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Senatskanzlei

Harry Callan zu Ehren – "Oberschule an der Egge" nennt Gedächtnislauf um

23.04.2015

Jeden Tag liefen tausende Zwangsarbeiter für den U-Boot-Bunker "Valentin" diesen Weg. Seit 2006 erinnern Schülerinnen und Schüler der "Oberschule an der Egge" am Jahrestag der Befreiung, dem 26. April 1945, mit einem "Gedächtnislauf" an die Befreiung und die Leiden derjenigen, die am Bau unter unmenschlichen Bedingungen mitwirken mussten. Fünf Kilometer ist die Strecke lang, die vom Bunker über die Lagerstraße bis auf das Gelände der Kaserne in Schwanewede führt. Hier und in Neuenkirchen waren die Zwangsarbeiter untergebracht. Einer von ihnen war der aus Irland stammende Harry Callan.

Erst vor einigen Jahren, ausgelöst durch die Trauer um seine verstorbene Frau, fühlte Callan sich imstande mit seiner Familie über die Zeit in Farge sprechen. Jedes Jahr im April reist er seitdem mit Angehörigen nach Bremen und gedenkt in einer privaten Zeremonie am Mahnmal vor dem Bunker "Valentin" seiner toten Kameraden und der Befreiung.
Mehrfach feuerte er bei dieser Gelegenheit die jungen Menschen beim Lauf an und übernahm im Vorjahr die Patenschaft für den "Gedächtnislauf". Zum 70. Jahrestag der Befreiung soll der Lauf nun seinen Namen tragen.

Der 92-Jährige engagiert sich als Zeitzeuge für die Geschichte des "Bunker Valentin", um Lebens- und Arbeitsbedingungen auf der Baustelle bekannt zu machen und um in der Begegnung mit Schülerinnen und Schülern über seine Geschichte zu sprechen und zu mahnen. In diesem Jahr wollen die Schüler_innen Mr. Callans mutiges Engagement nun mit der Umbenennung des Gedächtnislaufes ehren.

Der "Gedächtnislauf" geht auf eine Initiative des Fachbereiches Sport der "Oberschule an der Egge" zurück. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich bei der Planung und Durchführung der Veranstaltung mit den Möglichkeiten des Sports auseinandersetzen, auf gesellschaftliche, historische und politische Themen hinweisen und diese kritisch hinterfragen.

Einladungen für die Pressevertreter/innen:
Der Lauf startet in Anwesenheit von Harry Callan am Samstag, 25. April 2015, gegen 11.30 Uhr am Denkmal vor dem Bunker "Valentin" nach einer feierlichen Kranzniederlegung.

Interessierte Journalisten können zuvor an einem Zeitzeugengespräch zusammen mit den Schülerinnen und Schülern der "Oberschule an der Egge" im Projektzentrum des "Denkort Bunker Valentin" teilnehmen. Diese Veranstaltung beginnt bereits um 10 Uhr. Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig.

Ansprechpartner der Presse vor Ort: Dr. Marcus Meyer.

Veranstaltungsort und Kontakt:
Landeszentrale für politische Bildung
Referat Denkort Bunker Valentin
Rekumer Siel, 28777 Bremen
Telefon 0421-696 73 67 0
Kontakt zur Schule:
Ingo Schiller, Oberschule an der Egge
Telefon 0421-361 79 151

Historischer Hintergrund / Biographie
Der Bunker Valentin in Bremen-Farge war eines der größten Rüstungsprojekte des nationalsozialischen Deutschland. Von 1943 bis 1945 arbeiteten viele tausende Zwangsarbeiter aus ganz Europa auf der Bunkerbaustelle.

Harry Callan wurde 1923 in Derry, in der britischen Provinz Nordirland, geboren. Nach seiner Schulausbildung verdiente er sein Geld in der Schifffahrt. Als 17-Jähriger geriet er 1941 in deutsche Gefangenschaft. Er war Hilfskoch an Bord des britischen Fracht- und Passagierschiffes "Afric Star", welches gerade Öl zu den Kapverdischen Inseln transportierte. Der deutsche Hilfskreuzer "Kormoran" griff das Schiff am 29. Januar 1941 im Südatlantik an. Die Kriegsmarine nahm die 72köpfige Crew und sieben Passagiere gefangen. Sie brachte die Gefangenen nach Bordeaux, wo sie interniert wurden. Callan und seine Kameraden wurden im Juli 1941 ins Kriegsgefangenlager X B in Sandbostel bei Bremervörde weitertransportiert. Im Februar 1942 verlegte sie die Marine ins Marlag/Milag Nord in Westertimke. Callan betonte, dass die Zeit dort noch erträglich war und sie in britischer Uniform Hamburg besuchen durften, wo sie sich weitgehend frei bewegen konnten. Für diese Freiheit verlangte die Kriegsmarine eine Gegenleistung: "Wir sollten unterschreiben, dass wir freiwillig für die Deutschen arbeiten wollten." Callan und andere weigerten sich. Die Marine übergab die Häftlinge daraufhin an die Gestapo, die diese im Februar 1943 ins Arbeitserziehungslager Farge brachte. […] Callan wurde von der Gestapo zur Zwangsarbeit am entstehenden U-Boot-Bunker getrieben. Heute sagt er: "dort lernte ich die Angst kennen." Nicht einmal beim Angriff auf das Schiff habe er soviel Furcht gespürt wie in den Jahren in Farge: "Wir wussten nicht, was der nächste Tag bringen würde. Es gab nur die Hoffnung, dass einige von uns herauskommen würden." Die Behandlung durch die Wachmannschaften, aber auch die Vorarbeiter der Baufirmen beschreibt er mit den Worten: "Wir wurden wie Vieh behandelt." Die schwere Arbeit und die nicht ausreichende Ernährung führen bald dazu, dass Callan schwer erkrankt und ins Revier des Lagers muss. Callan hatte nun Glück im Unglück. Der Arzt des Arbeitserziehungslagers, Dr. Heidbreder, mochte Callan und sorgte dafür, dass er zur Gartenarbeit beim Arzt eingesetzt wurde. Da Callan dort zusätzliche Nahrung erhielt, kam er einigermaßen wieder zu Gesundheit. Gegen Kriegsende verschlimmerten sich die Verhältnisse in Farge jedoch erneut und der Hunger kehrte zurück. Callan wurde im März 1945 mit den anderen irischen und britischen Seeleuten zurück nach Westertimke gebracht, wo er schließlich von alliierten Truppen befreit wurde. Zurück in seiner Heimat musste er sich von seinen Krankheiten und der Unterernährung erholen. Sechs Monate konnte er nicht richtig sehen und erst nach einem Jahr wieder zur Arbeit gehen. Fortan schwieg er über die schlimmen Erlebnisse, die er in Farge gemacht hatte. Erst mehr als 50 Jahre mussten vergehen bis sich die "Irish Seamens Relatives Association" darum bemühte, eine Entschädigung der irischen Seeleute durch den in Deutschland eingerichteten Fonds für ausländischen Zwangsarbeiter zu erreichen und dadurch auch Harry Callan dazu ermutigte, über sein Schicksal zu sprechen. Callan erhielt 2003 als erster Ire eine Entschädigung von 7.700 Euro zugesprochen. Inzwischen hat er auch die Stadt Bremen besucht und über seine Erlebnisse in Bremen-Farge eindrucksvoll berichtet.

Biographie entnommen aus:
Marc Buggeln, Bunker "Valentin". Marinerüstung, Zwangsarbeit und Erinnerung, Bremen 2010