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Sonstige

Genealogie zwischen Kirchenbuch und genetischem Fingerabdruck

16.09.2002

Hohe Anmeldezahlen und vielfältige Resonanz zum 54. Deutschen Genealogentag vom 20. bis 23. September 2002 in Bremen

Von Hans-Joachim Kulenkampff und James Last bis Karl Carstens – Sogar Dianas Wurzeln reichen bis nach Bremen „Genealogie ist eigentlich viel mehr als nur Familienforschung. Wir befassen uns nicht nur mit der Vergangenheit, sondern sind auf die Zukunft ausgerichtet“. Das sagten einhellig Dr. Peter Ulrich, Vorsitzender der MAUS, Gesellschaft für Familienforschung in Bremen, und sein Stellvertreter Rudolf Voss heute (16.9.2002) vor der Landespressekonferenz Bremen im Rathaus. Der Grund, dass die beiden Vorstandsmitglieder vor den Journalisten zum Thema „Genealogie zwischen Kirchenbuch und genetischem Fingerabdruck“ referierten: Die MAUS richtet unter dem Leitmotto „Über Bremen in die Welt“ für die „Deutsche Arbeitsgemeinschaft Genealogischer Verbände“ (DGAV) den 54. Deutschen Genealogentag vom 20. bis 23. September in der Hansestadt aus.


Bürgermeister und Finanzsenator Hartmut Perschau wird am Freitag (20.9.2002) ein Grußwort zur Eröffnung dieses Kongresses im Haus Schütting (Handelskammer) sprechen, und Bürgermeister Dr. Henning Scherf hält am Sonntag (22.9.2002) auf einem Senatsempfang in der Oberen Rathaushalle einen Festvortrag. – Neben den zahlreichen Fachvorträgen zu Fragen der Auswanderung in den letzten Jahrhunderten werden auf der Tagung Fragen wie die Digitalisierung von Archivalien bearbeitet.


Vorträge im Haus Schütting

Vorträge zu „Über Bremen in die Welt“

Sonnabend, 21. September

09.00 Uhr - Dr. Adolf Hofmeister, Bremen: „Familiengeschichtliche Quellen zur Anwendung in Bremer Archiven“

10.00 Uhr – Prof. Dr. Antonius Holtmann, Oldenburg: “Bohmte – Bremen – Public Landing. Eine Erfolgsgeschichte aus Cincinnatis 19. Jahrhundert als genealogische Rekonstruktion“.

11.15 Uhr – Prof. Dr. Raymond Wright, USA: „Deutsche Auswanderer nach Amerika 1863 – 1940. Eine Internet-Quelle für Familienforscher und Historiker“.

12.15 Uhr – Dr. Horst Rößler, Bremen, und Dr. Margit Schulte Beerbühl, Dortmund: „Auf ins gelobte Land – Zum Verhältnis von Migrations- und Familienforschung am Beispiel der deutschen Englandwanderung des 18. und 19. Jahrhunderts“.

15.00 Uhr – Dr. Andrea Mehrländer, Berlin: „... überall hiest man fahnen“: Bremer Einwanderer während des amerikanischen Bürgerkriegs in den Konföderierten Staaten“.

16.00 Uhr – Karl Wesling, Bremen: „Über Bremen in die Welt. Die Bremer Passagierlisten 1920 – 1939“.

17.00 Uhr – Thomas Begerow, Berlin: „Mit Vegesacker Kapitänen in die Welt“.


Allgemeine genealogische Vorträge

Sonnabend, 21. September

09.00 Uhr – Dr. Konrad Elmshäuser, Bremen: „Hof – Dorf – Herrschaft. Familienstrukturen in der karolingerzeitlichen Grundherrschaft“.

10.00 Uhr – Dr. Tobias Schmidt, Göttingen: „Vom genealogischen Fingerabdruck zur DNA-Genealogie – Neue Perspektiven für Familienforscher“

11.15 Uhr – Dr. Bettina Schleier, Bremen: „Archivgut in Reproduktion – verbesserter Zugang zu Quellen über Mikrofilm und digitales Bild“.

12.15 Uhr – Holger Zierdt, Göttingen: „Digitale Edition historischer Quellen – Wege zum digitalem Archiv und ihre Bedeutung für die Genealogie“.


Herausgefunden: Sogar ein Vorfahr von Prinzessin Diana kam aus Bremen

Das MAUS-Archiv mit seinen Datenunterlagen ist eine wahre Fundgrube über historische und familiäre Zusammenhänge. Dass Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff ein bekennender Bremer war und James (Hans) Last aus Bremen stammt, ist ebenso bekannt wie die Herkunft des früheren Bundespräsidenten Karl Carstens oder die der einstigen Bundespräsidenten-Gattin Hilda Heinemann aus Bremen. Ebenso der Geburtsort des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (Leuchtenburg bei Bremen). Wer etwas wissen will über den Bierbrauer Cord Hinrich Haake, den Esso-Gründer Franz Schütte, den Arzt und Astronomen Wilhelm Olbers, den Gründer des Norddeutschen Lloyd, Hermann Henrich Meier, die verschiedenen Zweige der Kulenkampf(f)s (oder am Ende mit „p“ geschrieben), der wird bei den modernen Bremer Familienforschern fündig.

So kann der amerikanische Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld seine familiären Ursprünge bis nach Weyhe nachvollziehen (ein entfernter Verwandter mit dem Namen Rumsfeld lebt in Achim). Aber dass die familiären Wurzeln von Diana, Prinzessin von Wales (1961 – 1997) bis nach Bremen reichen, dürfte die Weser-Hanseaten besonders erfreuen. Diese Tatsache hat nämlich MAUS-Vorsitzender Dr. Peter Ulrich herausgefunden.


Familienforschung macht Geschichte lebendig

Wie kommen die Menschen zur Familienforschung? Einige möchten ihre Verwandtschaftsbeziehungen zu Ausgewanderten aufarbeiten. Oder zum Beispiel Amerikaner wollen viele Generationen zurück ihre Wurzeln in Deutschland bis zur letztmöglichen Verästelung finden. Wie bei anderen Familienforschern auch war für Klaus-Peter Wessel, Diplom-Ingenieur im Bereich Luft- und Raumfahrttechnik und im Beirat der MAUS zuständig für Internet, die erste Berührung ein alter „Ariernachweis“, den ein Onkel des Vaters in den 30er Jahren anfertigen musste. Nachdem er so bei seiner väterlichen Linie seine Vorfahren bis ca. 1850 „kannte“, Kirchenarchive aufsuchte und sich weitere Erfolge einstellten, packte ihn das „Fieber“ und er fand ein nahezu unendliches Betätigungsfeld. „Zu Bremen habe ich keinerlei genealogische Verbindungen, gleichwohl fand ich im wohlsortierten MAUS-Archiv meine bisher am weitesten zurückliegenden Ahnen (ca. 1290)“, sagt der 42-jährige, der seit 12 Jahren dem Verein angehört.


Für viele Genealogen ist eben der interessante und wichtige Effekt bei der Familienforschung, dass „Geschichte lebendig wird“. Man sieht die eigenen Ahnen im Spiegelbild der jeweiligen historischen Epochen, man erlebt die Perioden der Pest und der Bauernaufstände mit, die Umstände der Leibeigenschaft, man erlebt mehrere Kriege mit. Auf diese Weise kann man die Lebensbedingungen, die sozialen Situationen hervorragend nachvollziehen. Sehr interessiert war Wessel daran, herauszufinden, warum der Familienname früher anders lautete: „Dies hatte die Ursache, dass im Westfälischen früher der Familienname gegenüber dem Hofnamen nur eine untergeordnete Rolle spielte. Übernahm ein Mann z. B. durch Heirat einen Hof, nahm er in der Regel den Namen des Hofes an. So wurde für seine Vorfahren aus Döhr der Name Wessel“.


Kein Nachwuchsmangel: Jüngere finden ideales Betätigungsfeld

Das Internet und Datenbanken sind in den Teams – so auch in Bremen – nicht mehr wegzudenken. Die Computergenealogie ist heute eine Selbstverständlichkeit. Bei einem solchen umfassenden Datenangebot ist es denn auch nicht verwunderlich, dass die Genealogen im Gegensatz zu anderen Vereinigungen und Organisationen nicht über Nachwuchsmangel oder Mitgliederschwund klagen müssen: Bei der MAUS ist ältestes Mitglied eine 94jährige Apothekersfrau und jüngstes Mitglied eine 23 Jahre alte Studentin.


744 Mitglieder zählt allein die MAUS in diesem Sommer. Darin sind alle Berufe wie zum Beispiel Hafenfacharbeiter, Biologen, Chemiker, Ärzte, Theologen, Historiker, Marketingexperten und Unternehmer vertreten – Arbeiter, Angestellte, Beamte ebenso wie Freischaffende. Es gibt nicht mehr den typischen Familienforscher alter Prägung. Zu dem Bremer Verein gehören eben Professoren und Ärzte, aber auch Arbeiter und Zeitungsträger. Und das weit über die Grenzen des Landes hinaus. Die MAUS gewinnt pro Quartal durchschnittlich 26 neue Mitglieder – und der Trend hält erfreulicherweise unvermindert an. Heute hat fast die Hälfte Internetanschluss. Moderne Informationstechnologien sind hier eben nicht mehr wegzudenken.


Das Durchschnittsalter hat sich bei dem Bremer Verein seit Beginn 2001 bis heute von fast 61 Jahren auf unter 58 verringert. Die Zahlen belegen eindeutig, dass insbesondere junge Menschen, die fast alle über einen Internetanschluss verfügen, bei der MAUS eintreten: Von den 128 neuen Mitgliedern haben 123 einen Internetanschluss. Das ist eine Quote von 96 Prozent. Die klassische Familienforschung verschiebt sich eindeutig zur Computer-Genealogie. Vorsitzender Dr. Peter Ulrich: „Wir haben offenbar eine äußerst effiziente und für Neumitglieder interessante Verknüpfung beider Methoden gefunden“. Der Vorstand hat sich den neuen Technologien gegenüber sehr offen gezeigt. Und das ist eben nicht in allen Vereinen so.


20 besonders Aktive arbeiten im MAUS-Kernteam mit

Man kann eine Menge bei dem Bremer Verein über unbekannte und bekannte Personen herausfinden: Wer wann mit dem Schiff über Bremen und Bremerhaven ausgewandert ist oder wer einst von hier aus eine Schiffsreise unternommen hat. So reisten Herzog Ernst-Joachim von Anhalt 1925 nach New York, Kaffee-Kaufmann Roselius (der mit dem koffeinfreien Kaffee) 1927 nach Rio und Reichskanzler a.D. Dr. Joseph Wirth 1925 nach New York. Das MAUS-Archiv ist eine wahre Fundgrube für die Forscher. Aus den Passagierlisten ergeben sich auch einige Auffälligkeiten: Warum reisten wohl 1926 mit der „Lützow“ 70 Priester, Pfarrer und Bischöfe über den großen Teich oder 40 Musiker, 75 Kellnerinnen und ein Schuhplattler 1926 mit der „Derfflinger“ nach Philadelphia oder ein Ehepaar aus Polen (86 und 87 Jahre alt) 1925 mit der „George Washington“ nach New York?


Dieses riesige Datenvorkommen über Personen und Familien führt natürlich – wie auch bei anderen Genealogen-Vereinen – bei der MAUS zu einer Fülle von Anfragen. Diese Recherchearbeit, Korrespondenz und Nachfragen führen dazu, dass eine Kernmannschaft von etwa 20 Personen ehrenamtlich reichlich ausgelastet ist. Diese vielfältigen Aufgaben werden nicht nur in der Geschäftsstelle der Bremer Familienforscher im Staatsarchiv, sondern von heimischen PCs der Verantwortlichen wahrgenommen.


Forderung: Restriktionen beim Zugang zu den Personenstandsbüchern aufheben

Ein grundlegendes Problem, das sowohl den genealogischen Vereinen als auch den einzelnen Familienforschern zunehmend Ärgernis bereitet, sind – so Vorsitzender Dr. Ulrich und sein Stellvertreter Rudolf Voss – die nur sehr eingeschränkt eröffneten Möglichkeiten, Zugang zu den Personenstandsbüchern der staatlichen Standesämter zu erhalten. Standesbeamte berufen sich bei der Verweigerung von Auskünften aus oder der Einsicht in Personenstandsbücher auf den Datenschutz. Betroffen von dieser Situation sind insbesondere Genealogen, denen daran gelegen ist, nähere Informationen über ihre Vorfahren zu erhalten, betroffen davon ist aber auch die historische Forschung, die dadurch ebenfalls nachhaltig behindert wird.


Datenschutzrechtliche Erwägungen können nach Auffassung der Genealogen allenfalls dort greifen, wo es um den Erhalt von persönlichen Daten noch lebender Personen geht, deren Persönlichkeitsrechte dadurch nämlich tangiert werden. Für bereits verstorbene Personen gelten derartige Überlegungen nicht, denn es gibt – so die Familienforscher - keinen generellen und über den Tod hinauswirkenden Datenschutz. Ein entsprechender Entwurf zur Änderung des § 61 des Personenstandsgesetzes liegt beim Bund vor. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände e.V., die ihr angeschlossenen Vereine sowie alle engagierten Familienforscher und Historiker fordern deshalb, den Zugang zu den Personenstandsbüchern durch Umsetzung des bereits vorliegenden Gesetzentwurfes zu ermöglichen.