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Die Senatorin für Kinder und Bildung

Wissenschaftsdeputation zu Affenversuchen

25.10.2002

In der Deputation für Wissenschaft ist heute (25.10.2002) der Bürgerantrag „Stoppt die Af-fenversuche an der Bremer Universität – Tierversuche perspektivisch reduzieren“ beraten worden. Die Vertrauenspersonen der Antragsteller, die geladen waren, um ihren Antrag zu erläutern, erschienen nicht zu der Sitzung. Die Deputation beschloss, dem Senat eine Ab-lehnung des Antrages mit einem ausführlichen Bericht zur Weiterleitung an die Bürgerschaft zu empfehlen. (Text siehe weiter unten)


Außerdem beschloss die Deputation folgenden Zusatzantrag:

In Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes ist der Freiheit von Forschung und Lehre Verfas-sungsrang eingeräumt worden. Dies schließt ausdrücklich Grundlagenforschung mit ein. Grundlagenforschung ist die notwendige Voraussetzung für den Bereich der angewandten Forschung. Ohnehin ist der Tierschutz als Staatsziel durch Artikel 20 a in das Grundgesetz mit aufgenommen. Aufgrund der genannten Regelungen des Grundgesetzes ist in der lau-fenden Diskussion die Autonomie der Universität und der Hochschulen zu beachten und darf nicht aufgrund unterschiedlichster politischer Zielvorstellungen eingeschränkt werden.

1. Die Deputation für Wissenschaft begrüßt, dass nunmehr die notwendige Entscheidung zur Anschaffung eines bildgebenden Gerätes eingeleitet und die entsprechenden Mittel bereitgestellt worden sind. Sie erwartet, dass dieser Forschungsbereich auch im Weite-ren durch das Land unterstützt wird.

2. Die Deputation für Wissenschaft fordert die Universität auf, unter Beachtung der Freiheit der Forschung geeignete Maßnahmen einzuleiten, um die Gesamtzahl der Tierexperi-mente, die für den Gewinn einer wissenschaftlichen Erkenntnis notwendig sind, wo im-mer möglich zu reduzieren.

3. Die Deputation für Wissenschaft fordert die Universität auf, in einem Bericht darzulegen, welche Forschungen zur Entwicklung von Ersatzmethoden für Tierexperimente es in der Vergangenheit bereits gegeben hat und wie sie eine Ausweitung solcher Forschungen, eventuell über ein entsprechend ausgestattetes Sonderprogramm oder innerhalb beste-hender Programme, fördern wird.

4. Die Deputation für Wissenschaft fordert den Senat auf, über die Zusammensetzung der Ethikkommission(en) sowie deren bisherige und zukünftige Arbeit zu berichten.

5. Die Deputation für Wissenschaft bittet die Universitätsleitung, den Dialog zum Thema „Tierexperimente in der Forschung – Reduction, Refinement, Replacement“ zur interdis-ziplinären, fachwissenschaftlichen Diskussionen zwischen allen Beteiligten innerhalb und außerhalb der Universität zu organisieren.




Bericht der staatlichen Deputation für Wissenschaft
„Stoppt die Affenversuche an der Universität Bremen –
Tierversuche perspektivisch reduzieren“


Bürgerantrag vom 28. November 2001 (Drucksache 15/1038)



Der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) hat in ihrer Sitzung am 23. Januar 2002 folgender Bürgerantrag vorgelegen:


„Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:


1. Der Senat wird aufgefordert, keine Mittel für den Ausbau der tierexperimentellen For-schung an der Universität Bremen bereitzustellen und die bereits zugegangenen Mittel, insbesondere für Tierversuche an Affen, zurückzunehmen.


2. Der Senat wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der biologischen Forschung an der Universität Bremen umgehend tierversuchsfreie Verfahren zum Ein-satz kommen und Tierversuche ersetzt werden.


3. der Senat wird aufgefordert, die gesamte tierexperimentelle Forschung im Bundesland Bremen unter Beteiligung des Bremer Tierschutzvereins einer unabhängigen fachwis-senschaftlichen Diskussion und Bewertung zu unterziehen.“


Der Bürgerantrag wurde zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Wissenschaft (federführend) und die staatliche Deputation für Arbeit und Gesundheit über-wiesen. Die Deputation für Wissenschaft hat in Ihrer Sitzung am 26.04.02 den Antrag bera-ten und gibt folgenden mit der Deputation für Arbeit und Gesundheit abgestimmten Bericht ab:


Zu Ziffer 1 des Bürgerantrags


"Der Senat wird aufgefordert, keine Mittel für den Ausbau der tierexperimentellen Forschung an der Universität Bremen bereitzustellen und die bereits zugegangenen Mittel, insbesonde-re für Tierversuche an Affen, zurückzunehmen."


Nach derzeitiger Kenntnis ist ein Ausbau der tierexperimentellen Forschung an der Universi-tät Bremen nicht vorgesehen. Vielmehr werden gem. dem Bürgerschaftsbeschluss „Tierver-suche perspektivisch reduzieren“ vom 11.6.1997 (Drs. 14/693 ) die bildgebenden Verfahren aufgebaut.


In den vergangenen Jahren wurden mehrere Hochschullehrer zur Stärkung des neuro- und kognitionswissenschaftlichen Schwerpunktes an die Universität Bremen berufen, dies nicht zuletzt aufgrund der Empfehlungen der Gutachter des gemeinsam mit der Universität Ol-denburg betriebenen Sonderforschungsbereiches „Neurokognition“ und der Deutschen For-schungsgemeinschaft. Insbesondere die Arbeiten dieser Neuberufenen und deren Mitarbei-ter haben bei der letzten Begutachtung des Sonderforschungsbereichs zu einem positiven Votum der Gutachter geführt und somit dazu beigetragen, dass der Sonderforschungsbe-reich ab dem 1.1.2002 für weitere drei Jahre durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit ca.1 Mio. € p.a. gefördert wird.

Einige dieser Hochschullehrer arbeiten tierexperimentell.

Aufgrund des Artikel 5 des Grundgesetzes (Freiheit in Forschung und Lehre) sind Hoch-schullehrer frei in der Wahl ihrer Forschungsthemen und ihrer Forschungsgegenstände, da-zu gehört auch die Wahl der Methode. Solange die Forschung auf der Basis der gesetzli-chen Grundlagen stattfindet, ist ein Eingriff in die wissenschaftliche Unabhängigkeit nicht möglich.


Die Mittel für die Forschung und Lehre werden der Universität, wie auch den anderen Hoch-schulen des Landes, pauschal zugewiesen, die Universitätsleitung weist dann diese Mittel den einzelnen Fachbereichen und Hochschullehrern zu. Bei der Gewinnung von Hochschul-lehrern werden nach Ruferteilung seitens der Universitätsleitung Ausstattungsgespräche mit den Kandidaten geführt und dem Kandidaten gegenüber Zusagen bezüglich der Ausstat-tung des Fachgebietes gemacht, damit der Professor sein Arbeitsgebiet in Lehre und For-schung aufbauen und vertreten kann. Aufgrund dieser Ausstattungszusagen nimmt der Hochschullehrer den Ruf an oder lehnt ihn ab. Bei Annahme des Rufes muß der Wissen-schaftler darauf vertrauen können, dass die gemachten Zusagen eingehalten werden.

Für die Universitätsleitung und für den Senator für Bildung und Wissenschaft besteht somit nicht die Möglichkeit, einem Hochschullehrer die zugesagten Mittel für die Durchführung seiner wissenschaftlichen Arbeiten zu kürzen oder zu streichen, wenn einer gesellschaftli-chen Gruppe, der Universitätsleitung, dem Senat oder ggf. auch einer Einzelperson eine Forschungsrichtung nicht genehm ist; dies wäre Willkür und hätte schlimme Auswirkungen zur Folge.

Die Autonomie der Hochschulen wurde aufgrund der politischen Vorgaben in den letzten Jahren gestärkt, die staatliche Lenkung wurde auf eine Globalsteuerung zurückgenommen. Dieses bedeutet eine nur geringe Eingriffstiefe in den laufenden Wissenschaftsbetrieb. Der Senator für Bildung und Wissenschaft oder die Universitätsleitung haben die bei der Einstel-lung der Professoren zugesagten Mittel über Kontrakte auf haushaltsgesetzlicher Basis ver-einbart. Sie können daher durch politische Entscheidungen nachträglich kaum gekürzt oder gar gestrichen werden. Darüber hinaus erhalten Hochschullehrer sogenannte Drittmittel von Forschungsförderungsorganisationen, die sie persönlich eingeworben haben und die ihnen von den Forschungsförderungsorganisationen für ihre Forschungsvorhaben bewilligt wer-den. Diese Drittmittel machen oft ein Vielfaches der Grundausstattung, die die Universität zur Verfügung stellt, aus. Dieses ist bei einigen der Hochschullehrer, die tierexperimentell arbeiten, auch der Fall.

Insofern wäre der Bürgerantrag in diesem Fall gar nicht umsetzbar.



Zu Ziffer 2 des Bürgerantrags


"Der Senat wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der biologischen For-schung an der Universität Bremen umgehend tierversuchsfreie Verfahren zum Einsatz kommen und Tierversuche ersetzt werden."


Grundsätzlich dürfen nach dem Tierschutzgesetz Tierversuche u.a. nur dann durchgeführt werden, wenn sie nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unerläßlich sind und der Zweck nicht durch tierversuchsfreie Methoden oder Verfahren erreicht werden kann.

Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales als Genehmigungsbehör-de stellt sicher, dass dieser Grundsatz an den wissenschaftlichen Einrichtungen im Land Bremen, die Tierversuche durchführen, in der Praxis befolgt wird.


In dem Beschluss der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) vom Juni 1997 „Tierversuche perspektivisch reduzieren“ (Drs. 14/693) wird u.a. die Erwartung ausgesprochen, dass die Hirnforscher die bildgebenden Verfahren so entwickeln, dass in der Perspektive Eingriffe in Primatengehirne unnötig werden. Dieser Beschluß wurde dahingehend umgesetzt, dass im Herbst 2000 die Gründung des Zentrums für Neurowissenschaften (ZeN) erfolgte, das einen 3-Tesla- Kernspintomographen beschaffen und betreiben soll. Das Zentrum hat in 2001 die Beschaffung des 3-Tesla-Kernspintomographen mit einer europaweiten Ausschreibung ein-geleitet. Nach der Angebotsauswertung erstellten die Wissenschaftler einen HBFG-Großgeräteantrag, der im Frühjahr dieses Jahres der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zugeleitet wurde, mit dem Ziel der hälftigen Mitfinanzierung durch den Bund. Nach Auskunft der DFG dauert das Begutachtungsverfahren 3 bis 4 Monate, so dass – vorausge-setzt der Antrag wird positiv begutachtet – die Bestellung des Gerätes im Sommer 2002 er-folgen kann. Nach heutigem Verfahrensstand ist davon auszugehen, dass der Kernspinto-mograph noch in diesem Jahr eingesetzt werden kann und damit der Einsatz von bildge-benden Verfahren durch die Neurowissenschaftler der Universität Bremen möglich ist.

Damit wurden durch den Senat bereits die Voraussetzungen geschaffen, dass tierversuchs-freie Verfahren in der neurobiologischen Forschung der Universität Bremen zum Einsatz kommen.


Zur Gewinnung von grundlegenden Erkenntnisse über Struktur und Funktion von Gehirnen wird es nach Aussagen der Wissenschaftler auch weiterhin notwendig sein, neben den bild-gebenden Verfahren Versuche an Tieren durchzuführen. Aus diesem Grunde hat der Sena-tor für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales die Tierversuche an Makaken im Dezember letzten Jahres für weitere drei Jahre genehmigt. Der Genehmigung war insbe-sondere die Befassung der beratenden Kommission nach § 15 Abs. 1 des Tierschutzgeset-zes (Tierschutzkommission, Ethikkommission) vorausgegangen, die nach wissenschaftli-cher Einschätzung und unter Abwägung von ethischen Gesichtspunkten dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales die Genehmigung der Tierversuche mehrheitlich empfohlen hat.



Zu Ziffer 3 des Bürgerantrags


"Der Senat wird aufgefordert, die gesamte tierexperimentelle Forschung im Bundesland Bremen unter Beteiligung des Bremer Tierschutzvereins einer unabhängigen fachwissen-schaftlichen Diskussion und Bewertung zu unterziehen.“


Es gibt im Land Bremen bereits eine Kommissionen, die sich mit der Bewertung von Tier-versuchen befasst.


Seit 1987 ist beim Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales die schon in Antwort zu Ziffer 2 des Bürgerantrages genannte „Tierschutzkommission“ gemäß § 15 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes eingerichtet, die die Behörde bei der Entscheidungen über genehmigungspflichtige Tierversuche berät.

Dabei geht es einerseits um naturwissenschaftliche Fragen, die ein Spezialwissen erfor-dern, und andererseits um die Bewertung der ethischen Vertretbarkeit des Tierversuchsvor-habens.

Dieser Kommission gehören gemäß Tierschutzgesetz mehrheitlich wissenschaftlich ausge-bildete Personen verschiedener Fachrichtungen mit speziellen Kenntnissen über Tierversu-che an und zu einem Drittel Personen, die auf Vorschlag der Tierschutzorganisationen beru-fen wurden.


Der Akademische Senat der Universität Bremen wird sich auf seiner Sitzung am 16.10.02 mit der Einsetzung einer Ethikkommission sowie deren Aufgabenstellung befassen. In die-sem Zusammenhang soll auch über die Bewertung von Tierversuchen beraten werden. Ü-ber das Ergebnis des Beschlusses des Akademischen Senats wird der Vertreter der Univer-sität Bremen während der Sitzung berichten.


Gem. § 5 des Gesetzes über das Verfahren beim Bürgerantrag vom 20.12.1994 (Brem. GBl. S. 325) wurde/n die Vertrauensperson/en in der o.g. Sitzung der Deputation für Wissen-schaft vorher gehört. Insgesamt wurden hier keine neuen Argumente oder Fakten vorgetra-gen, die nicht bereits in der Stellungnahme zu den drei Fragen berücksichtigt sind.

Die Deputation für Wissenschaft und die Deputation für Arbeit und Gesundheit empfehlen deshalb der Bürgerschaft, den Bürgerantrag (Drs. 15/1038) abzulehnen. (Abstimmungser-gebnisse: in der Deputation für Wissenschaft, in der Deputation für Arbeit und Ge-sundheit)


Beschlussvorschlag:
Die Bremische Bürgerschaft lehnt den Bürgerantrag „Stoppt die Affenversuche an der Uni-versität Bremen – Tierversuche perspektivisch reduzieren“ ab.