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Die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation

Rede von Senator Josef Hattig in der Festveranstaltung - "125 Jahre Bremer Lagerhaus-Gesellschaft" im Rathaus

01.02.2002

In der Festveranstaltung „125 Jahre Bremer Lagerhaus-Gesellschaft“ im Rathaus, am Freitag, dem 1. Februar 2002, führte der Senator für Wirtschaft und Häfen, Josef Hattig, in seiner Rede unter anderem aus:

„Herr Aden, Ihnen, Ihren Kollegen und den Eignern meinen herzlichen Glückwunsch.

Der ältere und alte Mensch ist nicht die Wunschvorstellung, jeder will es werden, aber keiner will es sein. Wie anders bei Unternehmen. Ihrem Alter wird applaudiert, zustimmend, mit einem inhaltlichen und respektvollen „Donnerwetter“, so alt, so jung, über so lange Zeit!

Es begann mit der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft. Gegenwart ist die BLG Logistics Group und die Zukunft ist damit im Blickpunkt. Der Zeitsprung, den wir soeben gesehen haben, macht es augenfällig: Der Wandel ist unternehmerische Bedingung, nicht Selbstzweck, sondern Herausforderung. Eine Feststellung im übrigen mit generellem unternehmerischen Anspruch: „Change is the consistency“ sagen die Engländer. Mit der „Globalisierung“ wird dieser Wandel in unseren Tagen auf den Begriff gebracht.

„Mögen täten wir schon, aber dürfen haben wir uns leider nicht getraut“, ironisiert Karl Valentin Entscheidungsschwäche. Die BLG hat sich getraut. Gelegentlich mit Ächzen und Stöhnen, aber immerhin. Dafür spricht schon ihr Lebensalter, dafür spricht - konkreter betrachtet - etwa der in den 90er Jahren vollzogene Systemwechsel, vom klassischen Umschlags- und Lagerbetrieb zum Logistik-Unternehmen, international ausgerichtet. Die Schwierigkeiten dieser Jahre wurden durch eine Kraftanstrengung sondergleichen, aller Beteiligten, erfolgreich überwunden. Shareholder value und Humankapital sind kein Gegensatz, sondern einander zugeordnet. Für die Marktwirtschaft wie auch für die Unternehmen.

Die BLG steht für diese Erkenntnis.

Die Geschichte dieses Unternehmens ist bremische Geschichte, Hafengeschichte, Wirtschaftsgeschichte des Standorts. Das Warum hat eine einfache Antwort: Bremen ist eine Hafenstadt. Die BLG das Herzstück der bremischen Häfen.

Das darf mit Stichworten belegt werden: Die BLG ist das Kernunternehmen der bremischen Häfen.

  • Hafen und hafenbezogene Dienstleistungen in Bremerhaven und Bremen bewirken direkt und indirekt rund 80.000 Arbeitsplätze.
  • Sie ist mit ihren Beteiligungen und ihrem internationalen Engagement Inbegriff für den See- und Universalhafen modernen Typs.
  • Sie steht mit der Container-Tochter Eurogate und der darin liegenden Verbindung zum Partner Eurokai in Hamburg für die Internationalisierung des Hafen- und Logistik-Geschäftes sowie für hafenübergreifende Kooperationen in Norddeutschland und sonst.
  • Sie setzt mit dem geplanten Engagement vom Eurogate als Terminalbetreiber im Tiefwasserhafen Deutsche Bucht neue, wichtige Akzente.
  • Sie kann darauf verweisen, daß der Umschlag bei Eurogate und North Sea Terminal Bremerhaven (NTB) am Terminal „Wilhelm Kaisen“ seit Jahren stärker wächst als im Durchschnitt der Hamburg-Antwerpen-Range.
  • Sie ist mit der BLG Automobile Logistics mit rund 1,2 Mio umgeschlagener Fahrzeuge in Bremerhaven pro Jahr einer der weltweit führenden Aubomobil-Logistiker.
  • Die BLG bestätigt für den Standort, daß Logistik eine Zukunftsbranche ist und bewirkt maritime Identität in Bremen und Bremerhaven.

Ich belasse es bei den Stichworten. In den langen Jahren seit Ihrer Gründung hat die BLG die Städte Bremen und Bremerhaven, die Ökonomie und die Häfen an der Weser
- mitgeformt,
- geprägt,
- belebt
- und verändert.

Der Hafen die Ursache, die BLG kompetente Wirkung.

Die Geschichte der Freien Hansestadt Bremen ist seit über 1.200 Jahren vom Handel geprägt. „Bremen ist eine von den Hanse-Städten, an der Weser gelegen, schön und herrlich gebaut und sowohl aus der Kunst als von Natur fest. Ernährt und bereichert sich vom Kauf, Handel und weiten Schifffahrten“, schrieb ein Melchior Braun im Jahre 1588. Die „weiten Schifffahrten“ brachten Geld in die Stadt. Gerade die Produkte, die nur durch besondere Handelsbeziehungen zu bekommen waren, ließen sich mit gutem Gewinn weiterverkaufen. Was Wunder, daß hanseatische Kaufleute bremischer Couleur auch Pfeffersäcke genannt wurden. Wohl mit Grund:

Der Pfeffer machte reich und die Hände nicht schmutzig. Der Kaffee erblickte erst später das Licht der Welt, der hanseatische Pfeffersack wäre sonst wohl ein Kaffeesack.

Häfen und Schiffe machen weltoffen. Hanseatische Kaufleute haben also weite Horizonte, Pfeffersack hin oder her. Und Schiffe haben es sogar zur umfassenden metaphorischen Qualität geschafft. Kapitäne steuern ihre Schiffe zielsicher in den Hafen. Die BLG Logistics Group befindet sich auch metaphorisch in einem guten Umfeld. Über Staatsschiffe und ihre Kapitäne nachzudenken will ich mir versagen. Ich möchte die Metaphorik für die BLG uneingeschränkt positiv besetzt lassen.

Der „Pfeffersack“ reizt natürlich zum nachbarlichen Blick über den Zaun.

Die Hamburger waren schon seit 1241 in der Hanse, die Bremer kamen erst 1358.

Wir sind vorsichtige Leute. Das bedeutet aber doch nur, daß sie, die Hamburger, die älteren hanseatischen Pfeffersäcke sind. Dafür ergatterten die Bremer bereits 1646 ihr Linzer Diplom, während Hamburg die endgültige Anerkennung seiner Reichsstandschaft erst 1769 erlangte. Das wir für unser Freiheitsdiplom einen großen Batzen Bargeld auf den Tisch legen mußten, übergehe ich großzügig.

Zumindest waren wir damals reich oder kreditwürdig oder beides.

Betrachtet man die jüngere Hafengeschichte, so sind zwei markante Daten zu nennen. Das Jahr 1827 und das Jahr 1888. 1827 erwirbt Bremen 84 Hektar Land nördlich der Geeste vom Königreich Hannover und beginnt mit dem Bau eines Hafens.

Bremens Bürgermeister Smidt, der visionäre Stadtgründer, legte damals den Grundstein zum heutigen Welthafen. Die visionäre und gewagte Idee wurde eine große Erfolgsgeschichte.

Kinder werden eigenständig, eigenwillig. Wer wollte das Bremerhaven absprechen. Und Kinder, sagt der Volksmund, sind auch ein teures Vergnügen. Auch das trifft zu. CT IIIa gegenwärtig und CT IV geplant, also eine Kajenverlängerung von rund 2.000 Metern, belegen es. Ich beeile mich aber hinzuzufügen, daß das Vergnügen überwiegt und daß das Teure seine ökonomische Rationalität besitzt.

Ein kluger Kopf war auch der Ingenieur Ludwig Franzius, der 1887 im Auftrag Bremens die Weserkorrektion einleitete. Die Dampfschiffe, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Segler verdrängten, brauchten mehr Wasser unter dem Kiel. Und so blieben Bremerhaven und Bremen erreichbare miteinander verbundene Häfen, bis auf den heutigen Tag. Was wären wir ohne Bremerhaven, ohne Franzius. Vielleicht, wahrscheinlich mit Brügge verwandt.

Mit einem weiteren markanten Datum beginnt die Zeitrechnung der BLG und führt uns heute zu diesem Jubiläum zusammen.

1877 gründen Bremer Kaufleute die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft, die im Sicherheitshafen, dem heutigen Hohentorshafen den Umschlag aufnimmt.

Ein Seitenblick sei erlaubt. Während die Hanseaten das Fundament für ein neues Hafenunternehmen legen, macht Thomas Alva Edison eine bahnbrechende Erfindung. Er entwickelt eine Sprechmaschine, den „Phonographen“.

Edison gehörte zu den genialsten Köpfen seiner Zeit, die Schule hat er nur drei Monate lang (!) besucht. Natürlich ist ein solcher Ausnahmekopf nicht die Regel, auch nicht Anlaß, die Schule abzuschaffen. Gleichwohl ist es seit der „Pisa-Studie“ auch in unseren Tagen aktenkundig, daß selbst langjährige Schulbesuche nicht zwangsläufig kluge Köpfe hervorbringen.

Im 20. Jahrhundert überlebt die BLG
- das Kaiserreich,
- den Ersten Weltkrieg,
- die Weimarer Republik und die große Depression der Weltwirtschaft,
- die Nazi-Diktatur und
- den Zweiten Weltkrieg, der unsere Häfen in Schutt und Asche legte.

Danach wurden auch in Bremen und Bremerhaven, wie man so sagt, die Ärmel aufgekrempelt. Der Neuaufbau und die Jahre des sogenannten Wirtschaftswunders.

Die Jugend tanzt Rock’n’Roll und feiert Elvis Presley, der in Bremerhaven an Land geht, um in Deutschland seinen Militärdienst abzuleisten.

Die Röcke der Damen zu dieser Zeit waren „Mini“, die Umsätze der BLG entwickelten sich „Maxi“.

Und erneut wartet auf Bremens Häfen und die BLG in den 60er Jahren eine große strukturelle Herausforderung: Der Container ist da. Die Revolution in der Stückgutschifffahrt nimmt ihren Lauf, als MS „Fairland“ 1966 im Überseehafen die ersten genormten Transportboxen löscht.

BLG und der Senat, allen voran der damalige Hafensenator Bortscheller, erkennen die großen Chancen des Boxen-Umschlags. Im Hafen gehen die Zeiten der Sackkarre zu Ende. In Bremerhaven wird der Container-Terminal „Wilhelm Kaisen“ gebaut, mit einer Stromkaje, die im Laufe der Jahrzehnte zur längsten Kaje der Welt avanciert.

Häfen kosten Geld, ein so simpler wie inhaltsschwerer Satz. Solche Investitionen allein ausschließlich durch Unternehmen und Unternehmer finanzieren zu lassen, ist Wunschtraum der Politiker, aber Träume enden bekanntlich mit dem Aufwachen. Häfen sind nicht nur Betriebswirtschaft, sondern auch Strukturpolitik.

Eine Feststellung, kein Versprechen für insoweit immer hörbereite unternehmerische Ohren. Wie hat es doch Arnold Duckwitz, der große Bremer Bürgermeister nach Johann Smidt vor ca. 150 Jahren formuliert: „Die Staatsschulden betragen nun zwar über 12 Mio Thaler, aber, es sind dafür wertvolle Anlagen geschaffen zum Nutzen des Handels und der Schifffahrt.“ Allenfalls tröstlich zu sehen, daß auch aktuelle Probleme ihre Urahnen haben.

Die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft AG hat ihre Eigner, die Aktionäre. Mehrheitsaktionär ist die Stadt Bremen. Dies hat historische und wirtschaftliche Gründe. Die wirtschaftlichen werden durch das notwendige Zusammenwirken von Betriebswirtschaft und Strukturpolitik verdeutlicht. Daraus folgt aber nicht des Gedankens Blässe: Die BLG Logistics Group ist ein privatwirtschaftliches und damit marktorientiertes Unternehmen und wird mit dieser Zielsetzung geführt.

Politik und Wirtschaft sind zwei unabhängige Größen, die sich, wenn notwendig, abstimmen, aber nicht wechselseitig ersetzen.

Wie gesagt, „Change is the consistency“, die Erfolgsgeschichte der BLG wird fortgesetzt. In den 90er Jahren wird der Systemwechsel eingeleitet und 1998 abgeschlossen: Die BLG vom klassischen Umschlags- und Lagerbetrieb zur BLG Logistics Group, zum Logistikunternehmen mit internationaler Blickrichtung.

Und mit dieser Blickrichtung kommt es 1999 zum Container-Gemeinschaftsunternehmen Eurogate. Eurokai, ein gewichtiges Hamburger Hafenunternehmen, und die BLG verbinden sich in der Tochter Eurogate zum gemeinsamen Containergeschäft. Mit Hafenstützpunkten in Europa und rund

7 Mio TEU’s ein Ausrufungszeichen zur wirtschaftlichen Einsicht und zur unternehmerischen wie politischen Gestaltungsfähigkeit. Der Glaube versetzt Berge lehrt die Metaphorik. Mangels solcher in Norddeutschland mag das Bild zumindest einen Hinweis auf die Intensität der glaubenden Visionäre geben.

Wie hoch die Berge sind oder sein müssen, um die Glaubensintensität für Wilhelmshaven zu verdeutlichen, lasse ich offen.

Vergangenheit und Gegenwart sind immer auch Vorgaben für die Zukunft.

„Zukunft gestalten“ heißt es in der Einladung. Lassen Sie mich also einen heiter-entschlossenen Blick nach vorne tun.

Frühjahr 2002: Der Bremer Senat trifft die letzten Entscheidungen zum Bau des Container-Terminal IV.

2003: Der Bremer Senat lädt den Bundeskanzler ein, den neuen Liegeplatz -Container-Terminal IIIa - einzuweihen.

Spontan entschließt sich der Bundeskanzler zum Kauf einer Zweitwohnung in Weddewarden.

2006/2007: Container-Terminal IV ist in Betrieb und verdeutlicht unternehmerische Vitalität und bremische Hafenzukunft.

2009: Der Tiefwasserhafen Deutsche Bucht, ein Gemeinschaftsprojekt der Länder Niedersachsen, Bremen und Hamburg wird in Betrieb genommen.

Die Festreden sind, wie üblich, sehr weihevoll. Bürgermeister a.D. Dr. Scherf und Senator a.D. Hattig sind auch eingeladen worden.

Die BLG gestern und die BLG Logistics Group heute lassen nach Geschichte und Perspektive so mancherlei Betrachtung zu. Aber Reflexionen erlauben den eigenwilligen Blick und kurze Reden vermeiden lange Gesichter.

Deswegen: Der BLG Logistics Group eine gute, eine fröhliche Zukunft.

Mit Wilhelm Busch:
Die Welt, das läßt sich nicht bestreiten,
hat ihre angenehmen Seiten
und wird auch wohl so bald nicht untergehen.“