- und Skinhead-Szene bei und stärken durch das verdeckte Veranstalten des Konzertes das Gemeinschaftsgefühl der Beteiligten.

Linksextremismus
Die Zahl linksextremistischer Gewalttaten hat 2009 bundesweit um mehr als 50 Prozent zugenommen und ist auf 1.096 Taten gestiegen. Sie ist damit sogar größer als die Zahl entsprechender rechtsextremistischer Gewalttaten, die leicht abgenommen hat (891 Taten). In Bremen ist dieser Anstieg allerdings nicht festzustellen. Zwar ist die Zahl von sieben im Vorjahr auf 12 im Jahr 2009 gestiegen, jedoch liegt sie damit auf dem Niveau des Jahres 2007 (zum Vergleich: sechs rechtsextremistische Gewaltdelikte in Bremen 2009).
Erstmals gab es 2009 auch in Bremen das Phänomen mutmaßlich linksextremistischer Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge, das vor allem in Hamburg und Berlin eine große Bedeutung hat und bei dem dort schon hunderte Fahrzeuge zerstört wurden. In Bremen kam es 2009 zu vier derartigen Brandanschlägen, bei denen u.a. jeweils ein Fahrzeug der Bundeswehr, vom Senator für Inneres und Sport sowie vom Postdienstleister DHL betroffen war. Bekennerschreiben hierzu existieren nicht. Dies entspricht dem „Vorbild“ dieser Taten in Berlin und Hamburg, bei denen in den wenigsten Fällen eine Tatbekennung erfolgt.
Bei einem Brandanschlag in der Nacht zum 1. Mai 2010 auf Polizeifahrzeuge beim Polizeirevier Schwachhausen wurden zwei Fahrzeuge zerstört. Für eine linksextremistische Tat spricht hier nicht nur das Datum der Tat, sondern mit dem Polizeirevier Schwachhausen auch das Angriffsziel, das bereits im Zusammenhang mit der Innenministerkonferenz 2009 zum Ziel eines Farbanschlags wurde.
Durch die Brandanschläge ist zwar eine neue Qualität von linksextremistischen Taten hinzugekommen, insgesamt sind die Brandanschläge auf Fahrzeuge jedoch nicht mit den Serien in Hamburg oder Berlin vergleichbar. Auch kam es in Bremen bisher nicht zu größeren gewalttätigen Ausschreitungen bei Demonstrationen.
Die linksautonome Szene in Bremen ist in den letzten Jahren nicht gewachsen, sondern mit bis zu 200 Personen in der Größe weitgehend konstant geblieben. Im Bundesgebiet ist sie hingegen in den letzten Jahren leicht, aber stetig auf nunmehr ca. 6.100 Personen gewach-sen.

Ausländerextremismus
Im Phänomenbereich Ausländerextremismus war wie im Vorjahr die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) sowie deren Nachfolgeorganisationen („Kongra Gel“) bzw. nachgeordneten Vereine (in Bremen „Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans“, BIRATI e.V.) Beobachtungsschwerpunkt des LfV.
Das Zusammenwirken der PKK-Spitze im Nordirak mit der örtlichen Bremer PKK-Basis zeigte sich ganz deutlich in der Rekrutierung von zwei Frauen für eine Kadertätigkeit in Europa bzw. eine Guerillatätigkeit in den kurdischen Siedlungsgebieten. Die beiden Frauen aus Bremen und Oldenburg, zum damaligen Zeitpunkt 18 und 19 Jahre alt, wurden von professionellen Werbern mit Unterstützung von Bremer Aktivisten angeworben. Nach einer mehrmonatigen Ausbildung in Europa kehrten sie nach massiver Intervention der Eltern nach Bremen und Oldenburg zurück.
Aufgefallen waren die beiden jungen Kurdinnen im Dezember 2008, als sie durch einen gemeinschaftlich verübten Brandanschlag auf einen türkischen Call-Shop in der Bremer Neustadt ihre Sympathie für die PKK deutlich machten.

Politisch motivierte Kriminalität
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