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Der Senator für Inneres und Sport

Bremer Literaturpreise 1999 vergeben / Adolf Endler und Christa Estenfeld ausgezeichnet

26.01.2000

Rede von Dr. Bernt Schulte

Der Bremer Literaturpreis und der Förderpreis des Bremer Literaturpreises 1999 sind heute (26.1.2000) in der Oberen Halle des Alten Rathauses von der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung an Adolf Endler für seinen Gedichtband " Der Pudding der Apokalypse" (Suhrkamp Verlag) und an Christa Estenfeld für die Erzählungen "Die Menschenfresserin" (Haffmans Verlag) verliehen worden. Der Hauptpreis ist mit 30.000 DM, der Förderpreis mit 10.000 DM dotiert.


Für den Senat der Freien Hansestadt Bremen sprach der Senator für Inneres, Kultur und Sport,Dr. Bernt Schulte die Begrüßungsworte. Die Laudatio auf den Preisträger Adolf Endler hielt Dr. Konrad Franke, die Laudatio auf die Förderpreisträgerin Christa Estenfeld erfolgte durch Dr. Gudrun Boch.



Nachfolgend die Reden sowie die Dankesworte: Die Rede des Herrn Dr. Konrad Franke,des Herrn Adolf Elsner sowie der Frau Christa Estenfeld finden Sie in den anderen Veröffentlichungen zum Bremer Literaturpreise 1999


Rede von Dr. Bernt Schulte, Senator für Inneres, Kultur und Sport zur Verleihung des Bremer Literaturpreises 2000


Sehr geehrter Adolf Endler, sehr geehrte Christa Estenfeld, meine sehr geehrten Damen und Herren!


Ich begrüße Sie zur diesjährigen Verleihung des Bremer Literaturpreises und heiße Sie herzlich willkommen.


Seit 1954 wird der Bremer Literaturpreis verliehen, und seit 1973 gibt es außerdem den Förderpreis. Der Literaturpreis ist eng mit dem Namen des wichtigsten Bremer Schriftstellers, Übersetzers, Gestalters, Architekten und Literaturförderers Rudolf Alexander Schröder verbunden. Ihm zu Ehren wurde der Preis vom Senat gestiftet. Schröder nahm an den ersten Preisverleihungen teil, er hielt auch die Laudationes bevor er 1958 aus Altersgründen seinen Rücktritt aus der Jury erklärte. Heute wissen wir, dass er dieses auch tat, weil er mit den Mehrheitsentscheidungen in der Jury zunehmend weniger anfangen konnte. Es ehrt ihn, dass er die Entscheidungen seiner Kollegen respektierte und sich zurückzog, um den Preis nicht zu gefährden.


Der Bremer Literaturpreis hat in den vielen Jahren seines Bestehens eine ganze Reihe spannender Entscheidungen vollzogen. Manche Preisträger blieben auch nach der Preisverleihung nur Insidern bekannt, aber das war eher die Ausnahme: Rückblickend lassen sich die Namen der Preisträger auch als Literaturgeschichte lesen – freilich mit Auslassungen, die in der Sache selbst liegen.


Erlauben Sie mir einige Reflektionen zum Thema Literatur und zum Bremer Literaturpreis in einem Augenblick, in dem alle Kommunen, Bremen ganz besonders, über den Stellenwert von Kulturförderung im Rahmen der öffentlichen Haushalte diskutieren und streiten.


Das Segment Literatur - oder haushaltstechnisch: die Produktgruppe Literaturförderung - ist innerhalb des Kulturhaushalts nur eine marginale Größe. Gleich wohl ist die Literatur ein wichtiges Bindeglied fast aller Tätigkeiten und Prozesse, die sich überall dort wiederfinden, wo wir von Kultur sprechen.


Literatur ist ein Transportmittel von individuellen Wahrnehmungen, die in einem sozialen Dialog zu Botschaften werden und damit Reaktionen auslösen, die den Kern von Kultur ausmachen: der Austausch von persönlichen und allgemeinen ebenso wie von tradierten und neuen Werten.


Literatur ist durch Film und Fernsehen zwar verdrängt worden, aber sprachlicher Austausch gewinnt durch die neuen Medien wieder an Bedeutung -und damit wieder die Literatur.


Literatur ist also Kitt kultureller Kontakte, sie ist Kommunikationsferment schlechthin. Dieser überragenden Stellenwert von Literatur innerhalb dessen, was wir Kultur nennen, prägt Kultur innerhalb des soziales Umfelds, in Gesellschaft und Politik. Jedes menschliche Leben in einer Gemeinschaft, in einem Staat wird durch Kommunikation und Kontakte bestimmt, die umso sozialverträglicher, konfliktfreier und werthaltiger sind, je enger die kulturellen Beziehungsnetze geknüpft sind. Kultur ist für eine Gesellschaft der Lebensnerv schlechthin, und daher ist Kulturförderung unverzichtbarer Auftrag der Politik.


Wir Kulturpolitiker streiten heute mit den Finanzpolitikern darüber, dass Kulturausgaben keine konsumtiven Ausgaben, sondern Investitionen sind. Viel eher noch müssten Finanzpolitiker begrüßen, dass Kulturausgaben Wertanlagen sind, die das Niveau und damit auch die Leistungskraft einer Gesellschaft ausmachen.


Vielleicht müsste man den Kulturetat als Anlage an der Börse notieren, um den Grad der kulturellen Identität an den Schwankungen und Indizes messbar zu machen. Vielleicht würde dann der Stellenwert des Kulturetats mit anderen Augen betrachtet!


Kann man eigentlich – und das ist nun die logische Frage nach den eher pessimistischen Ausführungen über die Kulturförderung – kann man also überhauptnoch Freude empfinden bei einer Preisverleihung, bei der die größte Befriedigung zunächst die ist, dass das Preisvolumen dem Spardruck nicht zum Opfer gefallen ist?


Freude empfinden wir natürlich darüber, dass wir heute zwei Preisträger ehren, die sich in ihrer Qualität ausgezeichnet und vor den kritischen Augen der Jury bestanden haben. Zugleich empfinden wir aber auch Dankbarkeit, dass Sie es in heutiger Zeit wagen, Literatur zu machen, Kommunikationsnetze zu bauen, Kritisches zu hinterfragen, zum Nachdenken anregen, so wie es mir bei den Texten im "Pudding der Apokalypse" und bei surrealen Geschichten im Band der "Menschenfresserin" ergangen ist.


Dass der Bremer Literaturpreis einer der bedeutendsten in Deutschland ist, gibt unseren Preisträgern die ihnen zustehende überregionale Aufmerksamkeit. Aber der Preis nötigt uns selbst mehr als nur die Verpflichtung ab, als Stadt seine Tradition fortzusetzen, sondern das wir uns des Wertes dieses Preises bewusst sein müssen.


Ich danke der Jury für ihre Arbeit und dafür, dass sie Bremen immer noch die Treue hält in schwierigen, aber auch in guten Zeiten.


Den Preisträgern gratuliere ich herzlich und wünsche ihnen und uns immer wieder aufregende, zum Nachdenken anregende Lektüre.