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Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau

25. November: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Frauen mit Behinderung müssen besser vor Gewalt geschützt werden

23.11.2012

„Frauen mit Behinderungen sind wesentlich häufiger von unterschiedlichen Formen von Gewalt betroffen als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Das muss uns alarmieren - und dagegen müssen wir etwas tun“, sagt Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen. Am Sonntag, 25. November wird weltweit an Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen gedacht und in Aktionen auf diese aufmerksam gemacht. Eine repräsentative Studie mit 1.500 Frauen mit verschiedenen Behinderungen und Beeinträchtigungen in Haushalten und Einrichtungen hat jetzt ein erschreckendes Bild offenbart. „Behinderte Frauen berichteten zwei- bis dreimal häufiger von sexueller Gewalt als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Fast die Hälfte der Befragten hat sexuelle Gewalthandlungen in Kindheit, Jugend oder im Erwachsenenalter erlebt“, erläutert Hauffe. Auch körperliche und psychische Gewalt treffe diese Frauen deutlich häufiger als nichtbehinderte Frauen.

„Frauen und Mädchen mit Behinderung sehen oftmals aufgrund ihrer Abhängigkeit von ihrem Umfeld keine Möglichkeit, sich gegen Gewalt zu wehren. Das muss sich ändern. Diese Frauen müssen mit gezielten Angeboten angesprochen werden“, formuliert Ulrike Hauffe eine zentrale Forderung. Neben konkreten Maßnahmen wie Selbstbehauptungs- oder Verteidigungskursen seien die Berufung von Frauenbeauftragten in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder die Prüfung eines Rechtsanspruchs auf gleichgeschlechtliche Pflege Wege, um die Betroffenen zu stärken. Außerdem müsste das Hilfe- und Unterstützungssystem barrierefrei zugänglich sein, was bisher nicht immer der Fall ist.

Bremischer Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention

„Wenn Frauen mit Behinderung so häufig Gewalt, sexuelle Übergriffe und Diskriminierung erleben, stehen wir in der Verantwortung und müssen dafür sorgen, dass diese Frauen, aber auch behinderte Männer, die Gewalt ausgesetzt sind, besser geschützt werden“, erklärt Dr. Joachim Steinbrück, Bremens Landesbehindertenbeauftragter.

„Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung in Artikel 16 dazu verpflichtet, ein umfassendes Bündel geeigneter Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte vor jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu schützen. Als Landesbehindertenbeauftragter und als Vorsitzender des „Temporären Expertinnen- und Expertenkreis“ zur Erarbeitung eines bremischen Aktionsplans zur Behindertenrechtskonvention setze ich mich dafür ein, dass in diesem Aktionsplan geeignete Maßnahmen zur Gewaltprävention vorgesehen und die bereits vorhandenen diesbezüglichen Strukturen weiter ausgebaut werden“, so Joachim Steinbrück abschließend.

Hilflosigkeit oft „regelrecht erlernt“

Die Beratung bei sexueller Gewalt an Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigungen, insbesondere mit so genannter Lern- und geistiger Behinderung, ist ein Schwerpunkt der Beratungsstelle Schattenriss e.V. In Bremen ist sie die einzige Anlaufstelle für diese Klientel mit solcher Erfahrung.

Die Erfahrungen der Beratungsstelle zeigen, dass die Arbeit mit Frauen mit Beeinträchtigungen für die Beraterin eine besondere Herausforderung darstellt. „Wir haben es hier oft mit doppelter Hilflosigkeit zu tun. Zum einen werden Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigungen oft nicht ausreichend in ihrer Selbstbestimmung und Selbstständigkeit gefördert und erlernen regelrecht Hilflosigkeit. Die Selbstbestimmung wird zusätzlich durch erlebte sexuelle Übergriffe zutiefst verletzt und missachtet“, sagt Solrun Jürgensen, Sonderpädagogin und Traumatherapeutin bei Schattenriss.

Die Beratung von Mädchen und Frauen mit Lernschwierigkeiten erfordere zudem oft ein hohes Maß an Engagement der Beraterin und mehr Zeit für Vorbereitung und Kooperation mit dem sozialen Netzwerk. Die Arbeit verlaufe kleinschrittig und erfordere Geduld von der Beraterin wie von der Klientin. „Zudem ist die Arbeit sehr berührend, weil viele Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigungen eher selten so eine gezielte und intensive Zuwendung erleben wie in der Beratungssituation. Bei vielen von ihnen wurden die Ressourcen bisher viel zu wenig genutzt und gefördert, so dass die Beratung deutlich zur Persönlichkeitsentwicklung und Erweiterung des Handlungsrepertoires der Mädchen und Frauen beitragen kann“, weiß Jürgensen.

Fachtag „Gewalt gegen Frauen und Männer mit Behinderung - was können wir in Bremen dagegen tun?“ am 27. November

Gewalt ist für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen, aber auch für Professionelle, die in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen arbeiten, ein sehr häufiges Thema. 2011 hat eine repräsentative Studie für Frauen gezeigt, dass Frauen und Mädchen in ihren Familien, in Einrichtungen oder von Menschen in ihrem Umfeld in erschreckend hohem Maße körperliche, sexuelle und psychische Gewalt erleben. Eine Studie zur Situation von Männern wird zurzeit erarbeitet. Bei dem Fachtag soll diskutiert werden, wie die Situation in Bremen ist und welche Konsequenzen zu ziehen sind – auch angesichts der Erarbeitung des Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Lande Bremen.

Durchgeführt wird die Veranstaltung von der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) und dem Landesbehindertenbeauftragten der Freien Hansestadt Bremen.
Der Fachtag „Gewalt gegen Frauen und Männer mit Behinderung – was können wir in Bremen dagegen tun?“ findet am Dienstag, dem 27. November 2012, von 14.00 bis 17.30 Uhr in der Bremischen Bürgerschaft im Börsenhof A statt.