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Sonstige

Moderne Piraterie im Indischen Ozean - Hintergründe und Folgen

Vortrag von Kapitän Peter Irminger, ZASS International, Hamburg

19.01.2012
Kapitän Peter Irminger, ZASS International, Hamburg
Kapitän Peter Irminger, ZASS International, Hamburg

Am Mittwoch, den 25.Januar 2012 um 20 Uhr setzt die bekannte Film- und Vortragsreihe "Bremer Tagebuch" ihr Winterprogramm 2011/2012 im Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5 im Zentrum Bremens fort. Eingeladen ist Peter Irminger, Geschäftsführer ZASS International GmbH in Hamburg. Als ehemaliger Professor für Schifffahrtsrecht und Navigation an der Hochschule Bremen hat sich Peter Irminger frühzeitig mit Überfällen auf See auseinandergesetzt und ist heute Spezialist für die Piratenüberfälle im Indischen Ozean. Für einen Lettischen Reeder hat er zum Beispiel über Lösegeldforderungen mit somalischen Piraten verhandelt und diese erfüllt. Selbstverständlich ist Kapitän Irminger gerne bereit, in dieser Veranstaltung Fragen zu dem vielseitigen Thema "Moderne Piraterie" zu beantworten.

Piraterie ist so alt wie die Seefahrt selbst. Das bezeugen ägyptische Aufzeichnungen aus dem 14. Jahrhundert vor Christus. Die Piraten waren - wie heute am Horn von Afrika - oft organisiert und wurden zum Teil von Königen und Herrschern geduldet oder ermutigt. Häufig arbeiteten sie mit der küstennahen Bevölkerung zusammen, die von den Beutezügen der Piraten profitierte. Das gibt es auch heute noch am Horn von Afrika, im südchinesischen Meer, in den Indochinesischen Gewässern, in der Karibik, vor der Küste Brasiliens und an der Westküste Afrikas.

Um die Piratennester bildeten sich größere Kolonien mit städtischen Infrastrukturen und mit allem, was eine derartige Gemeinschaft zum Leben braucht. Zum Beispiel ist ein somalischer Pirat derart begehrt, dass sich in diesen neuen Siedlungen richtige Heiratsmärkte gebildet haben, denn ein somalischer Pirat ist eine "Gute Partie".

Somalischer Piratenüberfall auf Ro-Ro Frachter MV Faina / Foto:© 2008  navy.mil
Somalischer Piratenüberfall auf Ro-Ro Frachter MV Faina / Foto:© 2008 navy.mil

Auch wenn nur etwa jeder zehnter Überfallversuch gelingt, lohnt es sich trotzdem, weil jeder beteiligte Pirat eine Prämie von ca. 10.000 US-Dollar erhält. Das entspricht etwa dem Lebensgehalt eines Somali, d. h. mit einem erfolgreichen Einsatz hat ein somalischer Pirat für sein Leben ausgesorgt. Deshalb gibt es auch keinen Mangel an jungen, mutigen Nachwuchspiraten.
"Der beste Schutz vor einem Piratenangriff ist die Geschwindigkeit eines Schiffes", sagt Kapitän Irminger und empfiehlt, immer mit voller Geschwindigkeit gegen die See anzufahren, um kurze und steile Wellen zu erzeugen und dadurch das An-Bord-Kommen der Piraten zu erschweren.

Wenn es den Piraten dennoch gelingt, an Bord zu kommen, sollte die gesamte Besatzung schnell in einen Schutzraum flüchten, der mit Kommunikationseinrichtungen, Nahrungsmitteln, Wasser, Steuerfunktionen usw. ausgestattet ist. Als Schutzraum ist der Maschinenkontrollraum besonders geeignet, weil das Schiff weiter fahren und von hier aus im Notfall die Hauptmaschine gestoppt werden kann.

Um einer Geiselnahme zu entgehen, muss die Besatzung so lange im Schutzraum verweilen, bis sie durch Marinesoldaten der internationalen Schutzflotte befreit wird. Darauf müssen die Seeleute mental und psychologisch vorbereitet sein, wenn sie mit ihrem Schiff im Indischen Ozean fahren. Das gilt ebenso für eine mögliche langwierige Geiselhaft durch Piraten.

Das Seegebiet vor der somalischen Küste ist das gefährlichste der Welt. Die Piraten operieren inzwischen von Mutterschiffen aus über 500 Seemeilen vor der Küste im Indischen Ozean und sind auf ihren schnellen Booten mit Navigationsgeräten, Maschinenpistolen, Panzerfäusten, Raketenwerfern usw. hervorragend ausgestattet. Sie sind skrupellos und ihre Angriffe werden immer brutaler.

Am 7. November 2011 wurde zum Beispiel ein Mann auf seiner Yacht erschossen, weil er seine gekaperte Yacht nicht verlassen wollte. Dagegen wurden die anderen Geiseln – eine Frau und ein Junge - nach Augenzeugenberichten an Land gebracht.

Gefangennahme somalischer Piraten / Foto: © 2009 navy.mil
Gefangennahme somalischer Piraten / Foto: © 2009 navy.mil

Durch den koordinierten Einsatz einer internationalen Kriegsflotte vor der Küste Somalias und entsprechenden Schutzmassnahmen auf den Schiffen wurden in den ersten neun Monaten 2011bei 199 registrierten Überfällen insgesamt nur 24 Handelsschiffe gekapert - während es im Vorjahr bei 124 Überfällen noch 35 waren, d. h. trotz steigender Zahl der Überfälle ist die Erfolgsquote der somalischen Piraten erstmals rückläufig.

Dabei muss erwähnt werden, dass die Bekämpfung somalischer Piraten durch internationale Marineeinheiten schwierig ist, weil das gefährdete Seegebiet im Indischen Ozean sehr groß ist. Zum Beispiel ist das Einsatzgebiet der EU-Schutztruppe "Atalanta" mit ca. 5,4 Millionen Quadratkilometern etwa 15 Mal so groß wie Deutschland.

In historischer Zeit wurden Piraten auch an Land bekämpft und vernichtet. Das ist heute völkerrechtlich kaum realisierbar, obwohl das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU kürzlich angeregt hat, den Marinesoldaten der Anti-Piraten-Mission "Atalanta" die Zerstörung der Boote und Einrichtungen der Piraten am Strand zu erlauben. Auf der anderen Seite muss aber berücksichtigt werden, dass die somalischen Piraten zur Zeit ca. 438 Besatzungsmitglieder und Passagiere sowie ca. 20 Schiffe in ihrer Gewalt haben und eine katastrophale Gegenreaktion auslösen könnten.

Am Rande sei erwähnt, dass somalische Islamisten internationale Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms (WFP) der UN für ihre Landsleute behindern und blockieren. Dadurch missachten Sie nicht nur das im Islam geltende Ideal der sozialen Wohltätigkeit, sondern lassen ihre Landsleute weiter hungern bzw. verhungern. Deshalb schützt die EU mit ihrer Atalanta-Flotte seit 2008 insbesondere internationale Handelsschiffe mit Hilfsgütern für Somalia vor Piraten.

Weltweit wurden 445 Piratenüberfälle auf Handelsschiffe in 2010 registriert. Davon entfielen 74 Überfälle auf deutsche Schiffe, und zwar fuhren fünf Schiffe unter deutscher Flagge und 69 überfallene Schiffe gehörten deutschen Reedern. Der dadurch angerichtete Schaden ist für die deutsche Seeschifffahrt immens groß und das kann nicht so weiter gehen.

In Zusammenarbeit mit der ZASS International GmbH (www.zass-international.com), der Wittheit zu Bremen (www.wittheit.de) und der Bremer Kieserling Stiftung (www.kieserling-stiftung.de) veranstaltet das "Bremer Tagebuch" erstmals einen spannenden Film- und Vortragsabend über Piraten im Indischen Ozean, weil kein Thema der Schifffahrt in jüngster Zeit so kontrovers diskutiert wird.

Programmfolge:

  • Musikalische Begleitung
    Marina Kondraschewa, Bremen
  • Piraten im "Bremer Tagebuch"
    Begrüßung und Einführung von Heiko Gertzen, Bremen
    Moderne Piraterie im Indischen Ozean - Hintergründe und
    Folgen
  • PowerPointPräsentation von Kapitän Peter Irminger, Hamburg

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, insbesondere Reeder, Spediteure, Logistiker, Juristen für Seerecht und junge Leute aus den Bremer Schulen, Hochschulen und Universitäten, die sich für Schifffahrt, Transport, Logistik und Hafenwirtschaft interessieren. Das Programm dauert ca. 80 Minuten. Der Eintritt ist dank der Kieserling Stiftung frei.

Hinweis für Medien:
Weitere Informationen erteilt Heiko Gertzen, ehrenamtlicher Projektleiter "Bremer Tagebuch", mobil: 0172-5439941.