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Der Senator für Inneres und Sport

Senator Mäurer stellt Verfassungsschutzbericht 2008 vor

19.06.2009

Der Senator für Inneres und Sport, Ulrich Mäurer, hat heute (19.6.0209) gemeinsam mit dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Joachim von Wachter, den Verfassungsschutzbericht 2008 vorgestellt. Senator Mäurer wies darauf hin, dass der vorliegende Jahresbericht die Arbeit eines Amtes dokumentiert, das im vergangenen Jahr organisatorisch und personell neu aufgestellt wurde. Durch eine flache Hierarchie und eine schlankere Führung wurde die Verantwortung der Führungskräfte sowie der Mitarbeiter gestärkt. Die Neuorganisation hat zu einer effektiveren Aufgabenerledigung geführt Zugleich wurden die operativen Fähigkeiten des Amtes gestärkt. „Der Umstrukturierungsprozess ist sehr erfolgreich verlaufen und hat zu einer deutlich verbesserten Arbeit des Amtes geführt“, erklärte Mäurer.


Zu den Aufgaben des Landesamtes gehört auch die regelmäßige Information der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen im Lande. Dazu dient insbesondere der Jahresbericht des Amtes. „Mit dem Jahresbericht 2008 hat das Landesamt seine Berichtspflicht in eindrucksvoller Weise erfüllt“, sagte Senator Mäurer. Der Bericht unterscheidet sich von seinen Vorgängern nicht nur durch seine äußerliche Darstellungsform, die übersichtlicher gestaltet und klarer strukturiert ist. Er ist auch inhaltlich neu konzipiert und bietet ausführliche Informationen und Hintergründe zu einzelnen verfassungsfeindlichen Organisationen und Gruppierungen. Dabei setzt er Schwerpunkte und ordnet die Informationen über einzelne Organisationen auch in überregionale Zusammenhänge ein.


So bietet der Bericht eine ausführliche Darstellung zum islamistischen Extremismus und Terrorismus. Nachdem im Januar dieses Jahres im Internet ein Video aufgetaucht ist, in dem explizit Drohungen auch gegen Bremen formuliert wurden, ist das Interesse für Hintergründe dieser Bedrohung gestiegen. Zwar gehen die Sicherheitsbehörden derzeit nicht von einer konkreten Gefahr für Bremen aus, gleichwohl nehmen sie die Internet-Warnungen sehr ernst. Denn, wie der Jahresbericht zeigt, gibt es auch in Bremen eine radikalislamistische Szene, die es zu beobachten gilt.
Der Bericht aber macht durch seine differenzierte Darstellung auch deutlich, dass es sehr unterschiedliche Gruppierungen gibt und nicht von allen, die als islamistisch einzustufen sind, konkrete Anschlagsgefahren ausgehen.


Ein weiterer Schwerpunkt sind die Darstellungen zum Rechtsextremismus. In Bremen ist eine Szene zu beobachten, die zahlenmäßig zwar nicht sehr bedeutsam ist, die aber sehr viel aktiver und dabei gewaltsamer als in den vergangenen Jahren in Erscheinung tritt und die in ihren Organisations- und Erscheinungsformen einen deutlichen Wandel vollzieht. Zwar hat in der Statistik die Zahl der rechtsextremistischen Gewaltdelikte gegenüber dem Vorjahr abgenommen. Doch beispielsweise die Anschläge auf die Jugendbildungsstätte „Lidice Haus“ im Februar 2008 wie auch das verstärkte Auftreten von Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit zeugen von einer aktiven gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene in Bremen. Neben den Parteien wie NPD und DVU entwickelt sich zunehmend ein rechtsextremes Potential in kleineren Gruppierungen wie den „Autonomen Nationalisten“, die auch ihr äußeres Erscheinungsbild verändert haben. Da auch die Mitgliederwerbung aktiver und aggressiver geworden ist, gilt es, die Aufklärungsarbeit über die Gefahren des Rechtsextremismus und seine menschenverachtende Ideologie, die eindeutig verfassungswidrig ist, zu intensivieren. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes können dabei hilfreich sein.


Die in der Bremischen Bürgerschaft vertretene Partei „Die Linke“ wird seit dem vergangenen Jahr nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachten und taucht deshalb in diesem Bericht auch nicht mehr auf. Das Amt verfolgt jedoch weiterhin die Entwicklung im Bereich des Linksextremismus, dabei steht insbesondere die so genannte autonome Szene nach wie vor im Blickfeld des Verfassungsschutzes. Obwohl diese politisch relativ unbedeutend ist, macht sie jedoch zumindest in Teilen durch ihre Gewaltbereitschaft auf sich aufmerksam.



Ausgewählte Informationen zum Verfassungsschutzbericht 2008:


Islamistischer Terrorismus und Extremismus
Die Bedrohung der Inneren Sicherheit in Deutschland durch islamistischen Terrorismus ist aktuell: Seit Januar 2009 wurden 13 Drohvideos mit Deutschlandbezug ins Internet eingestellt; die Drohungen sind den Terrororganisationen „Al-Qaida“, „Islamische Bewegung Usbekistan“ und „Islamische Jihad Union“ zuzurechnen. Als Begründung der Bedrohung wird von diesen Organisationen der militärische Einsatz der Bundeswehr in Afghanisatan angegeben.
Im Januar 2009 tauchte ein Drohvideo in deutscher Sprache auf, in dem auch Bremen als Anschlagsziel genannt ist. Dieses mit einfachen Mitteln hergestellte Video ist jedoch nicht einer der bekannten Terrororganisationen zuzurechnen


Das weltweite Terrornetzwerk „Al-Qaida“ hat nur mit wenigen Anschlägen noch direkt zu tun, stattdessen bildete sich eine Vielzahl kleiner, lokaler und von “Al-Qaida“ unabhängig operierender Terrorzellen heraus, die aber in ihrem Sinne agieren und ihre Ideologie verinnerlicht haben; Bin Ladin gilt als Vorbild und Symbolfigur . Darunter fällt auch das neuere Phänomen des „home-grown“-Terrorismus ; so sind zwei der „Sauerland-Attentäter“ Deutsche, die zum Islam konvertierten.


Ziel des Islamismus ist die Errichtung einer islamischen Ordnung, maßgeblich gestützt auf die Scharia (Rechtsordnung aus dem Koran); diese verstößt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Das islamistisches Personenpotenzial ist bundesweit leicht gestiegen 34.720 Personen (2007: 33.170); 2008 zählten in Bremen 1.300 Personen dazu. Zu den Beobachtungsschwerpunkten in Bremen 2008 gehören:


  • „Islamisches Kulturzentrum Bremen e.V.“ (IKZ) (bis 2003 „Islamisches Kulturzentrum Abu Bakr Moschee e.V.“), in dem bis zu 250 Besucher des Freitagsgebets gezählt werden, im Vergleich zu 2007 ist Zahl leicht gestiegen. Der Großteil stammt aus arabischen und nordafrikanischen Ländern. Die Ideologie des IKZ ist islamistisch, salafistisch (strikte Befolgung der Scharia), militant (mit allen Mitteln wird für die Errichtung einer weltweiten islamischen Gesellschaft gekämpft) und aggressiv (anders denkende Muslime werden zu Ungläubigen erklärt, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und dürfen in letzter Konsequenz getötet werden).
  • „Kultur & Familien Verein e.V.“ im November 2007 gegründet (8 Mitglieder, Besucher). Der Verein ist gleichzeitig Moschee (mit separatem Frauenbereich = Zeichen der Strenggläubigkeit), die Vereinsmitglieder stehen der Ideologie „Takfir wal-Hijra“ (TwH) nahe, die wie die Ideologie der „Al-Qaida“ den bewaffneten Jihad befürwortet. Im Mai 2008 verweigerte die Meldebehörde Bremen einem Gründungsmitglied die Ausstellung eines Reisepasses und verbot ihm die Ausreise aus Deutschland, da der Polizei Hinweise vorlagen, dass sich die Person in ein Trainingslager der Al-Qaida begeben wollte. Im November 2008 geriet der „Kultur & Familien Verein e.V.“ im Rahmen eines von der Bundesstaatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahren gegen die „Globale Islamische Medienfront“ (GIMF) in den Fokus der Sicherheitsbehörden. GIMF ist ein internationales Internetnetzwerk, das „Al-Qaida“-Ideologie mittels Audio- und Videobotschaften verbreitet . Zwei Vereinsmitglieder werden beschuldigt, für Inhalte der Seiten der GIMF verantwortlich zu sein, ausländische terroristische Vereinigungen unterstützt und für diese Mitglieder geworben zu haben.
  • Weiteres Beobachtungsobjekt des islamistischen Extremismus ist die „Islamische Gemeinschaft Mili Görüs e.V.“ (IGMG) in Bremen. Sie ist die in Bremen größte nicht gewaltorientierte extremistische Organisation (2008: 1.200 Mitglieder in Bremen; 27.500 Mitglieder bundesweit). Seit längerem ist eine Distanzierung von islamistischen Inhalten zu beobachten, allerdings dient die IGMG nach wie vor als Plattform für die Verbreitung islamistischer Ideologie.


Ausländerextremismus
In Deutschland und damit auch in Bremen agierende extremistische Ausländerorganisationen sind stark von Entwicklungen in den Herkunftsländern abhängig. Im Gegensatz zu den islamistischen Organisationen orientieren sie sich nicht an einer religiösen, sondern an weltlichen Ideologien oder Anschauungen. Die Zielrichtung von extremistischer Ausländerorganisationen können linksextremistisch, nationalistisch oder ethnisch motivierte Unabhängigkeitsbestrebungen sein. Sie handeln selten autark, sondern als Teil einer Mutterorganisation.
Potenzial 2008: 584 Personen in Bremen; bundesweit ca. 24.750 Personen.
Kurdische Extremisten stellen die größte Gruppe unter ausländischen Extremisten in Bremen dar. Sie treffen sich meistens im „Birati e.V. (Verein zur Förderung demokratischer Gesellschaft Kurdistans). Größte Organisation ist der Volkskongress Kurdistans“ (Kongra Gel); bis 2003 „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) (2008 ca. 300 Mitglieder in Bremen; ca. 11.500 Mitglieder bundesweit).


Rechtsextremismus
In Bremen ist die rechtsextremistische Szene kleiner als andernorts, dennoch finden sich sämtliche Ausprägungen des Rechtsextremismus wieder: von Parteien über Neonazis bis hin zu rechtsextremistischen Skinheads und rechtsextremistischen Hooligans.
In letzter Zeit ist ein Wandel im Rechtsextremismus zu beobachten, der sich auf die Organisationsform, das Auftreten und das Erscheinungsbild bezieht:

  • Organisationsform: In Bremen existieren enge Verflechtungen zwischen der NPD und der Neonazi-, Skinhead- und Hooligan-Szene; bundesweit entstehen neue Gruppierungen der „Autonomen Nationalisten“ (spezielle Ausprägung der Neonazi-Szene, die in Bremen bislang keine festen Strukturen hat);
  • Auftreten: höhere Gewaltbereitschaft als noch vor einigen Jahren (maßgeblich dafür verantwortlich sind „Autonome Nationalisten“);
  • Erscheinungsbild: typisches Skinhead-Outfit (Glatze, Bomberjacke, Springerstiefel) wird durch modischen Kleidungsstil ersetzt; das erschwert die Erkennbarkeit.


Parteien: Die DVU ist nach wie vor die mitgliederstärkste Partei in Bremen mit ca. 85 Mitgliedern (2007: 120), die NPD verfügt über ca. 60 Mitglieder (2007: 60). Die NPD ist aktivere Partei von beiden, allerdings organisierte sie in Bremen im Jahr 2008 lediglich Informationsstände und ihre Mitglieder nahmen an überregionalen Veranstaltungen teil, z.B. 1. Mai-Demonstration in Hamburg. Die DVU in Bremen ist seit Tittmanns Parteiaustritt 2007 nahezu inaktiv.


Neonazis (2008 ca. 25 Personen in Bremen; 4.800 Personen bundesweit)
Im Juli 2008 gründete sich die neonazistischen Kameradschaft „Freie Nationalisten Bremen“, der zurzeit etwa 10 Personen angehören; Vorgänger war die „Kameradschaft Bremen“.
Auf ihr Konto gehen insbesondere Aktionen gegen den politischen Gegner, wie die Anschläge auf das „Lidice-Haus“ im Februar 2008. Weitere Sachbeschädigungen und Farbschmierereien mit dem Schriftzug „C18“ z.B. waren am Technologiezentrum in Bremen-Nord zu verzeichnen und am „Info-Laden“ im Viertel im Februar 2008 („C18“ steht für die militante britische Nazigruppe „Combat 18“).


Rechtsextremistische Skinheads (2008 ca. 35 Personen in Bremen; 9.500 Personen bundesweit). Bremen ist in rechtsextremistischen Kreisen vor allem durch seine überregional aktiven Skinhead-Bands bekannt; in Bremen selbst fanden in 2008 ebenso wie im Vorjahr keine Skinhead-Konzerte statt.


Rechtsextremistische Hooligans stehen in enger Verbindung zur Bremer Neonazi-Szene. Zwar werden die Hooligan-Gruppierungen nicht als rechtsextremistisch eingeschätzt. Gleichwohl sind einzelne Mitglieder als Rechtsextremisten einzustufen, die auch gezielt Hooligans zu gewinnen versuchen.


Linksextremismus
Der Linksextremismus hat verschiedene Gesichter. Linksextremisten agieren mit unterschiedlichen Methoden und nutzen verschiedene Organisationsformen. Auch wenn Themenfelder und Aktionsmuster innerhalb des linksextremistischen Spektrums unterschiedlich sein können, gibt es verbindende Elemente: Der Kampf „gegen den Faschismus“, gegen die „kapitalistische Globalisierung“ und gegen den „Abbau“ von sozialen Leistungen und Rechten. Einig sind sich Linksextremisten aller Schattierungen in der Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung und ihrer Institutionen.


Charakteristika der linksextremistischen autonomen Szene: sozio-strukturelle Inhomogenität, starke Fragmentierung, anarchistische und kommunistische Theoriefragmente sowie Gewaltbereitschaft. Potenzial 2008: ca. 200 Personen in Bremen; ca. 5.800 Personen bundesweit
Nicht alle Aktivitäten sind Ausdruck eines langfristig angelegten und auf Systemüberwindung ausgerichteten Protests, sondern Vermischung der autonomen Szene mit ideologisch ungefestigten Jugendlichen, die vorhandenes Aggressionspotenzial ausleben; z.B. „Reclaim the streets“-Kampagne, „Fußballspielen auf der Sielwallkreuzung“.
Hauptthemen der autonomen Szene 2008 (Gruppen wie Bremer „Antifa“, „Avanti-Projekt undogmatische Linke“) war die „Antifaschismusarbeit“, darüber hinaus „Antirepressionsarbeit“, „Antimilitarismus“, „Antirassismus“, „Antiatom“.