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Sonstige

„Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat“

15.06.2009

Als Widerständige zu Kriegsverrätern erklärt wurden: Militärhistoriker Wolfram Wette spricht über Opfer der NS-Zeit, die der Bundestag bis heute nicht rehabilitiert hat

„Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat“ ist der Titel eines Vortrags, den Prof. Dr. Wolfram Wette von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg am Montag, 22. Juni, ab 19.30 Uhr im Domkapitelsaal, Domsheide 8, hält. Auf Einladung der Bremer Stiftung die schwelle – Beiträge zur Friedensarbeit spricht er über Männer, die zwischen die Mühlen der NS-Justiz gerieten. Als „Kriegsverräter“ gebrandmarkt wurden sie zum Tode verurteilt. Wer entkam, wurde von einstigen Kriegskameraden mitunter noch Jahrzehnte später als Verräter, Feigling oder Drückeberger beschimpft.


Der Deutsche Bundestag hat die verurteilten Soldaten bis heute nicht in seine Rehabilitierungspolitik einbezogen. Selbst 2002 noch, als die Deserteure des Zweiten Weltkriegs endlich pauschal rehabilitiert wurden, klammerte das Parlament die sogenannten Kriegsverräter aus – und das obwohl die wegen Landesverrats und Spionage ergangenen Urteile längst aufgehoben sind.


Gemeinsam mit weiteren Militärhistorikern hat Wette Urteile wegen Kriegsverrats zusammen getragen und in dem Buch „Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat“ publiziert (erschienen im Aufbau-Verlag Berlin 2007 und bei der Bundeszentrale für politische Bildung). In seinem Vortrag zeigt Wette auf, dass die meisten Urteile nicht einmal unter der damals geltenden Militärgesetzgebung rechtmäßig waren. Denn die meisten Verurteilten hatten keineswegs landesverräterische Kontakte zu Feindmächten. Vielmehr handelte es sich um unbotmäßige oder widerständige Männer mit moralischen oder politischen Motiven.


Im Deutschen Bundestag wird in diesen Monaten über einen Gesetzentwurf beraten, der das Ziel verfolgt, auch die wegen Kriegsverrats Verurteilten endlich pauschal zu rehabilitieren.


Der Vortrag ist Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung „Was damals Recht war... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“, die noch bis zum 28. Juni in der Unteren Rathaushalle gezeigt wird.


Zur Person:
Dr. phil. Wolfram Wette, Jahrgang 1940, ist Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Freiburg im Breisgau. Zuvor war er von 1971 bis 1995 als Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Freiburg tätig. Er vertritt eine kritische Sicht auf die Militärgeschichte und ist einer der Mitbegründer der Historischen Friedensforschung. Wette lehrte auch an den Universitäten Basel, Bern und Luzern. Er ist Ehrenprofessor der russischen Universität Lipezk, Autor der Wochenzeitung DIE ZEIT und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“.


Zur Stiftung die schwelle:
Die Stiftung die schwelle unterstützt Friedensprojekte in Südosteuropa, West- und Zentralafrika, in Israel und Palästina sowie in Bremen. Gegründet wurde sie 1979 von Ruth-Christa und Dr. Dirk Heinrichs, der damals ein erfolgreicher Stauereiunternehmer in Bremen war. Internet: www.dieschwelle.deExternes Angebot