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Sonstige

Buchvorstellung am 30. November 2015 im Bremer Presse-Club: Julius Moses – Ein jüdisches Leben in Deutschland

26.11.2015

Die Gesellschaft für Deutsche Presseforschung zu Bremen e.V. lädt ein zur Präsentation einer neuen Buchveröffentlichung von Holger Böning am Montag, 30. November 2015, um 19.30 Uhr im Bremer Presse-Club (Schnoor 27/28, 28195 Bremen) mit dem Titel "Volksarzt und Prophet des Schreckens - Julius Moses - Ein jüdisches Leben in Deutschland." Die Biographie erzählt das Leben des Arztes und Sozialmediziners Julius Moses. In Posen geboren, kommt er nach dem Studium in Greifswald in die Metropole Berlin. Hier nimmt er im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens am Kampf gegen den im Kaiserreich anwachsenden Antisemitismus teil. 1902 gründet er eine Zeitung, den General-Anzeiger für die gesamten Interessen des Judentums, und einen Verlag, in dem ein von Theodor Herzl angeregtes Illustriertes jüdisches Witzblatt, der Schlemiel, erscheint. Mit den von ihm herausgegebenen deutsch-jüdischen Anthologien, Novellen- und Romansammlungen sowie einem jüdischen Almanach begreift Moses sich als Teil einer jungen und selbstbewussten jüdischen Renaissance. Nirgendwo wird lebendiger über die Herausforderungen diskutiert, denen die deutschen Juden angesichts der längst noch nicht verwirklichten staats-bürgerlichen Gleichheit, zunehmender Judenfeindschaft und der neuen Bewegung des Zionismus gegenüberstehen. Großes Aufsehen erregen Moses‘ publizistische Umfragen zum Zionismus und zur Lösung der Judenfrage.

Im proletarischen Berlin wird Moses zum engagierten Volksarzt. Der von ihm propagierte Gebärstreik führt in Massenversammlungen zu erregten Diskussionen, in denen er sich – gemeinsam mit dem jungen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld –, Rosa Luxemburg und Klara Zetkin gegenübersieht. Er tritt nicht allein für sexuelle Selbstbestimmung ein, sondern auch für ein neues Verhältnis zwischen Arzt und Patient und gegen den "verderblichen Irrglauben gewisser Mediziner", der Arzt stehe über jeder Kritik, "müsse jeden Versuch, ihn kritisch zu beurteilen, als eine Art Majestätsbeleidigung des Standes unbedingt, unter allen Umständen zurückweisen". Jeder wissenschaftliche Fortschritt aber verdanke sich der Kritik. Moses wird in der Weimarer Republik zum wichtigsten Kritiker ärztlicher Menschenversuche.

Angesichts der sozialen Probleme seiner Patienten löst er sich vom politischen Liberalismus und wird noch vor dem Ersten Weltkrieg Sozialdemokrat. Als Kriegsgegner ist er an der Gründung der USPD beteiligt, deren Vorstand er ebenso angehört wie ab 1922 dem der SPD. Von 1920 bis 1932 nimmt er sich als Reichstagsabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion der sozialen Probleme der Arbeiterbevölkerung an, tritt gegen den § 218, dieses "Ausnahmegesetz gegen die Arbeiterfrau", auf und wirbt in einem Geist, der in Deutschland erst in den 1970er Jahren mehrheitsfähig werden sollte, beherzt für Reformen des Gesundheitswesens und des Strafvollzugs.

Schmerzliche Jahre erlebt Julius Moses ab 1933. Nach den Nürnberger Gesetzen darf er nicht mehr mit seiner Lebenspartnerin und dem gemeinsamen Sohn zusammenleben. 1934 notiert er beim Niederschreiben seiner Erinnerungen: "Für die bessre Zeit, die wir nicht sehen werden, die Kinder vorzubereiten und zu stärken, ist meine höchste Aufgabe. Und ich will sie lehren, wie schlecht es den Juden ansteht, andere zu schlagen oder zu unterdrücken."

1942 wird Julius Moses nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Bis in die grausigen Details muss er erleiden, was er drastisch wie kein zweiter vor 1933 an Ausmerzung alles Schwachen, an Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung und an staatlich organisiertem Massenraubmord prophezeit hat. Sein Sohn Kurt Nemitz (* 10. Juli 1925 in Berlin; † 16. Februar 2015 in Bremen) wurde in Bremen Senatsdirektor und Stellvertreter des Wirtschaftssenators. Zwischen 1976 und 1992 war er Präsident der Landeszentralbank. Seit den 1990er-Jahren engagierte er sich für die Erforschung der deutsch-jüdischen Presse und initiierte im Presseforschungsinstitut an der Universität ein eigenes Ressort. Er wurde mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern geehrt.