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Der Senator für Finanzen

„Neuer Angriff auf die Privatsphäre“

19.08.2008

Datenschützer hat kaum Handhabe gegen Googles „Street View“

Durch die Straßen Bremens fährt derzeit ein Pkw mit dem Firmen-Logo des Internetkonzerns Google und einem futuristisch aussehenden Dachaufbau: Einer Rundum-Kamera. Für sein Projekt „Street View“ filmt Google Haus für Haus, um die Bilder anschließend via „Google Maps“ weltweit im Internet abrufbar zumachen. Der Bremische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI), Sven Holst, sieht darin zwar einen weiteren Angriff auf die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger – hat aber derzeit keine rechtliche Handhabe, die neuen Google-Praktiken generell zu stoppen.


„Das Projekt steckt zwar noch in seinen Anfängen“, erläutert Holst, „aber jeder Internetnutzer kann sich heute bereits an Beispielen aus den USA, aus Japan oder Australien im Internet anschauen, was demnächst daraus werden soll“. Straße für Straße werde so dokumentiert, um – wie Google selbst es formuliere – einen „virtuellen Spaziergang“ zu ermöglichen. Die erfassten Häuser könnten mit wenigen Mausklicks aus den verschiedensten Perspektiven und auch in relativ deutlicher Vergrößerung betrachtet werden. Auch wenn im Einzelnen Vorteile damit verbunden seien - ein durchaus zweischneidiges Projekt.


Google beschränkt sich bei seinen Aktionen aber scheinbar nicht auf Hauptstraßen und touristische Attraktionen, sondern filmt auch kleinste Nebenstrassen in Bremen! Hierauf weisen empörte Bürger hin. „Google sieht darin keine Verletzung irgendwelcher Bürgerrechte“, weiß der Bremer Datenschützer, „sondern ein äußerst lukratives Service-Angebot: Der Benutzer von „Street View“ soll örtliche Gegebenheiten bis hin zu touristischen Zielen, Hotels oder Restaurants per Internet studieren können – und dabei wünscht Google sich, dass deren Werbung die Kasse klingeln lässt.“ Aber auch soziale und kommunalpolitische Folgen seien möglich, warnt Holst nachdrücklich: „Google selbst empfiehlt seinen neuen Dienst ausdrücklich denjenigen, die einen Umzug planen und sich zuvor ihre künftige Nachbarschaft anschauen wollen. Damit kann eine Augenblicks-Aufnahme zum langfristig wirksamen Entwicklungsmaßstab werden: eine Horrorvision nicht nur für kommunale Verwaltungen!“


In Übereinstimmung mit seinem Kollegen, dem Bundesdatenschützer Peter Schaar, verweist Holst zudem auf denkbare Sicherheitsrisiken: „Das Medium „Street View“ kann sehr leicht Kriminellen zum Auskundschaften geplanter Raubzüge dienen oder aber sensible Einrichtungen wie beispielsweise Frauenhäuser gefährden.“ Das Google-Argument, Objekte wie die Letztgenannten seien schließlich nicht gekennzeichnet, lässt der Bremer Datenschützer nicht gelten: „Wer es darauf anlegt, kann auch scheinbar unscheinbare Objekte anhand ihrer Umgebungsparameter identifizieren.“ Risiken sieht Holst zudem für Bürgerinnen und Bürger, die beispielsweise Beschilderungen oder private Meinungsäußerungen an Hauswänden oder in Vorgärten platziert haben, die aber aus individuell zu respektierenden Gründen nicht daran interessiert sind, ihre lokale Ankündigung weltweit publik zu machen: Sie haben keine Chance, einer solchen Veröffentlichung zu entkommen, denn das geltende Recht gewährt ihnen hierzu keinen ausreichenden Schutz.


Als problematisch bewertet der Datenschützer schließlich die Frage des Persönlichkeitsschutzes: „Zwar hat Google zugesichert, bei der Aufzeichnung erfasste Personen vor Veröffentlichung der Bilder durch technische Verfahren ebenso unkenntlich zu machen wie Kraftfahrzeugkennzeichen“, sagt Holst: „Zugleich aber räumt sich der Konzern ausdrücklich das Recht auf Irrtum ein – und schiebt die weitere Verantwortung dem Individuum zu.“ Wer sich nämlich trotz der zugesicherten Rücksicht im Internet wiederfinde, müsse die ihn betreffende Aufnahme als „unangemessenes Bild“ und „Bedrohung der Privatsphäre“ melden. Holst empfindet das in doppeltem Sinne als Zumutung: „Hier wird zum einen die Handlungsmaxime dem Einzelnen zugeschoben nach dem Motto „Wer sich nicht wehrt, ist selbst schuld“. Zum anderen zwingt Google so die Betroffenen, sich dem Betreiber gegenüber zu outen und ihm so weitere persönliche Daten zur Verfügung zu stellen.“


Der Bremer Datenschützer empfindet angesichts der neuen Google-Aktivitäten erhebliches Unbehagen. Er könne jeden Bürger verstehen, der das Projekt „Street View“ als Beeinträchtigung seiner Privatsphäre empfinde. „Aber das geltende Datenschutzrecht geht momentan einfach nicht weit genug, um dieses Vorhaben gegenüber dem multinationalen Konzern mit Sitz in den USA generell zu unterbinden. Mir bleibt nur, jedem Einzelnen, der sich betroffen wähnt, meine Unterstützung in der Auseinandersetzung mit dem Megakonzern Google zuzusichern“, beteuert Holst.