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Sonstige

Rilke. Worpswede: Das Buch über die Künstlerkolonie feiert 100. Geburtstag

22.05.2003

18 Institutionen in Bremen, Worpswede und Fischerhude wagen ein Kultur-Experiment

Es war ein ungewohnter Auftrag für den Dichter Rainer Maria Rilke: Einige Rezensionen zu Kunstausstellungen hatte er bereits geschrieben. Nun sollte er die neue Gruppe von Künstlern in Worpswede für ein Buch porträtieren. Mit den Malern Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Hans am Ende und Heinrich Vogeler führte Rilke lange Gespräche und studierte ihre Werke. Es entstand die Künstlermonographie „Worpswede“, die erste umfangreiche Darstellung der Worpsweder Künstler. 1903 erschien sie in der Künstler-Reihe des Verlages „Velhagen & Klasing“.


Zum 100. Jubiläum der Erstauflage wagen 18 Kulturinstitutionen in Bremen, Worpswede und Fischerhude ein Kunst-Experiment: Bis August 2003 widmen sie sich allein dem Dichter und seiner Beziehung zu der berühmten Künstlerkolonie. Ausgangspunkt des Projektes „Rilke. Worpswede.“ sind Ausstellungen in Bremen und den beiden Künstlerorten. Konzerte und Theaterstücke, Lesungen und Filme, Vorträge und Diskussionen ergänzen den Rilke-Sommer.


Rosenblätter, die von der Decke herunterwehen? Birken mit Engelsflügeln? Ein Torfkahn, der aus der Wand gleitet? Die Kunsthalle Bremen entführt in der Inszenierung „Rilke. Worpswede.“ ihre Besucher in eine surreale Welt. Die Essener Bühnenbildnerin Nicola Reichert hat sich der literarischen Vorlage angenommen und verwandelt die Ausstellungsräume vom 29. Juni bis 24. August 2003 in eine Bühne. Der Besucher sieht Worpswede mit Rilkes Augen: historische Requisiten – Tische und Stühle, Bücher und Fotografien, Teppiche oder auch ausgestopfte Vögel der Region – begleiten ihn auf seiner Zeitreise.

Erstmals präsentiert die Kunsthalle Bremen nahezu alle in Rilkes Buch abgebildeten Werke. Das sind rund 80 Gemälde, Zeichnungen und druckgrafischen Blätter, alle eingebettet in den szenischen Zusammenhang.


„Rücksichtslos geradeaus malend“ heißt es vom 22. Juni bis 31. August 2003 in den Kunstsammlungen Böttcherstraße/Paula Modersohn-Becker Museum Bremen. Die Worpsweder Künstlerinnen Marie Bock, Clara Rilke-Westhoff und Paula Modersohn-Becker hatten 1899 in der Kunsthalle Bremen einen ersten Auftritt – und ernteten vernichtende Kritiken. Auch Rilke nahm sie nicht in seine Künstlerbiographie von 1903 auf. Und das obwohl er gerade zu Paula Modersohn-Becker eine enge Beziehung hatte. Insbesondere diesem Aspekt widmet sich die Ausstellung. Rilke meinte, er habe durch Paula Modersohn-Becker gelernt, künstlerisch zu sehen. Sie wurde zur Entdeckung seines Lebens: „Das Merkwürdigste war, Modersohns Frau an einer ganz eigenen Entwicklung ihrer Malerei zu finden, rücksichtslos und geradeaus malend, Dinge, die sehr worpswedisch sind und die doch nie einer sehen und malen konnte.“


Am Originalschauplatz Worpswede führen gleich mehrere Ausstellungen auf die Spuren Rainer Maria Rilkes. „... es wurde wundersam Abend ... Rainer Maria Rilke und sein Freundeskreis in Worpswede“: Das Haus im Schluh lässt die von Rilke erlebte Zeit in Worpswede lebendig werden. Bis zum 31. August 2003 sind dort Gemälde, Fotos, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und originale Tondokumente zu sehen und zu hören. Die Große Kunstschau in Worpswede zeigt bis zum 1. September „Lebensräume zu Rilkes Zeiten – Blick auf Worpsweder Höfe und Häuser“. Der zeitgenössische Künstler Peter F. Piening beschäftigt sich vom 21. Juni bis 31. August in der Worpsweder Kunststiftung Friedrich Netzel mit Rilkes Thema der Übergänge von Innen und Außen. Das Museum am Modersohn-Haus zeigt bis 30. November 2003 „Die Nachfolger“: Werke aus der Generation nach Rilke.


Wer einen Abstecher nach Fischerhude macht, kann im Otto Modersohn Museum vom 29. Juni bis 24. August die „Märchendarstellungen“ des Künstlers sehen. Der Kunstverein Fischerhude in Buthmanns Hof e.V. zeigt rund 80 Kompositionszeichnungen Modersohns.


Seit der Uraufführung im April sorgt Johann Kresniks Inszenierung „Vogeler“ am Bremer Theater für regelmäßig ausverkaufte Vorstellungen. Doch auch weitere Aufführungen, Lesungen, Konzerte und Diskussionen sind für den Sommer zu erwarten. Einige Beispiele: Rilke-Forscher aus dem In- und Ausland befassen sich bei einer internationalen Tagung der Universität Bremen mit Rilkes Wirkung auf fremde Literatur, Kunst und Musik. Die Künstlerhäuser Worpswede loten bis Juli 2003 die Möglichkeiten der literarischen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst aus. Die Barkenhoff-Stiftung Worpswede macht neugierig auf „Rilke 1903“, ein musikalisches Theater-Event, das – auch bei schlechtem Wetter – vom 4. bis 27. Juli im Garten des Worpsweder Barkenhoff stattfindet. Aus Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und eigens vertonten Gedichten entsteht ein intensiver Eindruck der Träume, Ängste, Hoffnungen und Erinnerungen Rainer Maria Rilkes an Worpswede. Und wer nach soviel Kulturgenuss Hunger bekommen hat: In Worpswede bieten drei Restaurants kulinarische Genüsse in speziellen Rilke-Menüs an.


Detaillierte Informationen über alle Veranstaltungen erhalten Interessenten unter www.rilke.worpswede.de.