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Senatskanzlei

Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken 2007 für Tony Judt

09.11.2007

Preisübergabe am 30. November im Bremer Rathaus

Der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken geht in diesem Jahr an den in New York lebenden und lehrenden britischen Historiker Tony Judt. In ihrer Begründung würdigte die Jury Tony Judt als eine Persönlichkeit, die sich in der öffentlichen Debatte über Europa und den Westen auf vielfältige Weise engagiere: als Historiker, der wisse, dass historische Ereignisse nicht ohne ihre vielfältigen Kontexte verstanden werden können, als politischer Denker, der seine Sicht auf die Geschehnisse der Zeit in die öffentliche Kontroverse einbringe, schließlich als politischer Essayist, der streitbarer Zeuge seiner Zeit sei.

Bürgermeisterin Karoline Linnert überreicht den mit 7.500 € dotierte Preis im Rahmen einer öffentlichen Festveranstaltung am Sonntag, dem 30. November 2007 um 18.00 Uhr in der Oberen Halle des Bremer Rathauses. Nach einem Vortrag des Preisträgers hält der ungarische Philosoph und Publizist Gaspar M. Tamas die Laudatio.

Tony Judt (geb. 1948) ist britischer Historiker, Essayist und Hochschullehrer. Er studierte Geschichte am King’s College in Cambridge (England). Derzeit leitet er das Remarque-Institut an der New York University in New York City.Tony Judts Blick auf Europa geht in vielerlei Weise über die Realität nationalstaatlichen Denkens hinaus. Er fragt nach einem pluralen Europa der Vielfalt im Unterschied zu einem Europa der „Identität“, dabei die unterschiedlichen Geschichten berücksichtigend, die jedes europäische Land einbringt und die seine Stellung zu dem „Projekt“ Europa prägen.
Die Jury würdigt mit der Preisvergabe auch seinen Einsatz für ein besseres Verständnis Europas im amerikanischen Raum, ein Verständnis das nicht von unüberbrückbaren Gegensätzen, sondern von einer streitbaren Auseinandersetzung über eine gemeinsame Gegenwart und Zukunft ausgeht.

Der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken wurde 1994 von Publizisten, Politikern und Wissenschaftlern in Bremen ins Leben gerufen. Er wird vom Senator für Bildung und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung finanziert. Der Preis erinnert an die deutsch-jüdische Denkerin Hannah Arendt, die 1933 aus Deutschland fliehen musste und zu den „prägenden Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts zählt“ (Rita Süssmuth); er soll die Aktualität ihres Denkens für die Diskussion von Gegenwartsproblemen fruchtbar machen. Die Grundzüge ihrer Totalitarismustheorie, ihre Überlegungen zum Verhältnis von Macht und Gewalt, die Hervorhebung politischer Neuanfänge und ihre Theorie der politischen Urteilskraft haben sich nicht zuletzt im Kontext der Ereignisse von 1989 als Schlüsselkategorien eines Denkens erwiesen, das aus den Bahnen des Gewohnten ausbricht. Der Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken wurde bisher vergeben an: Ágnes Heller (1995), François Furet (1996), Freimut Duve und Joachim Gauck (1997), Antje Vollmer und Claude Lefort (1998), Massimo Cacciari (1999), Jelena Bonner (2000), Ernst Vollrath und Daniel Cohn-Bendit (2001), Gianni Vattimo (2002), Michael Ignatieff (2003), Ernst-Wolfgang Böckenförde (2004), Vaira Vike-Freiberga (2005) Julia Kristeva (2006),

Hannah Arendt, 1906 in Hannover geboren, in Königsberg aufgewachsen, Schülerin von Heidegger, Jaspers und Bultmann, arbeitete nach ihrer Flucht aus Deutschland zunächst in Frankreich als Leiterin einer Organisation, die jüdische Waisenkinder nach Palästina brachte, bevor sie 1940 in die USA emigrierte. Dort lehrte sie u.a. als Professorin für politische Theorie an den Universitäten Chicago und Princeton. Zu ihren vielfältigen Veröffentlichungen gehören u.a. „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“, „Macht und Gewalt“, „Vita Activa“, „Eichmann in Jerusalem“. Für ihr Werk und Wirken erhielt sie zahlreiche Ehrungen. Sie starb im Alter von 69 Jahren am 4. Dezember 1975 in New York.

Weitere Informationen und Kontakt: Peter Rüdel, T 0421 – 35 23 68, eMail: ruedel.boell@arcor.de oder Antonia Grunenberg, T 0441 – 7982943.