Sie sind hier:

Der Senator für Inneres und Sport

Mäurer: Gefahren durch Rechtsextremismus nicht unterschätzen

04.05.2009

SPD-Innenminister legen Dokumentation zur Verfassungsfeindlichkeit der NPD vor

Die Innenressorts der Länder Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben heute in der sachsen-anhaltischen Landesvertretung in Berlin eine gemeinsame Dokumentation zur Verfassungsfeindlichkeit der NPD vorgestellt. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann präsentierte gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, dem Bremer Senator Ulrich Mäurer, und seinem Berliner Kollegen Ehrhart Körting (alle SPD) umfangreiches Material, das ausschließlich aus öffentlich zugänglichen Quellen stammt.
Nach Ansicht der Politiker belegt die Zusammenfassung deutlich die verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD, ihre ideologische Kontinuität zum Nationalsozialismus und ihre aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber dem demokratischen Staat.
Innensenator Mäurer sagte, gerade in Krisenzeiten sei es notwendig, wachsam gegenüber den Gefahren zu sein, die von der NPD ausgingen. Die rechtsextremistische Partei dürfe auch angesichts interner Auseinandersetzungen und Finanzprobleme nicht unterschätzt werden.


Kernaussagen aus der Dokumentation zur NPD:

  • Ideologisch-programmatische Grundlage der NPD ist ein spezifisches Menschenbild, aus dem die Ablehnung des zivilisatorischen Grundrechtekanons von individueller Freiheit und Gleichheit folgt und – darauf basierend – die Ablehnung des Systems der repräsentativen Demokratie, seiner Institutionen und Akteure.
  • Die Grundlage von Ideologie und Programmatik der NPD liegt in einem biologistischen und kollektivistischen Menschenbild. Biologistisch ist es, weil es Identität und Status von Menschen aus vermeintlich natürlichen Unterschieden ableitet, kollektivistisch, weil der Mensch als Gemeinschaftswesen definiert wird, das in der mit dem Volk identischen Nation seinen höchsten ethischen Wert findet. Der Mensch existiert demnach nicht als Individuum, sondern nur als Teil eines Volksstammes.
  • Die Übergänge zwischen der ethnischen Definition des „Deutschen“, der Forderung nach einer „Rückführung“ von Ausländern und offenem Rassismus sind fließend. Unverhohlen wird gegen das Grundgesetz polemisiert, dessen Grundrechtsbestimmungen vor „Menschenrechtstümelei“ triefen und Deutsche im eigenen Land de facto mit Ausländern gleichstellen würden. Unter „Ausländer“ werden vor dem Hintergrund des evolutionsbiologischen Volks- und Nationenbegriffs auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund gefasst, denen dementsprechend nicht gleiche Rechte zugestanden werden. Deutscher sei man durch Abstammung, könne es aber nicht durch einen Pass werden.
  • Die phänotypische Erscheinung eines Menschen ist nach Ansicht der NPD-Ideologen untrennbar mit genetischen Dispositionen bzw. unveränderlichen charakterlichen Merkmalen verbunden, aufgrund derer sich eine hierarchische Ordnung, funktionale Differenzierung und rassische Trennung begründen lasse. Für den Fall der Nichtbeachtung dieser angeblich natürlichen Unterschiede wird das Untergangsszenario einer an die Rasse gebundenen deutschen bzw. europäischen Kultur beschworen.
  • Der politische Antisemitismus der NPD weist Parallelen zu den schon im historischen Nationalsozialismus verfolgten Konzept des „integrierten Feindbilds“ auf. Die Feindbildkonstruktion ist verschwörungstheoretisch angelegt, d. h. es wird ein konspiratives Wirken ungenau definierter „fremder Mächte“ gegen das eigene Volk postuliert. Das antisemitische Element besteht in diesem Zusammenhang darin, die vordergründig gegen die USA gerichtete Feindbildkonstruktion und die antikapitalistische Ausrichtung der NPD bewusst mit judenfeindlichen Zwischentönen zu unterlegen.
  • Ihre ablehnende Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dokumentiert die NPD, indem sie die Bundesrepublik Deutschland als rechtsnachfolgende Gebietskörperschaft und ihre Verfassung in Frage stellt. So behauptet die NPD den völkerrechtlichen Fortbestand des Deutschen Reiches und spricht dem Grundgesetz als „Diktat der Siegermächte“ seine Legitimation ab. Grundlegend ist in diesem Zusammenhang die immer wiederkehrende Unterstellung einer anhaltenden Fremdherrschaft auf deutschem Boden. Danach sei der 8. Mai 1945 kein Tag der Befreiung gewesen, sondern des Verlustes deutscher Souveränität.
  • Die NPD empfiehlt ihren Parteimitgliedern, eine konkrete Auseinandersetzung mit den Themen Holocaust und Kriegsschuldfrage bewusst zu meiden. Allerdings hat gerade der Massenmord an den europäischen Juden im Rahmen der Geschichtsklitterung seitens der NPD eine so zentrale Bedeutung, dass vor allem führende Parteimitglieder sich dennoch immer wieder dazu äußern. Zum einen wird Kritik daran geübt, dass dieses Thema überhaupt noch auf der politischen Agenda steht und dass Strafverfolgung dafür droht, wenn von der etablierten Geschichtsschreibung abweichende Sichtweisen geäußert werden. Zum anderen wird das historische Stattfinden des Holocaust – zumindest in seinem überlieferten Umfang – in Zweifel gezogen.
  • Die Kritik an der Thematisierung des Holocaust macht sich exemplarisch an der Haltung der NPD zur Existenz von Mahnmalen fest. Die NPD bezeichnet das Holocaustdenkmal am Brandenburger Tor in Berlin in verschiedenen Zusammenhängen als „Bundesschamanlage“ und unterstellt, es solle „wie ein Kainsmal Schande über diese Stadt“ bringen.
  • Noch stärker als durch die Verherrlichung von historischem Nationalsozialismus ist die NPD durch die Glorifizierung und den teilweisen Personenkult um die führenden Repräsentanten dieser Diktatur geprägt. Im Mittelpunkt heroisierender Geschichtsverklärungen stehen dabei der „Führer“ Adolf Hitler und sein Stellvertreter Rudolf Heß. Der NPD-Landesverband Berlin fordert sogar die „Wiederaufnahme der Mitglieder der ermordeten oder in den Tod getriebenen letzten Reichsregierung in die Liste der Ehrenbürger (Berlins)“.
  • Die NPD verfolgt ihre Ziele in einer Weise, die über eine originäre Rolle als Wahlpartei in einem demokratischen Repräsentativsystem weit hinaus reicht. Es geht ihr nicht um Reformen, wie sie für das politische Leben in der Demokratie üblich und notwendig sind, sondern sie verfolgt planvoll und kontinuierlich die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Stattdessen strebt sie eine eigene totalitäre Herrschaft an.
  • Die NPD und weite Teile der neonazistischen Kameradschaftsszene haben sich seit dem gescheiterten Verbotsverfahren im Jahr 2003 wieder stärker aufeinander zu bewegt. Inzwischen sind beide Lager unter der Losung „Volksfront von rechts“ eng miteinander verflochten. Der Nutzen ist beiderseitig. Zum einen unterstützt die NPD Veranstaltungen der rechtsextremistischen Kameradschafts- und Musikszene, indem sie sich als Demonstrationsanmelderin oder Konzertveranstalterin zur Verfügung stellt. Zum anderen profitiert die Partei selbst, indem sie sich für junge ungebundene, aktionsorientierte und subkulturell geprägte Rechtsextremisten attraktiv macht. Im Gegenzug kann sie auf deren Unterstützung bei Parteiveranstaltungen und Wahlkämpfen bauen. Die NPD bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen legaler Parteiarbeit und der Gewaltaffinität des kameradschaftlich oder gar nicht organisierten neonazistischen Lagers.
  • Aussagen der Partei bzw. maßgeblicher Funktionäre lassen in ihren Angriffen auf die freiheitliche demokratische Grundordnung und ihre Repräsentanten weiterhin eine bis zur Militanz reichende aktiv kämpferische, aggressive Diktion erkennen. Wenngleich sich die Parteiführung in ihren offiziellen Stellungnahmen regelmäßig gegen Gewaltanwendung ausspricht, verlassen maßgebliche Protagonisten der NPD oftmals die „offizielle Linie“ und belegen in ihren Äußerungen erneut das nach wie vor ambivalente Gewaltverständnis der Partei.