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Die Senatorin für Kinder und Bildung

7. Bremer Preisträger beim Bundeswettbewerb „Demokratisch Handeln“

16.04.2004

Bei der Ausschreibung des Bundeswettbewerbs „Demokratisch Handeln“ im Jahr 2003 haben Bremer Schulen und Jugendinitiativen besonders erfolgreich abgeschnitten:
Mit sieben prämierten Projekten steht das Land Bremen nach Berlin (8) auf dem 2. Platz der Bundesländer. Erstmalig kommen auch 2 Projekte aus Bremerhaven.

Die von der Fachjury des Förderprogramms benannten Preisträger werden zur „Lernstatt Demokratie“ vom 16. -19. Juni 2004 in Stuttgart eingeladen. Die Preisträger kommen aus allen Schulstufen von der Grundschule bis zur Berufsschule:

- Eine Klasse der Grundschule am Baumschulenweg setzte sich für fast ein halbes Jahr fächerübergreifend mit der Lebensweise der „Aborigines – Ureinwohner Australiens“ auseinander. Sie bauten und spielten auf Didgeridoos, produzierten „Sandbilder“, die Geschichten auf Basis der Zeichensprache der Aborigines erzählten, setzten sich mit Lebensweise und Geschichte dieses Volkes auseinander und versuchten über das Internet ihre Bildergeschichten durch Aborigines beurteilen zu lassen.

- Das Projekt „Vereinte Nationen in Bremen“ entstand aus einer Kooperation von sechs Schulen (Gesamtschule West, Gesamtschule Mitte, Gymnasium Horn, SZ Rübekamp, SZ Walle, SZ Walliser Straße), die im Rahmen des BLK-Modellversuchsprogramms „Demokratie lernen und leben“ die „Nacht der Jugend“ vorbereiten. Das Projekt war u.a. eine Reaktion auf Ergebnisse der Studie zur Gewalt an Bremer Schulen. Die Hälfte der in dieser Studie befragten 4000 Schüler hatten die Aussage abgelehnt, „Ausländer sind für Deutschland und seine Kultur in vieler Hinsicht eine Bereicherung“. Im Unterricht setzte sich das Projekt vorab mit der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung der Ausländer in Bremen auseinander: von Handelsbeziehungen bis zur Bedeutung der Einwanderung für das deutsche Rentensystem, von ausländischen Einflüssen etwa auf die Musikkultur bis zur Präsenz ausländischer Restaurants in Bremen. Auch die Einwohner- und Schülerstatistik in Bremen wurde untersucht: Von den ca. 190 Staaten der UNO leben Bürger aus 150 Nationen in Bremen, mit 152 Nationen haben Bremer Unternehmen Wirtschaftsbeziehungen und Schüler aus 113 Nationen besuchen Bremer Schulen. Je ein Schüler dieser 113 Nationen wurde zur „Nacht der Jugend“ im November 2003 ins Rathaus eingeladen; sie wurden fotografiert und interviewt und zusätzlich für eine Ausstellung Daten zu ihren Herkunftsländern recherchiert. Auch die Ausstellung wurde im Rathaus gezeigt und seitdem in mehreren Schulen präsentiert.


- Die Gesamtschule West wurde mit ihrem Projekt „TST – Schülerfirma Technik-Service-Team“ ebenfalls Preisträger bei „Demokratisch Handeln“. Die Schülerfirma besteht seit vier Jahren und kümmert sich um Serviceleistungen jeglicher Art an der Gesamtschule West. Die Mitarbeiter der Firma, Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen, pflegen und reparieren das Gebäude und seine Einrichtungen, entwickeln und produzieren Mobiliar und Unterrichtsmittel nach Kundenwünschen und tragen so auch zu größerer Verantwortung ihrer Mitschüler gegenüber Schuleinrichtungen bei. Die Firma ist als „Arbeitnehmerfirma“ demokratisch organisiert, der Chef und der Betriebsrat können gewählt und abgewählt werden, der Lehrer ist „Unternehmensberater“. Ihre Serviceleistungen bringen die TST-Schüler auch bei großen Veranstaltungen ein. Bei der „Nacht der Jugend“ waren sie bei der Bestuhlung aktiv, produzierten Namen-Buttons z.B. für die Künstler, übernahmen Security-Aufgaben und führten den Informationsstand, den sie auch selber bauten.


- Während der „Nacht der Jugend“ wurde auch eine Ausstellung von einigen Schülerinnen des Ökumenischen Gymnasiums in Bremen präsentiert: „Die Umbenennung der Eupener Straße“ heißt ihr Projekt, das ebenfalls preiswürdig war. Die Bremer Nazis hatten die ehemalige „Emmanuel-Straße“ in „Eupener Straße“ umbenannt, nur weil ihr Baumeister, Emmanuel Stern, Jude war. Die Schülerinnen hatten zum Leben des Emmanuel Stern und der Auseinandersetzung zur Umbenennung in der NS-Zeit recherchiert, eine Ausstellung erarbeitet und sich z.B. auf Einwohnerversammlungen in den öffentlichen Diskurs um die Beseitigung von NS-Unrecht in diesem Bereich eingemischt. Sie fanden deutliche Unterstützung im Stadtteilbeirat, aber die Sache ist immer noch nicht entschieden, da der zuständige Senator den Beschluss des Stadtteilbeirats wegen des Widerstands der Anwohner derzeit nicht umsetzt. Die Schülerinnen stehen engagiert mitten in dieser lokalpolitischen Kontroverse über den Umgang mit Unrecht aus der NS-Zeit.


- Auch das Projekt „Stadtplan der Religionen“, wurde in diesem Jahr Preisträger bei „Demokratisch Handeln“. Jugendliche aus allen Bremer Religionsgemeinschaften arbeiten seit einigen Jahren zusammen, um einen Bremer Stadtplan der Religionen zu erstellen, der die Religionen vorstellt und die Orte festhält, an denen insbesondere Jugendliche der jeweiligen Religion nachgehen können. Unter „ www.stadtplan-der-religionen.de „ wurde ein Internetportal erarbeitet, dessen Ergebnisse demnächst auch in Buchform erscheinen werden. Neben diesen praktischen Ergebnissen gilt in diesem Projekt aber auch das Prinzip: „Der Weg ist das Ziel“: Der regelmäßige Dialog von Jugendlichen aller Religionen ist für sich allein ein beispielgebendes Ziel dieses Projektes. Auf der diesjährigen „Nacht der Jugend“ stellte das Projekt sein Internetportal offiziell vor und führte ein Diskussionsforum durch zum Thema: „Religion - Wozu? Was glaubst du?“


- Die erste „Bremerhavener Nacht der Jugend“ wurde in diesem Jahr auf die Beine gestellt und der Bremerhavener Stadtschülerring war einer der wichtigsten Organisatoren. Die Schülerinnen und Schüler präsentierten dort eine Ausstellung mit dem Titel: „Zur Situation von Flüchtlingen in Deutschland und der Welt“. Dabei mischten sich die Schüler in die Debatte um die rechtliche Lage von Asylbewerbern ein, insbesondere kritisierten sie die gesetzlich gebotene Residenzpflicht. Diese hat zur Folge, dass ein in Bremerhaven ansässiger Flüchtling eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn er ohne behördliche Genehmigung die Stadtgrenzen Bremerhavens verlässt und z.B. nach Bremen zu einem Werder-Spiel fährt. Eine Straftat begeht er, wenn er im Wiederholungsfall einen in Bremen (oder Oldenburg) wohnenden Freund besucht. Das ist dann ein Fall für die Kriminalstatistik von Ausländern. Für 10-maligen Verstoß gegen die Residenzpflicht droht Flüchtlingen durchaus Haft ohne Bewährung. Gegen diese erheblichen Einschränkungen der (Bremerhavener) Flüchtlinge, gegen diese „Residenzpflicht“, wandte sich der Bremerhavener Stadtschülerring in einem Schreiben an den Bremer Innensenator und versuchte hier eine Verbesserung zu erreichen. Die Auseinandersetzung mit der Politik wurde auf der „Bremerhavener Nacht der Jugend“ dokumentiert. (siehe: www.bremerhavener-nachtderjugend.de unter: news)


- Das SZ Carl von Ossietzky, ebenfalls in Bremerhaven, mischte sich mit Podiumsdiskussionen und Politikerinterviews in die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung ein. Während bei Bundes- und Landtagswahlen das Fernsehen kurz nach Schluss der Wahllokale in Hochrechnungen das Ergebnis meist zielgenau bekannt gibt, fehlte dieses Instrument bei der Bremerhavener Wahl. In diese Lücke stießen die Schülerinnen und Schüler des Schulzentrums, organisierten eine eigene „Wahlnachfrage“ und hatten das annähernde Ergebnis genauso rasch wie sonst ARD und ZDF. Ziel des Projektes war auch, durch eine höhere Wahlbeteiligung dem Einzug der rechtsradikalen DVU in die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung Steine in den Weg zu legen. Das Projekt ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Beschäftigung mit „höherer Mathematik“ sowie „großer Politik“ und demokratischem Handeln verbinden lässt.


Während der „Lernstatt Demokratie“ vom 16. –19. Juni in Stuttgart, werden die genannten Projekte, neben knapp 50 weiteren Preisträgern, ihre demokratischen Erfahrungen bei der Einmischung in Fragen der Lokalpolitik bis hin zu Fragen der „großen Politik“ präsentieren, Anregungen weiter geben aber auch Anregungen aufnehmen, mit Politikern diskutieren und in Workshops neue demokratische Impulse bekommen. Auf der Lernstatt in Stuttgart werden sie für ihr demokratisches Handeln öffentliche Anerkennung erhalten, ihre demokratischen Erfahrungen vermitteln und selbst Demokratie lernen.


Weitere Informationen:
Wolfram Stein, Regionalberater „Demokratisch Handeln“, Bremen
e-mail: stein-bremen@lis.bremen.de
Tel. : 0421 361 10790 / 0421 50 65 95