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Sonstige

Die Landesbeauftragte für Frauen: Schülerinnen und Schüler brauchen offene Vorbilder

20.10.2003

In der Auseinandersetzung um das Verbot für muslimische Lehrerinnen, im Unterricht an staatlichen Schulen ein Kopftuch zu tragen, hat Ulrike Hauffe eine differenzierte Position eingenommen.


Eine offene Gesellschaft muss große Sorgfalt darauf richten, dass religiöse Freiheit geschützt wird und Toleranz gerade gegenüber uns fremd erscheinenden Kulturen und Religionen geübt wird. Insbesondere Mädchen und Jungen, die viele soziale - kulturell bedingte - Konflikte untereinander erleben und austragen, müssen immer wieder darin bestärkt werden, gegen Ausgrenzung und Vorurteile anzugehen und eine offene Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Lebensentwürfen, Moralvorstellungen und religiösen Haltungen zu suchen. Dies betrifft auch und gerade das Klima an den allgemein bildenden Schulen.


„Ich sorge mich allerdings um die jüngeren Schulkinder, für die die Lehrperson eine starke Identifikationsfigur darstellt. Das Frauenbild von Jungen und Mädchen wird insbesondere in den ersten Schuljahren von der Schule mitgeprägt. Das bedeutet also eine besondere Verantwortung der Unterrichtenden, und zwar auch im Geschlechterverhältnis,“ betont Ulrike Hauffe.


Das Kopftuch ist nicht nur ein religiöses sondern auch ein bestimmtes politisch definiertes Symbol, das für ein Frauenbild steht, das Frauen eine untergeordnete und diskriminierende Stellung zuweist. Gerade Mädchen und Jungen, die einen solchen kulturellen und sozialen Hintergrund auch zu Hause erleben, werden von einer Lehrerin, die ein Kopftuch trägt, nicht unterstützt, selbstbestimmte und gleichberechtigte Lebensentwürfe zu entwickeln und durchzusetzen. Ein Mädchen, das von ihrer Familie zum Tragen des Kopftuchs angehalten wird, hat es ohnehin besonders schwer, zwischen den kulturellen Widersprüchen eine eigene Identität zu entwickeln. Wir müssen alles tun, damit die ungelösten Migrationsprobleme dieser Gesellschaft nicht auf dem Rücken dieser Mädchen ausgetragen werden. Eine Lehrerin mit Kopftuch wird ihr bei der Integration in die Gesellschaft kaum eine Hilfe sein. Aber auch die Jungen werden von solchen Lehrerinnen schwerlich lernen, ihr Frauen- und Mädchenbild an Partnerschaftlichkeit und gegenseitiger Achtung zu orientieren. Deshalb ist das Kopftuch als Kleidungsstück insbesondere in der Grundschule das falsche Signal.


„Ich zweifle damit in keinem Fall grundsätzlich die Verfassungs- und Gesetzestreue einer solchen muslimischen Lehrerin an. Aber ich befürchte, dass das Vorbild dieser Lehrerin stark von dem stets präsenten Kopftuch geprägt wird und von Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrem konkreten Verhalten im Unterricht so wahrgenommen wird,“ urteilt Ulrike Hauffe.


Älteren Mädchen und Jungen hingegen könne eine Lehrerin mit Kopftuch zugemutet werden, da sie über eine differenzierte Sichtweise auf religiöse und kulturelle Unterschiede verfügen und sich aktiv damit auseinandersetzen können und sollen.


Wenn das Verbot, ein Kopftuch zu tragen, gesetzlich geregelt wird, bedarf es der Klärung weiterer Fragen, z.B.: Wie wird mit Symbolen anderer Religionen an Bremer Schulen umgegangen? Gilt eine gesetzliche Regelung dann auch für Kopftuch tragende Betreuungskräfte an Schulen, die im Rahmen der verlässlichen Grundschule und Ganztagsschule wesentlichen Anteil am schulischen Leben haben? Und wie wird mit kopftragenden Erzieherinnen im Kindergarten umgegangen?


Diese Fragen müssen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens geklärt werden.