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Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau

Endlich: "Nein heißt Nein" wird Gesetz – stellvertretende Landesfrauenbeauftragte begrüßt Bundestagsbeschluss

07.07.2016

"‘Nein heißt Nein‘ wird Gesetz – dieser Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht war überfällig und ich freue mich sehr, dass der Bundestag heute den Weg dafür freigemacht hat", begrüßt die stellvertretende Landesfrauenbeauftragte Bärbel Reimann den heutigen Bundestagsbeschluss zum Sexualstrafrecht, nach dem bereits strafbar ist, wenn sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt. Neu ist außerdem, dass sexuelle Belästigung, also das "Angrapschen", sowie das Bedrängen aus Gruppen heraus künftig unter Strafe gestellt werden. Noch ist es so, dass sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung nur strafbar sind, wenn der Täter Gewalt anwendet, mit Gefahr für Leib und Leben droht oder eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzt. Damit bleiben bislang Fälle straflos, in denen das Opfer mit Worten widerspricht, vom Täter überrascht wird, aus Angst erstarrt ist oder sich nicht wehrt, weil es körperlichen Widerstand aussichtlos findet oder Angst hat, dadurch schwer verletzt zu werden.

"Das bisher geltende Sexualstrafrecht ist eine Ursache dafür, dass so viele Übergriffe und Vergewaltigungen ungestraft bleiben und Frauen sich gut überlegen, ob sie sich einem Ermittlungs- und Gerichtsverfahren aussetzen – ein unsäglicher Zustand, der sich nun hoffentlich ändert", so Reimann weiter, "schade nur, dass es erst die schlimmen Ereignisse der Kölner Silvesternacht und den Druck von Frauenpolitikerinnen aller Parteien brauchte, die diese von Frauenverbänden seit Jahren geforderte Gesetzesänderung jetzt Realität werden lassen." Dass die Reform mit einem verschärften Ausweisungsrecht einhergeht, sei indes der Sache nicht zuträglich: "Die Tatsache, dass ausländische Täter, die nicht aus EU-Ländern stammen, durch die Ausweisung besonders hart bestraft werden, erzeugt ein verzerrtes Bild. Im Zentrum muss hier das Selbstbestimmungsrecht aller Frauen stehen, nicht die Herkunft der Täter."

Skeptiker der Neuregelung verweisen auf eine hohe Missbrauchsgefahr des neu gefassten Paragrafen: Der Falschbeschuldigung von Männern durch Frauen werde nun Tür und Tor geöffnet. "Genau dieses Argument musste auch schon herhalten, als 1997 endlich die Vergewaltigung in der Ehe strafbar wurde", erläutert Bärbel Reimann, "und es hat sich gezeigt, dass diese Befürchtung nicht eingetreten ist. Genauso wird es diesmal sein, da bin ich sicher. Stattdessen wird das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen gestärkt. Deutschland schließt damit endlich zu den 21 anderen europäischen Ländern auf, die ihr geltendes Recht bereits der 2011 unterzeichneten Istanbul-Konvention angepasst haben. Das ist mehr als überfällig."

Die Istanbul-Konvention:
Die Konvention des Europarates gegen Gewalt gegen Frauen (sog. Istanbul-Konvention) vom Mai 2011 fordert, dass sexuelle Übergriffe schon dann strafbar sind, wenn sie gegen den Willen der betroffenen Person erfolgen, ohne weitere Anforderungen. Deutschland hat die Konvention zwar unterzeichnet, aber bis jetzt nicht ratifiziert.

In Artikel 1a der Konvention heißt es: "Zweck dieses Übereinkommens ist es, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen." Dazu zählen psychische, körperliche und sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, sowie Zwangsheirat, Verstümmelung der weiblichen Genitalien, erzwungene Abtreibung und Sterilisation, Nachstellung (Stalking) sowie sexuelle Belästigung. Artikel 36 der Istanbul-Konvention sieht vor, dass jegliche nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlung unter Strafe zu stellen ist.

In Deutschland liegt laut Paragraf 177 des Strafgesetzbuches in der noch geltenden Fassung eine sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung dann vor, wenn eine Person durch Gewalt, Androhung von Gewalt oder in einer schutzlosen Lage genötigt wird, sexuelle Handlungen zu erdulden.