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Die Senatorin für Justiz und Verfassung

Bürgermeister Jens Böhrnsen spricht zum Wechsel am Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen

23.11.2005

Rede von Justizsenator Bürgermeister Jens Böhrnsen zur heutigen (23. November 2005) Verabschiedung des scheidenden Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, Dr. Jörg Bewersdorf und der Amtseinführung seines Nachfolgers Wolfgang Arenhövel.

- Es gilt das gesprochene Wort! -


„Sehr geehrter Herr Dr. Bewersdorf,
sehr geehrter Herr Arenhövel,
meine Damen und Herren,


Ich begrüße Sie in dieser schönsten Halle Bremens, der Oberen Rathaushalle.


Dass wir den Wechsel an der Spitze des Hanseatischen Oberlandesgerichts gerade hier feiern, hat seinen guten Grund.


Die Obere Rathaushalle war einst der Ort, an dem der Senat zusammenkam, wenn er als Gericht amtierte. Dort hinten, unter dem großen Bild des Salomonischen Urteils, sprach er Recht.


Das ist vorbei, seitdem unter dem Eindruck der Revolution von 1848 auch in Bremen die Teilung der Gewalten Einzug hielt. Aber diese Halle und dieses Rathaus bewahren ihre Tradition als Ort, an dem über Jahrhunderte Recht gesprochen wurde. Niemand hat in jüngerer Zeit an diese Tradition mehr erinnert als unser ehemaliger Bürgermeister Henning Scherf. Bei seinen legendären Führungen durch „sein“ Rathaus hat er gerade unter dem Bild vom Salomonischen Urteil Station gemacht und seinen Sinn erklärt.


Ich begrüße herzlich in unserer Mitte Henning Scherf. Ich begrüße ihn ganz besonders als meinen Vorgänger im Amt des Senators für Justiz und Verfassung. Ich habe das Amt nach reiflicher Überlegung übernommen. Ich kenne die Einwände, die eine Personalunion von Präsident des Senats und Justizsenator kritisch sehen. Ich nehme diese Einwände ernst. Aber: Nicht zuletzt die Amtsführung von Henning Scherf hat solche Befürchtungen widerlegt. Ich werde in meiner Amtsführung alles dafür tun, dass es dabei bleibt, und ich füge hinzu: Ich habe das Amt gern übernommen. Dass Henning Scherf heute hier ist, hat eine besondere Logik. Der Amtswechsel, den wir heute offiziell vollziehen, wäre eigentlich seine Sache.


Wir verabschieden mit Herrn Dr. Bewersdorf einen Präsidenten, den Henning Scherf 1992 in dieses Amt berufen hat. Und wir führen einen Präsidenten ein, den er in einer seiner letzten Personalentscheidungen dem Senat zur Ernennung vorgeschlagen hat.


Henning Scherfs Rücktritt aus dem Senat verhindert, dass er selbst heute hier den Amtswechsel vollzieht. Ich verstehe seine Anwesenheit als Zeichen der Verbundenheit mit seinem alten Ressort Justiz und Verfassung.


Sie, Herr Dr. Bewersdorf, haben der Freien Hansestadt Bremen über 35 Jahre als Richter gedient. Ihre Karriere begann im Januar 1970 als Gerichtsassessor am Landgericht. Sie wurden bald Amtsrichter und Landrichter. 1975 und 1976 haben Sie Erfahrungen im Bundesministerium der Justiz in Bonn gesammelt. Bald nach Ihrer Rückkehr wurden Sie Vizepräsident des Amtsgerichts Bremen. 1987 wurde Ihnen das Amt eines Vorsitzenden Richters am Hanseatischen Oberlandesgericht übertragen. Seit August 1992 waren Sie dessen Präsident und damit Präsident des kleinsten und jüngsten Oberlandesgerichts der alten Bundesländer.


Es war Ihnen vor einigen Jahren vergönnt, den 50. Jahrestag der Gründung des Gerichts zu feiern. Übrigens hier in dieser Halle. Dass Sie sich dabei den weniger hellen Seiten der Geschichte des Gerichts gestellt haben, ehrt Sie.


Mit Ihrer Ernennung galten Sie als der höchste Richter Bremens, der nach dem Willen der Landesverfassung kraft Amtes geborenes Mitglied des Staatsgerichtshofs war. Seitdem der Status des geborenen Mitglieds – wohlgemerkt nicht der des höchsten Richters Bremens ! - auf den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts übergegangen ist, sind Sie von der Bürgerschaft zum Richter des Staatsgerichtshofs gewählt worden. Ich freue mich, dass Sie bis zum Ablauf der Wahlperiode Richter des Staatsgerichtshofs bleiben wollen.


Als Präsident des Oberlandesgerichts waren Sie nicht nur ein herausragender Richter. Als Vorsitzender des Justizprüfungsamtes und als Leiter der Ausbildung der Referendare haben Sie die Höhen und Tiefen der Reform der Juristenausbildung miterlebt und mitgestaltet. Sie haben sich auch zu beschäftigen gehabt mit den Problemen der Verteilung knapper Ressourcen. Das war oft ein undankbares Geschäft. Besonders bei der Verteilung der in Bremen ganz besonders knappen Ressource Personal.


Da ist es fast unmöglich, alle Beteiligten im Zustand gleichmäßig temperierter Unzufriedenheit zu halten. Ich danke Ihnen sehr dafür, dass Sie in diesem schwierigen Geschäft die widerstreitenden Interessen ausgehalten, manches Mal ertragen und letztlich zum Ausgleich gebracht haben. Ich danke Ihnen auch für die Loyalität, mit der Sie geholfen haben, das neue System der Richterauswahl zu etablieren.


Das war nicht selbstverständlich, denn das Neue an dem System lag darin, dass der früher starke Einfluss des Präsidenten auf Einstellungen und Beförderungen etwas zurück genommen worden ist. Die Vorschläge an den Senator macht jetzt eine Kommission. Der Präsident führt zwar den Vorsitz. Aber er hat doch nur eine Stimme. Das System ist – nicht nur in der ordentlichen Gerichtsbarkeit – etabliert und bewährt. Dass es so gekommen ist, ist mit Ihr Verdienst.


Ich kann nicht alle Ihre Verdienste aufzählen. Ich kann Ihnen nur insgesamt danken für Ihre Tätigkeit in der Justiz unseres Landes. Vor allem aber für die 13 Jahre, die Sie an der Spitze des Oberlandesgerichts standen. Ich wünsche Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Bewersdorf, einen guten Ruhestand zwischen Bremen und Berlin.


Sie, Herr Arenhövel, heiße ich sehr herzlich willkommen in der Justiz der Freien Hansestadt Bremen.


Wir haben Sie aus Niedersachsen abgeworben. Allerdings hat sich Ihr bisheriges richterliches Berufsleben nahe ‚umzu’ abgespielt: Sie waren unter anderem Richter am Oberlandesgericht in Oldenburg. Sie waren Präsident der Landgerichte in Verden und Osnabrück. Fast können wir Sie als Bremer gelten lassen. Wie viele Bremer haben Sie im niedersächsischen Umland Wohnung genommen.


Wir erwarten viel von Ihnen. Ich glaube, das dürfen wir auch. Uns hat beeindruckt, wie sich in Ihrer Person eine herausragende Befähigung zum Richteramt verbunden hat mit Kompetenzen, die heute unerlässlich sind, wenn man ein Spitzenamt in der Justiz ausfüllen will. Wir haben von vielen Seiten Ihre Fähigkeit rühmen hören, Ihre Mitarbeiter zu führen, sie durch Ihr eigenes Vorbild zu motivieren und mitzureißen. Ein Beispiel für persönlichen Einsatz haben Sie schon gegeben. Übrigens auf einem Feld, dem zu unserer Freude Ihr besonderes Interesse gilt: Der Ausbildung des juristischen Nachwuchses.


Sofort nach Amtsantritt waren Sie bereit, Mitglied des Gemeinsamen Prüfungsamtes in Hamburg zu werden. Obwohl Sie noch gar nicht ernannt sind, haben Sie schon an der jährlichen Prüferbesprechung in Hamburg teilgenommen. Ihre Berufung zum Vorsitzenden einer Prüfungskommission wird nicht lange auf sich warten lassen. Ich bitte alle, sich an dieser Dynamik ein Beispiel zu nehmen: Ausbilder und Prüfer werden immer gesucht und Juristenausbildung ist eine Investition in die Zukunft von Justiz, Verwaltung und Anwaltschaft.


Den Vorsitz im Justizprüfungsamt haben Sie schon übernommen. Als Leiter der Ausbildung der Referendare warten wichtige Aufgaben auf Sie. In Bremen ausgebildete Referendare sollten bei der Prüfung in Hamburg nicht weniger gut abschneiden als Referendare aus Hamburg oder Schleswig-Holstein.


Ganz besonders gefordert sein werden Ihre Fähigkeiten bei der Modernisierung der Rechtspflege. Wir müssen weiterführen, was wir begonnen haben. Wir wollen nicht nur mit Ihrer Hilfe den Einsatz moderner Technik weiter voranbringen. Wir wollen den Einsatz unserer knappen Ressourcen durch organisatorische Maßnahmen weiter optimieren. Hier öffnet sich Ihrer Tätigkeit ein weites Feld. Bitte bringen Sie die Erfahrungen ein, die Sie in Ihren Führungspositionen in Niedersachsen erworben haben. Ich wünsche Ihnen dabei eine glückliche Hand.


Bei jedem Schritt in Richtung zu einer erneuerten Justiz muss uns in Bremen bewusst sein: Wir sind in einer mehr als schwierigen Haushaltslage. Wir müssen sanieren. Das bedeutet: Geld wird knapp bleiben.


Darüber kann man lange klagen. Besser wäre es, wenn wir die Chance sehen, die uns der Zwang zu Veränderungen unter den Bedingungen der Sanierung bietet. Die Knappheit der Ressourcen muss uns anstacheln, weniger aufwendige Lösungen zu erdenken – bei der Organisation der Abläufe, bei der Gestaltung der eigenen Arbeit, wo nötig bei der Gestaltung der rechtlichen Grundlagen. Das geht – davon bin ich überzeugt.


Wichtig ist, dass die Männer und Frauen in der Justiz diesen Prozess der fortgesetzten Erneuerung mittragen. Sie werden schon gemerkt haben, Herr Arenhövel: Viele Kolleginnen und Kollegen in der bremischen Justiz sind auf dem Weg der Veränderungen. Es gibt ein großes Potenzial an Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Ich erwähne nur beispielhaft die IUK–Projekte unserer Amtsgerichte sowie das Projekt Personalentwicklung des Landgerichts.


Auf all dem können Sie aufbauen. Und Sie können – und das erwarten wir – Neues beginnen. In Kooperation mit allen Beteiligten in Ihrem Geschäftsbereich und mit den Kolleginnen und Kollegen aus meiner Behörde. Dabei werde ich Sie unterstützen.


Sehr geehrter Herr Arenhövel,


dass Bremen einen Richter aus Niedersachsen an die Spitze eines bremischen Gerichtszweigs stellt, ist nichts grundlegend Neues. Die Präsidentin des Gemeinsamen Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Frau Paulat, beweist zum Vorteil beider Länder das Gegenteil. Das ist kein Zufall. Wir öffnen uns. Wir wissen, dass wir aus eigener Kraft viel, aber nicht das Ganze erreichen können. Wir sind auf Männer und Frauen angewiesen, die zu uns kommen und ihre Erfahrung und ihre Sichtweise einbringen.


Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Sie der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes sind. Ich hoffe deshalb nicht nur darauf, dass Sie all Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zum Wohl der Justiz dieses Landes einsetzen. Ich verspreche mir auch, mit Ihnen in einen rechtspolitischen Dialog zu kommen. Mir liegt nämlich daran, dass Bremens Stimme im Konzert der rechtspolitischen Meinungen artikuliert wird. Das setzt das Gespräch zwischen allen Interessierten voraus. Dazu bin ich bereit. Themen gibt es genug.


In diesem Sinne: herzlich willkommen in Bremen und alles Gute in Ihrem Amt!“