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Sonstige

Ein Jahr lang auf die neue Therapie vorbereitet

31.07.2003

Kindern mit akutem Lungenversagen kann jetzt neben Mannheim auch in Bremen geholfen werden

Das Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße teilt mit:

Seit Januar dieses Jahres verfügt die Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin des Zentralkrankenhauses St.-Jürgen-Straße über einen so genannten ECMO-Therapieplatz. Das neue Angebot, das Neugeborenen mit einem akuten Lungenversagen in 80 Prozent aller Fälle das Überleben sichert, besteht nicht nur aus einer Herz-Lungen-Maschine, sondern auch aus einem 16köpfigen Team von ÄrztInnen und Intensivschwestern. Bei dem ECMO-Therapieplatz handelt es sich um den zweiten in der Bundesrepublik. Der erste wurde bereits vor einigen Jahren am Universitätsklinikum in Mannheim eingerichtet. Jährlich sterben in Deutschland etwa 100 Neugeborene wegen eines akuten Lungenversagens. Diese Zahl soll durch das Angebot der Bremer Klinik deutlich verringert werden.

Wie der Direktor der Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Dr. Klaus Albrecht, am Donnerstag, 31. Juli, vor JournalistInnen hervorhob, wurde die ECMO-Therapie Mitte der 70er Jahre von einem amerikanischen Kinderchirurgen eingeführt. Seither wurden weltweit 20.000 Neugeborene mit der Methode behandelt. 80 Prozent dieser Kinder konnten gerettet werden. In Europa hat sich ECMO seit dem Ende der 80er Jahre etabliert. In allen großen europäischen Ländern bieten mittlerweile ein bis zwei Fachkliniken die Therapie an.

ECMO steht für „Extracorporale-Membran-Oxygenierung“. Wenn ein Kind geboren wird, kann es zu Problemen bei der Umstellung des Kreislaufs kommen. Die Lunge des Kindes hat während der Schwangerschaft keine wesentlichen Aufgaben und wird auch kaum durchblutet. Kommt es unter der Geburt nicht zur Öffnung des Lungenkreislaufes, entsteht ein Sauerstoffmangel. „In den meisten Fällen gelingt die Kreislaufumstellung vom Fötus zum Neugeborenen durch Beatmungstricks und Medikamente. In einigen Fällen aber hält der Sauerstoffmangel an und die Kinder versterben, wenn sie nicht die Chance bekommen, durch ECMO therapiert zu werden“, erklärte Albrecht.

Bei der Behandlung wird das Neugeborene an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die das Blut von Schadstoffen befreit und mit Sauerstoff anreichert. Nach einiger Zeit kann das Kind seine Lungenfunktion allmählich selbst übernehmen. Kommt es zu einem Herzversagen, so ist die Maschine auch in der Lage, vorübergehend die Funktion des Herzens zu übernehmen, bis die lebensbedrohliche Situation überwunden ist.

Nach Angaben von Dr. Peter Lasch, der als Oberarzt die Einführung des neuen Angebotes koordinierte, bedeutete die Einführung der ECMO-Therapie einen immensen Aufwand für die Klinik. Über ein Jahr lang wurden insgesamt sechs Ärztinnen und Ärzte sowie zehn Intensivkrankenschwestern durch hauseigene Fortbildungen sowohl theoretisch als auch praktisch auf diese Aufgabe vorbereitet. Hinzu kamen Hospitationen im Mannheimer ECMO-Zentrum. Das überdurchschnittliche Engagement dieser MitarbeiterInnen hat sich bereits zweimal ausgezahlt: Im Februar konnte ein in Bremen geborenes Kind durch ECMO gerettet werden, Anfang Juli ein kleines Mädchen aus Berlin.

Bereits bei der Geburt von Selin fiel auf, dass die Lunge nicht richtig arbeitet. Sie wurde in die Benjamin Franklin Uni-Kinderklinik verlegt, wo alles versucht wurde, um die Lungenprobleme zu überwinden. Nach zehn vergeblichen Stunden – die Zeit wurde knapp – nahm man Kontakt zum Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße auf. Ein Hubschrauber brachte die am 2. Juli geborene Selin nach Bremen. Bereits zwei Stunden später konnte die kleine Patientin von Privat-Dozent Dr. Christian Lorenz an die ECMO-Maschine angeschlossen werden. Ein großes Glück dabei: der Direktor der Kinderchirurgischen Klinik im ZKH St.-Jürgen-Straße gehört zu den ganz wenigen Kinderchirurgen, die große Erfahrungen mit ECMO haben. So kam es rasch zu einer Stabilisierung der lebensbedrohlichen Situation. Nach sieben Tagen konnte Selin wieder von der Herz-Lungen-Maschine getrennt werden. Nach weiteren sieben Tagen auf der Intensivstation erfolgte der Rücktransport nach Berlin. Ein Anruf bei den KollegInnen in der Landeshauptstadt ergab, dass es der Kleinen sehr gut geht und sie bereits in den nächsten Tagen nach Hause zu ihren Eltern entlassen werden kann.