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Gemeinsame Presseerklärung

Bundesgesundheitsministerin fordert mehr Aufklärung über Hormonersatztherapie

22.09.2003

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin haben heute (22.09.2003) die Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Ulla Schmidt, mit Prof. Dr. med Eberhard Greiser , Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS), und Prof. Dr. Gerd Glaeske, Universität Bremen die Medien zum Thema ‚Hormonersatztherapie’ informiert:

Die mehr als beunruhigenden Daten aus amerikanischen, englischen und deutschen Studien und Berechnungen zu Risiken der Hormontherapie in den Wechseljahren haben die Bundesgesundheitsministerin veranlasst, der Öffentlichkeit im Rahmen einer Pressekonferenz die notwendigen Konsequenzen aus diesen Ergebnissen mitzuteilen.

Die Ministerin forderte heute in Berlin mehr Aufklärung über Hormonersatztherapie:

Vier bis fünf Millionen Frauen in Deutschland nehmen in und nach den Wechseljahren Hormonpräparate ein. Sie werden nicht nur zur Behandlung von Wechseljahrsbeschwerden eingesetzt, sondern auch darüber hinaus, etwa zur Vorbeugung von Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

„Wir müssen das Thema stärker ins Bewusstsein von Frauen und Ärzten bringen, denn viele Frauen wissen nicht, dass die mit einer Hormonersatztherapie verbundenen Risiken oft den Nutzen übersteigen. Wenn eine Behandlung mit Hormonersatzpräparaten nötig ist, sollte sie so kurz und so niedrig dosiert wie möglich erfolgen“, so Ulla Schmidt.

Desweiteren informierte die Ministerin über den

Stufenplan des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Überarbeitung der Beipackzettel zur Hormontherapie bis zum 1. 11.2003 und über das geplante Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, das Ärztinnen unabhängige Informationen über den neuesten Stand der Forschung bei Arzneimitteln und Therapien erarbeiten soll.


Prof. Greiser vom BIPS informierte über aufsehenerregende Daten zu ‚Krebs durch Wechseljahrshormone in Deutschland – Ergebnisse einer Berechnung des Attributiv-Risikos (Hochrechnung).

Zur Frage, welchen Anteil Hormon-Präparate an Krebserkrankungen von Frauen in den Wechseljahren haben, führte Prof. Greiser u.a. aus:

„Bezogen auf einen Zehn-Jahres-Zeitraum erkrankten in Deutschland infolge der Anwendung von Wechseljahres-Hormonen ca. 127. 000 Frauen im Alter zwischen 45 und 74 Jahren an Krebs. Das Robert-Koch-Institut hat Überlebensraten nach Krebserkrankungen veröffentlicht (1999). Danach werden innerhalb von 5 Jahren von den durch Hormone an Brustkrebs erkrankten 100.000 Frauen 27.000 verstorben sein. Nach den Ergebnissen der amerikanischen Women’s Health Initiative sind Krebserkrankungen der Brust nach Hormoneinnahme weiter fortgeschritten als vergleichbare Krebserkrankungen, die ohne Hormoneinwirkung entstehen.

Die britische Million Women Study hat darüber hinaus gezeigt, dass die Sterblichkeit bei solchen Frauen erhöht ist. Deshalb stellt die Zahl von 27.000 an ihrem Brustkrebs verstorbenen Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Unterschätzung dar.

Zur Veranschaulichung der dramatisch hohen Zahl der Erkrankten führte Prof.Greiser an:

„ Die Gesamtzahl aller erkrankten 127.000 Frauen in Deutschland entspricht in etwa der gesamten weiblichen Bevölkerung in der Altersklasse zwischen 45 und 74 Jahren im Land Bremen (Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven)“.

Prof. Greiser gab darüber hinaus Auskunft darüber, was Frauen individuell tun können, um ihr Krebsrisiko zu senken.


Prof. Glaeske Universität Bremen wies nachhaltig auf aktuell vorliegende Daten und Fakten zur Hormonersatztherapie hin, die eindeutig mehr Schaden als Nutzen der Betroffenen ergäben. Hier ist mehr Aufklärung nötig.

„Wir können doch nicht auf der einen Seite alle Anstrengungen unternehmen, die Brustkrebsdiagnostik und –behandlung sowie die Prävention zu verbessern, auf der anderen Seite aber Risiken, die durch eine zumeist unnötige Hormontherapie ausgelöst werden, unbeachtet lassen“, so Prof. Glaeske.

Er bezog sich des weiteren insbesondere auf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, welches nach seiner Ansicht in notwendiger Weise auf die alarmierenden Fakten reagiert hat und die Anwendung der Hormone einschränken will.

In den Beipackzetteln wird zukünftig heissen: ‚ Zur Behandlung postmenopausaler Symptome ist die niedrigste wirksame Dosis anzuwenden. Eine Hormonsubstitutionstherapie sollte nur so lange fortgeführt werden, wie der Nutzen bei der Linderung ausgeprägter Symptome die Risiken überwiegt’. Dies sollte laut Prof. Glaeske so kurz wie möglich sein, z.B. 6 bis 12 Monate.

Hier appellierte er an die Verantwortung der Frauenärztinnen und Frauenärzte hinsichtlich der Verordnungspraxis:

„Es scheint ein Umdenken in der Verordnungspraxis der Hormonersatztherapie angebracht. Vor allem die verordnenden Ärzte müssen sich die Frage gefallen lassen, inwieweit der hohe Einsatz von estrogenhaltigen Hormonpräparaten zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden und zur Prävention von Osteoporose tatsächlich gerechtfertigt ist. Die Risiken überwiegen deutlich einen möglichen Nutzen – dies steht durch die vorliegenden Publikationen fest“.

Nähere Informationen:
Imgard Jahnke
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BIPS
Tel. 0421 59 59 6 35
Fax: 0421 59 59 6 65
e-mail: jahnke@bips.uni-bremen.de