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Der Senator für Finanzen

Die Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzungen und die Auswirkungen für Bremen

10.11.2003

Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum hat heute Mittag (10.11.2003) in einem Pressegespräch über die Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzungen berichtet. Aus der Kurzfrist-Prognose dieses Arbeitskreises erläuterte der Senator dabei auch die Auswirkungen für das Land Bremen und seine beiden Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven. Nachfolgend veröffentlichen wir die Ergebnisse der Kurzfrist-Prognose mit den Auswirkungen für Bremen:

(Kurzfristige) Steuerschätzung November 2003


Der Arbeitskreis Steuerschätzungen hat als Ergebnisse seiner 122. Sitzung (4. bis 6. November 2003 in Frankfurt / Main) Hochrechnungen zur Entwicklung der steuerabhängigen Einnahmen im laufenden und im kommenden Haushaltsjahr vorgelegt (Kurzfrist-Prognose). Wie in den zurückliegenden Steuerschätzungen sind die Ergebnisse des Arbeitskreises dabei wiederum durch nennenswerte Reduzierungen der Einnahmeerwartungen gegenüber den bisherigen Prognosewerten geprägt, für die im Wesentlichen anhaltende Verschlechterungen der gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten ursächlich sind. Die erneute Zurücknahme der Wachstumserwartungen dokumentiert die in Auf- und Abschwungphasen gleichermaßen zu verzeichnenden Unterschätzungstendenzen im Prognoseverfahren, die aus den Schwierigkeiten des Bundes und der beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute resultieren, konjunkturelle Wendepunkte exakter voraus zu bestimmen.


Im Einzelnen lassen sich die wesentlichen Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung und Ihre Auswirkungen auf die bremischen Haushalte wie folgt zusammenfassen:



1. Rahmensetzungen


1.1. Gesamtwirtschaftliche Entwicklung


Der in der Mai-Steuerschätzung für das zweite Halbjahr 2003 erwartete Wirtschaftsaufschwung, der über Umsatz- und Beschäftigungseffekte zur Trendwende in der Steuereinnahme-Entwicklung beitragen sollte, ist bisher weitgehend ausgeblieben. Trotz weiterer Belebung der weltwirtschaftlichen Aktivitäten, die durch Erholungstendenzen in den USA und positive Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa sowie im fernen Osten begünstigt werden, kann der deutsche Export im laufenden Jahr aufgrund höherer Euro-Bewertung und verhaltenerer Nachfrage in den EU-Mitgliedsstaaten von der Dynamik des Welthandels nur unterproportional profitieren. Die Inlandsnachfrage wird vor dem Hintergrund der Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung 2003 erneut keine Wachstumsimpulse auslösen.


Optimistischer fällt die Einschätzung der konjunkturellen Rahmendaten für 2004 aus. Einerseits unterstellen die der Steuerschätzung zugrunde liegenden Annahmen im kommenden Jahr aufgrund von Verschiebungen in der Welthandels-Struktur und verbesserter eigener Wettbewerbstätigkeit in Folge günstiger Lohnstückkosten wieder überdurchschnittliche Entwicklungen des Außenhandelsbeitrages. Andererseits soll die Inlandsnachfrage durch Belebung des privaten Konsums (Vorziehen der Steuerreform), die in der Steuerschätzung selbst allerdings noch nicht berücksichtigt wird, und Verbesserung der Angebotsfaktoren („Agenda 2010“, Absatzperspektiven, Zinsniveau, Rationalisierungseffekte) bei anhaltend moderaten flankierenden Bedingungen (Lohnkosten, Preisentwicklung) wieder nennenswerte Beiträge zum Wirtschaftswachstum leisten.



Aufgrund der aktuellen Konjunkturprognose wurden die für die Steuerentwicklung maßgebli-chen gesamtwirtschaftlichen Kenndaten gegenüber der Mai-Steuerschätzung noch einmal zurückgenommen (vgl. Tabelle 1): Sowohl die Zuwachsraten des nominalen Bruttoinlands-produktes als auch der Anstieg der inzwischen mit Null-Wachstum angenommenen Brutto-löhne und –gehälter wurden um 1 %-Punkt abgesenkt, die Wachstumserwartungen der Un-ternehmens- und Vermögenseinkommen sogar um 2,5 % nach unten angepasst. Für 2004 fallen die Differenzen zu den Annahmen der Mai-Schätzung gemäßigter aus, tragen damit allerdings ebenfalls zu einer deutlichen Minderung der Steuereinnahme-Erwartungen bei. In beiden Jahren wird von anhaltend abnehmenden Beschäftigtenzahlen im Bundesgebiet ausgegangen (- 1,5 bzw. – 0,5 %).


1.2. Steuerrecht


Die Schätzungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ erfolgen grundsätzlich orientiert am geltenden Steuerrecht. Gegenüber den Prognosewerten der Mai-Schätzungen in den Hochrechnungen neu berücksichtigt sind daher lediglich die marginalen Auswirkungen des „Kleinunternehmerförderungsgesetzes“. Wesentliche steuerrechtliche Änderungen, die den gesetzgeberischen Abstimmungsprozess noch nicht abschließend durchlaufen haben und dementsprechend hinsichtlich ihrer potentiellen (Netto-) Effekte für die Haushalte der Ge-bietskörperschaften noch nicht zu quantifizieren sind, konnten hingegen noch nicht in die Berechnungen einbezogen werden. Hierzu gehören


  • das Steueränderungsgesetz 2003,

  • das Steuerehrlichkeitsförderungsgesetz,

  • der Korb II zum Steuervergünstigungsabbaugesetz,

  • das Haushaltsbegleitgesetz 2004,

  • das Gesetz zur Reform der Gewerbesteuer sowie

  • der Gesetzentwurf zum Investmentsteuergesetz.


Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (vor Befassung des Bundesrates und des Vermittlungsaus-schusses) werden für diese Gesetzesänderungs-Vorhaben vom Bundesfinanzministerium insgesamt Mindereinnahmen von 1,2 Mrd. € (2003) bzw. 8,3 Mrd. € (2004) sowie anschließende jährliche Mehreinnahmen (2005: + 10,0 Mrd. €) unterstellt. Für die Länder und Gemeinden würden die zu erwartenden Änderungen des originären Steueraufkommens nach gegenwärtigem Stand der Gesetzesentwürfe – mit durchgängig positiven Effekten für die Gemeindeebene - - 0,5 Mrd. € (2003), - 3,0 Mrd. € (2004) und + 7,0 Mrd. € (2005) betragen.


Ebenfalls nicht in den Schätzwerten berücksichtigt sind die voraussichtlichen steuerlichen Effekte der noch ausstehenden „Harz IV“-Beschlüsse (Umsatzsteuer-Verteilung), die ggf. bereits 2004 zu anlaufenden Verlagerungen zwischen Ländern und Bund führen werden.



2. Ergebnisse


2.1. Bund, Länder und Gemeinden


Aus den geänderten Rahmensetzungen ergeben sich für alle Gebietskörperschaften des Bundesgebietes die in Tabelle 2 dargestellten Schätzwerte und Abweichungen von bisherigen Prognosewerten (Steuerschätzung Mai 2003). Festzustellen ist, das

  • im Bundesgebiet insgesamt gegenüber der Mai-Schätzung von originären Steuer-Mindereinnahmen von 8,2 Mrd. € (2003) bzw. 10,9 Mrd. € (2004) auszugehen ist, die al-lerdings Verluste der EU (zusammen rd. 1,4 Mrd. €) mit umfassen,

  • von den Einnahme-Verlusten gegenüber der Mittelfrist-Prognose (ohne EU-Anteile) der Bund im laufenden Haushaltsjahr knapp 53 % (4,2 Mrd. €), im kommenden Jahr hingegen nur noch etwa 49 % (4,8 Mrd. €) zu tragen hat,

  • die Länder in den Prognosejahren ihre Einnahme-Erwartungen um 3,8 Mrd. € (2003) bzw. 4,5 Mrd. € (2004) nach unten anzupassen haben, von denen 3,2 Mrd. € (2003) und 3,8 Mrd. € (2004) die West-Länder betreffen, und

  • für die Gemeinde-Ebene nur im Jahre 2004 (geringfügige) weiteren steuerlichen Aus-fälle unterstellt werden.


Als Orientierungsgröße für die bremischen Haushalte ist die voraussichtliche Entwicklung der Steuereinnahmen im früheren Bundesgebiet („Gebiet A“) maßgeblich. Nach den Prognosen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ bleiben die Einnahmen der West-Länder und –Gemeinden um 3,1 Mrd. € (2003) bzw. 4,1 Mrd. € (2004) hinter den Hochrechnungen der Mai-Schätzung zurück.




2.2. Bremische Haushalte


Für die bremischen Haushalte werden die Ergebnisse der Steuerschätzung über die vom Finanzministerium Baden-Württemberg für alle Länder durchgeführte, so genannte „Regio-nalisierung“ der Schätzergebnisse (Verteilung über Anteile nach Steuerarten; Berücksichtigung der Finanzausgleichs-Effekte etc.) sowie unter Einbeziehung bremischer Sonderent-wicklungen (einschließlich möglicher Verlagerungs-Effekte der Finanzausgleichs-Mechanismen) ermittelt.


Da die Kurzfrist-Prognose des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ lediglich das laufende und das kommende Haushaltsjahr betrifft, für Haushaltsaufstellung und Finanzplan-Fortschreibung jedoch auch aktualisierte Einschätzungen für die Entwicklung der steuerab-hängigen Einnahmen in den Folgejahren erforderlich sind, wird für die Jahre 2005/2007 eine Fortschreibung der aktuellen Schätzungen des Arbeitskreises vorgenommen, die die Prog-nosewerte der November-Schätzung mit den Veränderungsraten der Schätzung vom Mai 2003 (nach Steuerarten) verknüpft. Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich aus den Prognosen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für Bremen folgende Auswirkungen (vgl. Tabelle 3):

o Land und Stadtgemeinde Bremen

Im laufenden Haushaltsjahr sind nach den Ergebnissen der aktuellen November-Schätzung in der Summe aller steuerabhängigen Einnahmen kassenmäßige Minusbeträ-ge von knapp 20 Mio. € gegenüber der Mittelfrist-Prognose vom Mai 2003 und damit rd. 66 Mio. € gegenüber den Anschlag-Werten (Basis: Steuerschätzung November 2002) zu erwarten.


Bemerkenswert ist dabei, dass die Mindereinnahmen der bremischen Haushalte sowohl gegenüber Anschlag als auch gegenüber der Mai-Prognose ausschließlich durch Ver-luste im Finanzausgleich ausgelöst werden. Konkret bedeutet dies, dass die originären bremischen Steuereinnahmen im laufenden Haushaltsjahr die bisherigen Erwartungen voraussichtlich übertreffen werden, während die steuerlichen Einnahmeverluste aus der negativeren Bundesentwicklung resultieren, die sich in Bremen über die Mechanismen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auswirken (vgl. Tabelle 3). Damit ist festzustel-len, dass sich die Steuerkraft des Stadtstaates – auch ohne verzerrende Sondereffekte – offensichtlich zwischenzeitlich stabilisiert hat.


Aufgrund des Basiseffektes 2003 ergeben sich vergleichbare Schätzergebnisse auch für die Folgejahre: Im Jahre 2004 werden die originären Steuereinnahmen des Landes und der Stadtgemeinde nach aktueller Prognose voraussichtlich um rd. 39 Mio. € höher ausfallen als in der Mai-Steuerschätzung (Basis der Eckwertbeschlüsse vom 28. Oktober 2003) berechnet, wobei rd. 19 Mio. € auf die beschlossene Erhöhung der Hebesätze für Grundsteuer B und Gewerbesteuer in der Stadt Bremen zurückzuführen sind. Erneut nachhaltige Verluste im Finanzausgleich (LFA/BEZ: - 66 Mio. €), die anteilig auch aus der positiven bremische Steuerentwicklung des Jahres 2003 resultieren, führen in der Sum-me allerdings zu steuerabhängigen Mindereinnahmen von über 27 Mio. €.


Im Haushaltsjahr 2005 betragen die über entsprechende Hochrechnungen (siehe oben) ermittelten Einnahmeverluste gegenüber den bisherigen Annahmen 29 Mio. €.


Nur teilweise in die Schätzergebnisse eingegangen sind die Effekte der noch im Abstim-mungsverfahren befindlichen Steuerrechtsänderungs-Vorhaben, die zwar in der Bundes-Projektion der gesamtwirtschaftlichen Rahmensetzungen, nicht jedoch durch ent-sprechende Korrekturpositionen im Rahmen der Steuerschätzung selbst berücksichtigt sind. Nach abschließender Beschlussfassung über diese Gesetzesvorhaben, die nach aktuellem Beratungsstand für Bremen in grober Schätzung zu Mindereinnahmen 2003 (rd. 5 Mio. €) und 2004 (rd. 25 Mio. €) sowie zu Mehreinnahmen 2005 (rd. 60 Mio. €) führen würden, sind die entsprechenden Einnahmeveränderungen im jeweiligen Haushalts-vollzug zu berücksichtigen und im Rahmen der Mai-Steuerschätzung 2004 exakter zu quantifizieren. Gleiches gilt für mögliche steuerliche Kompensationsregelungen im Zu-sammenhang mit der Neugestaltung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe („Hartz IV“).




Bremerhaven


Für den Kommunalhaushalt Bremerhavens sind auf Basis der Prognosen des Arbeits-kreises „Steuerschätzungen“ und unter Berücksichtigung der bisherigen Ist-Entwicklung im laufenden Haushaltsjahr originäre Steuereinnahmen von 74,2 Mio. € zu erwarten, die gemessen an den bisherigen Annahmen Mindereinnahmen von 2,6 Mio. € (gegenüber Mittelfrist-Schätzung) bzw. 3,7 Mio. € (gegenüber Anschlag) bedeuten und im We-sentlichen durch verringerte Lohn- und Gewerbesteuerzahlungen verursacht sind.


Keine weiteren Verluste gegenüber der Mai-Steuerschätzung wird die Seestadt hingegen voraussichtlich im kommunalen Finanzausgleich hinnehmen müssen: In der nach geltendem Recht durchgeführten Abrechnung werden Minderungen der Schlüsselzuweisungen, die insbesondere die Verluste des Landes im bundesstaatlichen Finanzausgleich widerspiegeln, durch einen entsprechenden Zuwachs der Ausgleichzuweisungen kompensiert, der die positive Steuerentwicklung der Stadt Bremen abbildet und den Kfa-Zuweisungsbetrag unverändert bei 76,9 Mio. € belässt.


In den Folgejahren sind für Bremerhaven jährliche Steuermindereinnahmen gegenüber der Frühjahrs-Prognose zwischen 2,7 und 2,9 Mio. € zu erwarten. Im kommunalen Finanzausgleich ergeben sich – mit beeinflusst durch die Hebesatz-Erhöhungen in der Stadt Bremen – bis zum Ende des Finanzplan-Zeitraumes Mehreinnahmen zwischen 0,5 und 0,9 Mio. € p. a..



o Haushaltsmäßige Umsetzung


Die zur Erreichung der gesetzlichen Vorgaben für den restlichen Sanierungszeitraum (Begrenzung der konsumtiven Ausgabenzuwachsrate auf 0,5 % p. a.) notwendige restriktive Veranschlagung und Liquiditätssteuerung im laufenden Haushaltsjahr sowie die erhebliche Einschränkung konsumtiver Gestaltungsspielräume durch die Eckwert-Beschlüsse für die Jahre 2004/2005 dokumentieren, dass die aus der aktuellen Steuer-schätzung ableitbaren weiteren steuerlichen Mindereinnahmen des Stadtstaates in ihren Auswirkungen auf den Finanzierungssaldo des „Verwaltungshaushaltes“ im Doppelhaushalt 2004/2005 realistischerweise kaum durch weitere Sparmaßnahmen zu kompensieren sind.


Ob und in welchem Umfang die aktuell prognostizierten, erneuten Steuereinnahme-Ausfälle – nach zwischenzeitlicher Kreditfinanzierung – den Forderungen gegenüber dem Bund zugerechnet werden können, wird im Zuge der angelaufenen Verhandlungen mit der Bundesregierung zu klären sein. Dabei ist auch die weitere Entwicklung der steuerabhängigen Einnahmen zu berücksichtigen. Diese ist sowohl von der konjunktu-rellen Ausgangslage als auch von den steuerrechtlichen Rahmenbedingungen abhängig, die wiederum entscheidend durch die derzeit im Abstimmungsverfahren befindlichen Änderungsvorhaben (vgl. Seite 3) geprägt und daher hinsichtlich ihrer möglichen Be- bzw. Entlastungseffekte aktuell noch nicht verlässlich einzuschätzen sind.