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Rektor Schreiber plädiert für ausgefeiltes Studienkontenmodell mit Leistungs- und Wettbewerbsanreizen für Hochschulen

04.09.2003

"Bisherige Diskussionsvorschläge für Studienkonten greifen zu kurz"

Die Hochschule Bremen teilt mit:

Ein Studium an den tatsächlich entstehenden Kosten zu bemessen, Leistung und Wettbewerb zu belohnen und zu fördern und dennoch nicht die Einführung von Studiengebühren für grundständige Studiengänge zu fordern ist ein auf den ersten Blick paradox erscheinender Vorschlag. Mit jedoch genau einem solchen Modell schaltet sich Dr. habil. Elmar Schreiber, Rektor der Hochschule Bremen, in die aktuelle Diskussion über Studienkonten ein.

Die desolate Lage der Finanzen des Bundes und der Länder und die zugleich erhobene Forderung nach Qualitätsverbesserungen in Lehre und Studium stellen einen scheinbar unauflösbaren Zielkonflikt dar. Die im Rahmen des so genannten Bologna-Prozesses erforderlichen Reformen bis zum Jahr 2010 (Einführung international kompatibler Studienabschlüsse, mehr Freizügigkeit für ein Studium im EU-Raum und anderes mehr) wirken da auch nicht gerade entspannend. Bislang drehte sich die öffentliche Debatte entweder um die Erhebung von Gebühren für Studiengänge, die man mit einer Hochschulzugangsberechtigung (z. B. Abitur) belegen kann (grundständige Studiengänge), oder es ging um die Einführung von Studienkonten. Dabei soll nach bisherigen Überlegungen bei deutlichem Übersteigen der Regelstudienzeit eine Art Strafgebühr erhoben werden können.

"Die bisherige Diskussion gerade über Studienkonten greift vielfach zu kurz", gibt Schreiber zu bedenken. "Daran ändern auch die Regelungen anderer Länder wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz oder gar die jüngsten Vorschläge aus Bremen nichts. Was wir vielmehr brauchen, ist ein Steuerungsinstrument, das Leistung und Wettbewerb unter den Hochschulen fördert und nicht zusätzlichen Verwaltungsaufwand für eine Gebühr mit sich bringt, die von Studierenden vielfach als Bestrafung empfunden wird und die substantiell für die Qualität der Lehre nichts einbringt."

Wünschenswert sei demgegenüber ein ausgefeiltes Studienkonten-Modell, das die wettbewerbsfördernden und qualitätssteigernden Elemente US-amerikanischer Vorzeige-Universitäten aufgreife, Anreize für ein kürzeres Studium schaffe und gleichzeitig die in Deutschland herrschenden Rahmenbedingungen beachte.

Schreiber regt an, jedem Bundesbürger schon bei Geburt ein Bildungsguthaben auszuhändigen, das an einer beliebigen Hochschule in Deutschland eingelöst werden kann. Dieses Guthaben soll dem Wert eines grundständigen Studienganges entsprechen, mit dem ein erster berufsqualifizierender Hochschul-Abschluss vermittelt wird. Dieser Wert kann in Geld bzw. in Bewertungspunkten für Studieninhalte (Kreditpunkte für Lehrmodule) angegeben sein. Die Hochschulen treten in einen Wettbewerb um diese Bildungsguthaben, die sie dann bei ihrem zuständigen Ministerium gegen Geld einlösen können. "Damit wird gewissermaßen der Begriff ,Studienkonto' neu definiert", so Schreiber. "Der Kontoinhaber verfügt bereits vor dem Studium über ein solches Konto, während bei dem bisher diskutierten Modell ein solches eher virtuelles Konto erst bei Studienbeginn angelegt wird." Einen weiteren Vorteil seines Vorschlags sieht Rektor Schreiber auch für den Fall eines Studienortwechsels: "Die Mobilität von Studierenden wird dadurch gefördert, dass sie ja gewissermaßen ,in Raten' ihr Konto aufbrauchen können und für ihr Guthaben Studieninhalte kaufen können." Das bisherige Modell bringe für den Fall eines Wohnortwechsels und des deutlichen Übersteigens der Regelstudienzeit einen enormen Verwaltungsaufwand mit sich, der durch die Verrechnung zwischen abgebender und aufnehmender Hochschule entstehe. Schließlich verknüpft Schreiber mit seinem Vorschlag auch konkrete Leistungsanreize für kürzere Studienzeiten: so sollen zum Beispiel neben Boni (ausgedrückt in Studienzeiten (sprich: Semestern)) nicht verbrauchte Guthaben-Anteile für ein Weiterbildungsstudium im Sinne eines lebenslangen Lernens verwendet werden können.

Viele der bislang sichtbaren oder diskutierten Ansätze sind nach Auffassung des Rektors der Hochschule Bremen verfehlt. Sie erhöhten den Verwaltungsaufwand einseitig zu Lasten der Hochschulen, wie das Beispiel Niedersachsen zeige. "Auch andere Überlegungen sind vollends fragwürdig, zum Beispiel erst bei einer Verdoppelung der Regelstudienzeit Gebühren zu erheben. Im Falle eines aufeinander folgenden Bachelor- und Masterstudiums wäre demnach frühestens nach 20 Semestern die Gebühr fällig. Was bringt dann der ganze Verwaltungsaufwand? Oder der Vorschlag, die Hälfte der Credits für ein Lehrmodul bereits bei der Anmeldung zur Prüfung zu gewähren. Die Anmeldung zu einer Prüfung ist doch keine Studienleistung an sich, so dass offen ist, wie die Akkreditierungsagenturen diesen Sachverhalt bewerten. Im Kern gehen viele der Vorschläge an der Intention der europäischen Bildungsminister, die sich im Juni 1999 in Bologna auf bildungspolitische Reformziele bis zum Jahr 2010 verständigt haben, vorbei."

Konsequenterweise sollte nach Schreibers Auffassung sein Guthaben -Modell auch international anwendbar sein - ganz im Sinne der Bologna-Vereinbarung. "Wichtig erscheint mir jedoch, dass zunächst in Deutschland ein erster Schritt in diese Richtung unternommen und ein entsprechendes Verwaltungs-Abkommen unter den 16 Bundesländern geschlossen wird."

Befragt nach der Einführung von Studiengebühren auch für grundständige Studiengänge, erhebt Schreiber sachliche Bedenken, die über die aktuelle Gesetzeslage und die einschlägige KMK-Vereinbarung hinausgehen. "Vielfach wird von den Befürwortern gebührenpflichtiger Studiengänge auf die USA verwiesen. Dieser Ansatz ist deswegen abwegig, weil er die unterschiedlich Steuergesetzgebung in den USA und Deutschland ausblendet." Schreiber, der selbst drei Jahre lang an der Universität in Princeton tätig war, verdeutlicht anhand eines Beispiels seine These: "Gäbe es in Deutschland wie in den USA kostendeckende Studiengebühren, müssten Eltern für ein Studium ca. 100.000,- Euro berappen, bei zwei und mehr Kindern kommt der Gegenwert eines Eigenheimes zusammen. Da stellt sich die Frage: Warum funktioniert das amerikanische System? Der Schlüssel liegt in der bereits erwähnten Steuergesetzgebung, die im Gegensatz zu Deutschland Hypothekenzahlungen zu einem attraktiven Anteil steuerlich begünstigt. Eine solche Steuerpolitik schafft Spielräume für Investitionen in die Zukunft, also die Ausbildung der jungen Generation, anstatt zu investieren in eine quasi verrottende Bausubstanz. Dieses Beispiel zeigt, wie behutsam Ländervergleiche anzustellen sind und wie wenig erfolgreiche Modelle anderer Länder ,eins zu eins' zu übertragen sind. Vielmehr müssen die Rahmenbedingungen, die die individuelle Lebensplanung entscheidend beeinflussen, verstärkt in den Blick genommen werden", so das Fazit von Dr. Schreiber.