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Der Senator für Inneres und Sport

Zahl extremistischer Straftaten geht im Land Bremen zurück

02.04.2003

Innensenator Dr. Kuno Böse stellt erstmals Verfassungsschutzbericht vor –
Landesamt für Verfassungsschutz personell aufgestockt – Gefahr durch Islamisten

Bremens Senator für Inneres, Kultur und Sport, Dr. Kuno Böse, hat am Mittwoch (2.4.2003) den Verfassungsschutzbericht 2002 des Landes Bremen öffentlich vorgestellt. Demnach gingen die Straftaten mit rechts-, links- oder ausländerextremistischer Motivation im vergleich zum Vorjahr zurück. Der in Bremen erkennbare rückläufige Trend entspricht auch der bundesweit zu beobachtenden Entwicklung. Zugleich stieg die Beobachtungsintensität im Bereich des Islamismus. Die Welle weltweiter Terroranschläge mit islamistischem Täterhintergrund haben die Aufklärung fundamentalistischer Organisationen des Islam und die Beobachtung von Einzelpersonen dieses Spektrums weiterhin in die vordere Linie gerückt. Auch die gegen den Kernbereich des Grundgesetzes gerichteten Bestrebungen rechtsextremistischer Organisationen wie auch Aktionen autonomer linksextremistischer Gruppen erfordern eine stetige und hohe Beobachtungsintensität. Der 88 Seiten starke Bericht, der erstmals in dieser Form herausgegeben wurde, enthält Aussagen zum gesamten Aufgabenspektrum des Landesamtes für Verfassungsschutz und ist als Broschüre erhältlich sowie im Internet recherchierbar.


„Aufklärung durch Öffentlichkeitsarbeit ist entscheidend, damit Extremismus jeglicher Prägungen nachhaltig bekämpft werden kann; als Baustein für praktizierte wehrhafte Demokratie“, betonte der Innensenator. Mit Blick auf die Diskussion im vergangenen Jahr um Milli Görüs und die Fatih-Moschee in Bremen erklärte Dr. Böse: „Ich bin für einen Dialog der Kulturen und der Religionen, gerade nach dem 11. September. Aber es wäre verantwortungslos, wenn dieser Dialog auf Verharmlosung von Extremisten fußt.“

Der Auftrag, unseren demokratischen Rechtsstaat zu schützen, ist nicht nur Aufgabe staatlicher Behörden, so der Senator weiter, sondern hier sei jeder einzelne Bürger bei der geistig-politischen Auseinandersetzung mit den Gegnern der Demokratie gefordert. Der Verfassungsschutzbericht soll der Information interessierter Bürger über die politischen Ziele und Aktivitäten extremistischer Gruppierungen dienen, aber auch die Gefahren darstellen. „Es darf auch im Zusammenhang mit einzelnen spektakulären Themen nicht aus den Augen verloren werden, dass alle Extremismusbereiche mit den gebotenen und zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden müssen. Von allen Extremismusbereichen gehen in gleichem Maße Gefahren für den Staat oder seine Interessen aus.“ sagte Dr. Böse.


„Der 11. September 2001, der Tag der furchtbaren Terroranschläge in den USA, hat eine neue Qualität der Bedrohung und der Angst unter den Menschen entstehen lassen. Den Bürgern unseres Landes wurde durch die menschenverachtenden Angriffe islamistischer Terroristen vor Augen geführt, wie brüchig und gefährdet unsere vermeintliche Sicherheit ist“, so der Senator weiter. „Dass einige Terroristen zuvor jahrelang unauffällig in Deutschland gelebt haben, belegt, dass Deutschland nicht nur als Ruhe-, sondern auch als Vorbereitungsraum für terroristische Anschläge diente. Als Folge davon wurden in zahlreichen Bundes- und Ländergesetzen Vorkehrungen getroffen, die nicht nur besser gegen terroristische Angriffe wappnen sollen, sondern auch grundlegend die Beobachtung und Erkenntnisgewinnung im Bereich des Internationalen Terrorismus verbessern.

Vor diesem Hintergrund ist auch in Bremen die Handlungsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz im Bereich der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus deutlich verstärkt worden. So erfolgte neben der Verbesserung der technischen Ausstattung auch eine Personalaufstockung von 33 auf insgesamt 45 Mitarbeiter, darunter einen ausgewiesenen Islam-Wissenschaftler. Senator Dr. Böse: „Mit Islam-Experten können wir die Fassade, die viele islamistische Organisationen aufgebaut haben, durchdringen. Öffentliche Erklärungen dieser Gruppen klingen oft harmlos. Erst, wenn man den religiösen und kulturellen Hintergrund kennt, können sie richtig gedeutet werden.“


Rechtsextremismus

Im Bereich des Rechtsextremismus ist für die entsprechenden Parteien im Jahre 2002 ein starker Bedeutungsverlust zu verzeichnen. Dies spiegelt sich sowohl in rückläufigen Mitgliederzahlen als auch Wahlergebnissen wieder. Bei der Bundestagswahl 2002 konnten die NPD und die REP auch nicht vom Kandidaturverzicht der seit mehr als einem Jahrzehnt in Bremen relativ starken DVU profitieren. Im Lande Bremen waren Aktivitäten der drei rechtsextremistischen Parteien (DVU, NPD, REP) mit einer nennenswerten Außenwirkung nicht zu konstatieren, von wenigen Wahlkampfauftritten der NPD abgesehen.

Straftaten, insbesondere Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund, sind gegenüber dem Vorjahr rückläufig. Die Zahl der Straftaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremistischer Motivation ist von 183 im Jahre 2001 auf 132 im Jahre 2002 gesunken. Der absolute Schwerpunkt lag hier bei Propagandadelikten (z.B. Hakenkreuzschmierereien) mit 82 Fällen.


Linksextremismus

Ebenfalls einem rückläufigen Trend folgen Straftaten mit erwiesener oder vermuteter linksextremistischer Motivation. Im Jahre 2002 wurden 60 Delikte verzeichnet; im Jahr davor waren es noch 101 Fälle.

Die linksextremistisch ausgerichtete autonome Szene Bremens hatte ihre Hauptaktionsfelder in der Störung von Wahlkampfaktivitäten insbesondere der rechtsextremistischen NPD und im Protest gegen ausländerrechtliche Maßnahmen der Exekutive. Ansätze für linksextremistisch motivierte terroristische Aktivitäten waren im Lande Bremen nicht erkennbar.

Die für die PDS verheerend gelaufene Bundestagswahl und parteiinterne Grabenkämpfe führten dazu, dass diese Partei derzeit eine eher unbedeutende Rolle in der politischen Parteienlandschaft Deutschlands insgesamt und auch in Bremen einnimmt.


Ausländerextremismus

Im Bereich sicherheitsgefährdender und extremistischer Bestrebungen von Ausländern sind im Jahre 2002 in Bremen zwar 20 Straftaten (33 im Jahr zuvor), jedoch keine Gewalttaten zu verzeichnen. Gruppierungen oder Einzelpersonen mit anschlagsrelevantem Hintergrund oder Kontakten sind im extremistischen bzw. sicherheitsgefährdenden Ausländerbereich für das Jahr 2002 nicht festgestellt worden.

Die mitgliederstärkste extremistische Ausländerorganisation im Lande Bremen ist die islamisch-fundamentalistische IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüs), die bundesweit ca. 26.500 Mitglieder zählt (Land Bremen: ca. 800 Mitglieder). Die IGMG strebt die Abschaffung der laizistischen Staatsordnung in der Türkei und die Einführung einer islamischen Staats- und Gesellschaftsordnung an. Die streng zentralistisch geführte Milli Görüs will in Deutschland eine an islamischen Dogmen der Scharia ausgerichtete Parallelgesellschaft aufbauen und die hier lebenden Muslime aus der pluralistischen Gesellschaftsordnung herauslösen. Nach einer weltweiten Welle islamistischer Terroranschläge hat die Organisation ihre antisemitische und vor allem israelfeindliche Propaganda stark reduziert und folgt strikt der Anweisung ihrer Zentrale, sich jeglicher politisch-agitatorischer Aktivitäten zu enthalten und sich um ein rechtlich nicht angreifbares Erscheinungsbild zu bemühen. Die durch die Ereignisse der zurückliegenden Monate verstärkte Beobachtung des Islamismus und die in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen über das Verhältnis des Islam zur Demokratie haben die IGMG stark verunsichert, offensichtlich die Anhängerschaft reduziert und zu einem Rückgang finanzieller Zuwendungen geführt.

Die in der Bundesrepublik seit 1993 verbotene kurdische PKK hat ihren so genannten Friedenskurs fortgesetzt und zur Bekräftigung ihrer Linie eine Namensänderung in KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans) vorgenommen. Die Organisation ist weiterhin streng auf ihren in der Türkei inhaftierten Führer ausgerichtet.


Links-, Rechts- und Ausländerextremisten unisono gegen USA und Irak-Krieg

Im Vorfeld des Irak-Kriegs hatte Al-Qaida Drohungen ausgesprochen, aus denen sich eine Gefährdung israelischer, jüdischer, amerikanischer oder britischer Einrichtungen auf deutschem Boden befürchten ließ. Trotz der angespannten Sicherheitslage seit Beginn der US-Intervention liegen dem Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen derzeit keine Hinweise auf konkrete Gefährdungen vor. Linksextremistische, rechtsextremistische und ausländische Gruppierungen jeglicher Ausrichtung lehnen den Krieg gegen den Irak unisono ab. Dabei agieren sie mit unterschiedlicher Intensität, jedoch bislang gewaltfrei.

Autonome Linksextremisten und die PDS beteiligten sich an den Demonstrationen, die vom Bremer Friedensforum angemeldet worden sind, wobei es zu vereinzelten Störaktionen seitens der Autonomen gegen andere Teilnehmer kam. Rechtsextremisten aus der neonazistischen Kameradschaft haben sich mit Klebeaktionen in Bremen gegen den Krieg gestellt und sich an rechtsextremistischen Antikriegsdemonstrationen in Hamburg beteiligt. Den Mitgliedern der DVU ist von ihrem Bundesvorsitzenden eine Beteiligung an den örtlichen Großdemonstrationen nahegelegt worden. In Bremen ist eine Befolgung dieses Aufrufs nicht beobachtet worden.

Im Bereich des Ausländerextremismus beteiligten sich Linksextremisten türkischer Organisationen ebenfalls vereinzelt an großen Friedensdemonstrationen. Das gleiche gilt auch für die IGMG. Die KADEK, ehemals PKK, hat ihre Ablehnung zum Irak-Krieg bei Newroz-Veranstaltungen gewaltfrei zum Ausdruck gebracht. Ein von der KADEK erwarteter Einmarsch türkischer Truppen in den Nordirak ist bisher unterblieben. Falls es jedoch zu massivem militärischen Eingreifen der Türkei im Nordirak käme, kann dies Aggressionen bei den Kurden hierzulande hervorrufen. Bisher sind befürchtete Konfrontationen zwischen KADEK und türkischen Organisationen bzw. Einrichtungen ausgeblieben. In den 90er Jahren hatte die PKK in Deutschland mit teilweise gewalttätigen Demonstrationen gegen die Situation von in der östlichen Türkei lebenden Kurden hingewiesen.


Der neue Verfassungsschutzbericht 2002 für das Land Bremen ist als A5-Broschüre aufgelegt worden und ab sofort auch im Internet unter www.bremen.de/innensenator abrufbar.