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Die Senatorin für Kinder und Bildung

PISA 2003 E: Trotz Problemen Leistungssprung deutlich erkennbar

03.11.2005

Die jetzt vorliegenden Detailergebnisse der PISA-Studie 2003 E bestätigen, dass Bremen im Gesamtergebnis einen deutlichen Leistungssprung gemacht hat. Dieser hat selbst manche Wissenschaftler überrascht. Bremen hat in den letzten Jahren die Qualität seiner Schulen deutlich verbessert. Allerdings konnten die nach der Veröffentlichung der Ergebnisse von PISA 2000 ergriffenen Maßnahmen nur in Ansätzen wirksam werden, da bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung der ersten PISA Untersuchung die Daten für die jetzt vorliegende Untersuchung erhoben worden sind.

„Seit PISA 2000 wissen wir, dass Bremen enorme Defizite hat, die wir konsequent aufarbeiten“, sagt Bildungssenator Willi Lemke. Besonders schmerzlich sei, „dass die soziale Kopplung bei uns besonders ausgeprägt ist. Auch die jetzt vorliegenden Detailergebnisse zeigen uns, dass bei uns die Bildungschancen der sozial Schwachen weiterhin verbessert werden müssen. Aber PISA-E 2003 zeigt auch, dass wir den Abstand zu den anderen Ländern stark verringern konnten“, erklärte Lemke.


Folgende positive Entwicklungen sind deutlich erkennbar:

  • Bremens Schülerinnen und Schüler haben sich in den verschiedenen Kompetenzbereichen um durchschnittlich 21 Punkte verbessert. Damit liegt Bremen bei dem Leistungszuwachs im oberen Drittel der 16 Bundesländer.
    Zitat aus dem PISA-Bericht: „Die Zuwächse in Bremen reichen zwar nicht aus, um die Rangposition zu verbessern, aber sie belegen einen substantiellen Kompetenzgewinn in allen vier Domänen.“ Die Steigerung der Leistungsfähigkeit betrifft alle Schularten gleichermaßen, die Leistungssteigerung ist also in Bremen kein „Gymnasial-Effekt“. Auch die leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler verzeichnen verbesserte Ergebnisse, so dass der Anteil der Risikogruppe kleiner wird.
  • Der Länderbericht belegt die besondere Integrationsleistung der Gesamtschulen in Bremen. Den Gesamtschulen gelingt es sowohl ihre schwachen als auch ihre leistungsstarken Schüler zu fördern, so dass die Risikogruppe an Gesamtschulen deutlich geringer ist als an Hauptschulen, die Leistungsspitze ausgeprägter als an Realschulen.
  • Bei gleicher Kompetenz ist die Chance eines Kindes mit günstigerem sozial-ökonomischen Hintergrund gegenüber einem mit schwachem sozialen Niveau, das Gymnasium besuchen zu können, um den Faktor 2,83 größer. Der Durchschnittswert in Deutschland beträgt 4,01, den schlechtesten Wert hat hier Bayern mit dem Faktor 6,65.


Der komplette Bericht PISA 2003 E zeigt auch deutlich Bremens Problembereiche und die Handlungsfelder für die Bildungspolitik. Hervorzuheben sind hier ganz besonders

  1. Soziale Kopplung, Risikogruppen und Migranten
    Die Abhängigkeit zwischen der sozialen Herkunft und dem erreichten Kompetenzniveau in den unterschiedlichen Domänen ist in Bremen im Verhältnis zu anderen Bundesländern besonders hoch.

    Die Risikogruppe, d.h. die Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die in einem Kompetenzbereich auf oder unter der ersten Kompetenzstufe liegen, ist in Bremen deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Aber auch hier haben sich die Werte gegenüber PISA 2000 erkennbar verbessert. (Lesen - PISA 2003: 29,7 %, PISA 2000: 36%; Naturwissenschaften - PISA 2003: 30,8 %, PISA 2000: 38,1 %).

    In Bremen gibt es in allen Schularten hohe Migrantenquoten (insgesamt 35,8 %) und damit den höchsten Wert von allen Bundesländern. Der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund beträgt in den Hauptschulen 46,7%, in den integrierten Gesamtschulen 35,7%, in den Realschulen 35,9% und in den Gymnasien 29,6%.

    Da sich die Leistungsverbesserung durch alle Schularten zieht, ist auch eine Verbesserung der leistungsschwächeren Schüler und der Schüler mit Migrationshintergrund gegeben.

    Bemerkenswert ist, dass Schüler mit Migrationshintergrund keine einheitliche Gruppe darstellen. Besondere Probleme gibt es bei Jugendlichen, bei denen zuhause nicht oder kaum Deutsch gesprochen wird. Deren Kompetenz in Mathematik und Lesen liegt im Vergleich zu denen, die im Alltag überwiegend die deutsche Sprache verwenden, um etwa ein Schuljahr zurück.

    Trotz dieser problematischen Ausgangslage haben leistungsfähige Schülerinnen und Schüler mit sozial schwachem Hintergrund in Bremen eine größere Chance einen gymnasialen Bildungsgang zu erreichen als im Bundesdurchschnitt. Zwar haben auch in Bremen Kinder mit günstigem sozialen Hintergrund bessere Chancen, ein Gymnasium zu besuchen, sie liegen aber mit dem Faktor 2,83 nicht so hoch wie im Bundesdurchschnitt (4,01). Auch Hamburg, das eine mit Bremen vergleichbare Sozialstruktur hat, liegt mit dem Faktor 3,55 schlechter als Bremen.


  2. Verzögerte Schullaufbahn
    Die Zahl der Wiederholer ist zwar noch immer vergleichsweise hoch, konnte aber durch bildungspolitische Maßnahmen gesenkt werden.

    Während es bei PISA 2000 noch 42,3% aller Fünfzehnjährigen waren, die eine verzögerte Schullaufbahn absolvieren, waren es bei PISA E 2003 37,9%.

    Über alle Länder hinweg liegen die Prozentsätze der Schülerinnen und Schüler, die eine verzögerte Schullaufbahn durchlaufen, zwischen 20,3 und 47,4 %. Aktuelle Daten für Bremen (Statistisches Bundesamt) belegen einen weiteren deutlichen Rückgang der Wiederholerzahlen in den vergangenen Jahren. Dies ist u.a. auf die gezielten Fördermaßnahmen und die Verpflichtung zur Förderung in der Zeugnis- und Versetzungsordnung zurückzuführen. Problematisch ist allerdings, dass der Rückgang der Wiederholerzahlen in den Hauptschulen relativ gering ist.


  3. Hohe Leistungsstreuung
    Die grundsätzlich hohe Streuung der Leistungswerte der Schülerinnen und Schüler findet sich bei der Aufgliederung nach Schularten in den großen Leistungsunterschieden zwischen den einzelnen Schularten wieder. Insgesamt beträgt der Abstand der Kompetenzwerte zwischen dem Mittelwert an den Gymnasien auf der einen Seite und den Realschulen und Integrierten Gesamtschulen auf der anderen Seite durchschnittlich 100 Punkte.

    Gleichzeitig ist eine große Überlappung in der Leistungsverteilung der Schularten feststellbar. 60% der Schülerinnen und Schüler aus Real- und Gesamtschulen zeigen die gleichen Leistungen wie Gymnasiasten.

    Der Schulartenvergleich bestätigt auch die Integrationsleistung der Gesamtschulen. Die Integrierten Gesamtschulen schaffen es, Schülerinnen und Schüler so zu fördern, dass die Risikogruppe dort weitaus kleiner ist als in den Hauptschulen. Gleichzeitig ist die Leistungsspitze deutlich stärker ausgeprägt als an Realschulen. Während bei den bundesdeutschen Daten die Gesamtschulen immer eher in ihrem mittleren Leistungsniveau zwischen der Haupt- und Realschule liegen, stehen sie in Bremen auf einer Stufe mit den Realschulen. Ähnliche Integrationseffekte werden auch in Hamburg und eingeschränkt in Berlin sichtbar.



Maßnahmen
PISA 2003 E zeigt, dass die Herausforderungen des Landes Bremen nach wie vor groß sind. Die bisher vorgenommen Anstrengungen müssen daher konsequent weitergeführt werden. Seit PISA 2000 sind zahlreiche Maßnahmen eingeleitet worden, die zu besseren Ergebnissen führen werden und auch bereits erste Erfolge zeitigen. Dazu gehören:


Zu 1. Soziale Kopplung, Risikogruppen und Migranten


Stärkung der Grundschulen
Verbesserung der Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule, Integrierter Schulanfang, verpflichtende Schuleingangsdiagnostik, Sprachförderung insbesondere für Migrantenkinder, Leseintensivkurse etc.


Ausbau der Ganztagsschulen
Eine anregende schulische Lernumgebung im Ganztag ermöglicht durch vielfältige Bildungsanreize und umfassendere Betreuung den Ausgleich von sozialer Benachteiligung. Es bleibt mehr Raum für zusätzliche und vertiefende Angebote – wie etwa die Arbeit in Lernwerkstätten sowie eine betreute Freizeitgestaltung. All dies führt dazu, dass insbesondere Risikoschüler/innen besser gefördert werden können. Das Angebot von Ganztagsschulen erfährt daher im Land Bremen seit vier Jahren einen kontinuierlichen Ausbau, für den Bremen die Bundesmittel optimal ausgeschöpft hat.


Sekundarschulen
Der Integrationseffekt soll auch im neuen System der Sekundarschule zum Tragen kommen. Die gemeinsame Lernzeit wird ausgedehnt. Damit nach dem Zusammenführen der beiden Schularten Haupt- und Realschule der positive Integrationseffekt greift, sind große Kraftanstrengungen erforderlich. Hierzu zählen z.B. Fördermaßnahmen in den Kernfächern Klasse 6 für Kinder ohne zweite Fremdsprache, der Wahlpflichtbereich zur Förderung der Neigungen und Fähigkeiten sowie die Verbindung der Lernorte Schule und Betrieb.


SMS – Schule macht sich stark
In Brennpunktschulen aus Bremen und Bremerhaven mit besonders hohem Migrantenanteil, ist der gravierende Zusammenhang zwischen Herkunft und schulischem Erfolg besonders besorgniserregend. Mit dem Projekt SMS werden daher 5 Schulen dabei unterstützt, systematische Prozesse der Unterrichts- und Schulentwicklung zu planen und umzusetzen. Weitere 6 Brennpunktschulen werden wissenschaftlich in ihrer Entwicklung begleitet. Im Zentrum von SMS steht die Förderung der Basiskompetenzen, insbesondere im Bereich des Sprach- und Leseverständnisses und der Mathematik.


Darüber hinaus hat der Senator für Bildung und Wissenschaft eine Vielzahl von den Unterricht begleitenden Maßnahmen ergriffen, um so genannten „Risikoschüler/innen“ den schulischen Erfolg zu ermöglichen. Diese bedürfen dringend der Fortführung und Intensivierung:

  1. Fortbildung für Lehrkräfte am Landesinstitut für Schule, die auf eine Verbesserung im Umgang mit Heterogenität abzielen und die zur Weiterentwicklung der Unterrichtsqualität beitragen; Fortbildung in der Förderdiagnostik
  2. Leseintensivkurse, gezielte Förderung der Basiskompetenzen (Lesen, Schreiben, mathematisches Lernen
  3. Integrationsmaßnahmen bei Verhaltensauffälligkeiten und Schulvermeidungsverhalten;


Außerdem wurde eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um speziell Migranten und Kinder mit Sprachproblemen zu fördern:

  • Überprüfung des Sprachstands im Elementarbereich
  • Vorkurse für Migranten in der Grundschule
  • Vorbereitungskurse für Schüler/innen der Sekundarstufe I
  • Stütz- und Förderunterricht für Migrantenkinder in den Schulen
  • Sommercamp zur Sprachförderung von Migrantenkindern
  • Programme zur „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ und „Sprachförderung von Schüler/innen mit Migrationshintergrund in der Sekundarstufe I“
  • Rucksack-Projekt – eine koordinierte Sprachförderung und Elternbildung
  • Lehrerfortbildung zur Verbesserung der Förderkompetenzen bei Mehrsprachigkeit im Klassenunterricht


Zu 2. Verzögerte Schullaufbahn
Die folgende Maßnahmen haben dazu beitragen, die Wiederholerquote im Land Bremen zu senken:

  1. die Umsetzung des neuen § 18a der Zeugnisordnung, der Lehrkräfte zur Förderung von Schülerinnen und Schülern verpflichtet, deren Leistungen den Anforderungen in einem oder mehreren Fächern nicht entsprechen;
  2. die Handreichung „Fördern als Prinzip und Praxis der Schularbeit – Empfehlungen zum individuellen Fördern in der Schule“, die konkrete Empfehlungen für das Fördern in und außerhalb des Unterrichts für Lehrkräfte beinhalten;
  3. die Durchführung von Ostercamps in den Osterferien für Schülerinnen und Schüler, deren Versetzung zum Ende des Schuljahres gefährdet ist.


Zu 3. Überschneidungen und Unterschiede zwischen den Schularten:

Mit den folgenden Maßnahmen wirkt der Senator für Bildung und Wissenschaft schon jetzt und zukünftig auf die Qualitätsentwicklung und –steigerung der Schulen hin:

  • Einführung der KMK-Standards und kompetenzorientierter Bildungspläne
  • Zentrale Abschlussprüfungen in allen Schulen ab 2006
  • Zentralabitur ab 2007
  • Vergleichsarbeiten in den Jahrgängen 4, 6 und 10, auch gemeinsam mit anderen Ländern (VERA)
  • Qualitätswettbewerb für die Schulen durch Freigabe der Anwahl
  • schulische Qualitätsentwicklung (Jahresplanung und Schulprogramm, interne Evaluation, externe Evaluation
  • verpflichtende Fortbildung und Kooperationszeiten der Lehrkräfte an Schulen