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Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz

Ein Jahr Bremer Landesaktionsplan Istanbul-Konvention

07.03.2023

Der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt ist auch heute noch so aktuell, wie eh und je. Das zeigen auch die Zahlen der gestern vom Senator für Innere vorgestellten Polizeilichen Kriminalstatistik für Bremen 2022. Die Zahl der Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen bzw. Übergriffe ist von 128 Fällen (in 2021) auf 156 Fälle das dritte Jahr in Folge gestiegen. Beim sexuellen Missbrauch von Kindern sind die Bremer Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr (132) in 2022 (120) leicht zurückgegangen, doch muss man hier von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Auch im Bereich der Kinderpornografie gibt es keine Entwarnung und etliche Fälle warten noch auf ihre Bearbeitung.

"Die aktuellen Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigen, dass wir noch sehr viel zu tun haben, um Frauen und Kinder besser vor Gewalt zu schützen. Im vergangenen Jahr konnte teilweise erst später mit der Umsetzung vieler Maßnahmen begonnen werden, aber das wird für dieses Jahr deutlich besser und effektiver werden. Es zeigt sich allerdings jetzt schon, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen werden. Für viele Maßnahmen, wie beispielsweise für die zentrale Gewaltschutzambulanz am Klinikum Bremen-Mitte brauchen wir eine Verstetigung im Haushalt, wie auch für all die aktuellen Maßnahmen und womöglich weiteren, die sich noch ergeben. Gewaltschutz ist keine Sache, so bedauerlich das auch ist, die in absehbarer Zeit enden wird. Daher müssen wir dafür auch in Zukunft ausreichend finanzielle Ressourcen bereitstellen", sagt Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.

Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen des Landesaktionsplans erfolgt durch einzelne senatorische Behörden beziehungsweise den Magistrat Bremerhaven. Unter anderem konnten die folgenden Maßnahmen bereits auf den Weg gebracht werden:

Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz

  • Prozess zur Qualitätsverbesserung der Frauenhäuser
  • Vorbereitung der Einrichtung einer Gewaltschutzambulanz für von Gewalt betroffenen Menschen aller Altersstufen, Frauen, Männer, Trans*Personen, nichtbinäre Personen, Inter*Personen und Kinder zur Versorgung nach häuslicher Gewalt und/oder sexueller Gewalt
  • Schaffung neuer Schutzangebote für wohnungslose, psychisch kranke, suchtmittelkonsumierende sowie sich prostituierende Frauen, die Gewalt erlebt haben

Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF)

  • Federführung bei der Vernetzung verschiedener Hilfesysteme
  • Erstellung von Informationsmaterial über weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
  • Verbesserung der Sprachmittlungsangebote

Dazu Bettina Wilhelm, Landesfrauenbeauftragte: "Frauen und Mädchen, die Gewalt erfahren haben, müssen sich auf eine vertrauliche, anonyme und qualifizierte Sprachmittlung verlassen können. Aktuell haben Beratungsstellen, Verwaltung sowie Polizei im Land Bremen nicht immer Zugang zu Videodolmetschung. Hier prüfen wir im Rahmen der Umsetzung des LAP die Einführung einer Flatrate: einer unbegrenzten Inanspruchnahme von Dolmetscherdiensten zu einem Festpreis. Erfahrungen in anderen Bundesländern mit einer solchen Flatrate sind sehr gut."

Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport

  • Standardisiertes Gewaltschutzmonitoring in Einrichtungen für Geflüchtete
  • Angebot eines Kurses zur Aufklärung und sexuellen Selbstbestimmung für FLINTA mit kognitiver Beeinträchtigung
  • Schaffung eines Gewaltschutzkonzepts und Frauenbeauftragte in Wohneinrichtungen

Dazu Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport "Wir haben die psychologische Erstberatung in den Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete aufgestockt und prüfen, ob wir 2023 eine weitere Stelle einrichten können. Das standardisierte Gewaltschutzmonitoring in den Einrichtungen läuft, und es gibt Schulungen zum Gewaltschutz, zur seelischen Gesundheit, zum Umgang mit Traumata, Krisen sowie zur Kultursensibilität. Diese Schulungen haben wir für Mitarbeitende der Sicherheitsdienste geöffnet, die 2023 verstärkt teilnehmen werden."

Senatorin für Kinder und Bildung

  • Unterstützung von Schulen bei der Erstellung schulspezifischer Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt
  • Erstellung eines Ordners "Hilfen bei nicht-alltäglichen Situationen in Schule" (Arbeitstitel) zur Eindämmung digitaler Gewalt
  • Einrichtung einer Anlaufstelle für Schülerinnen und Schüler, die von Diskriminierung im digitalen Raum betroffen sind bei der Antidiskriminierungsberatung der ReBUZ

Dazu Sascha Karolin Aulepp, Senatorin für Kinder- und Bildung: "Gerade Mädchen brauchen Schutz und Unterstützung, um sich als selbstwirksam, stark und geborgen zu erleben. Das leisten unsere Kitas und Schulen. Dazu gehört für mich, dass Kitas und Schulen gegen sexuelle Gewalt aktiv werden und dafür Schutzkonzepte entwickeln. Kinderschutz ist, da bin ich mir mit dem Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes ganz einig, eine notwendige Frage der Haltung. Wir sorgen dafür, dass die in Kita und Schule Tätigen auf themenspezifischen Fachtagen und Fortbildungen ihre entsprechenden Kompetenzen stärken."

Senatorin für Justiz und Verfassung

  • Leichtere und barriereärmere Beantragung von Prozesskostenhilfe, die vorrangig im Zivilprozess eine bedeutende Rolle spielt:
  • Erstellung von Informationsmaterial zur psychosozialen Prozessbegleitung in analoger wie digitaler Form, sowie mehrsprachig und in Leichter Sprache
  • Kostenübernahme für die Ausbildung der psychosozialen Prozessbegleitungen der Sozialen Dienste der Justiz durch die ZGF übernommen.

Dazu Claudia Schilling, Senatorin für Justiz und Verfassung: "Neben der Strafverfolgung muss es insbesondere im Bereich der häuslichen Gewalt vor allem auch um eine nachhaltige Verhaltensänderung bei den Tätern gehen: Angefangen von Anti-Aggressionstrainings bis hin zu individuellen, auf die jeweilige Person zugeschnittenen Angeboten. Ziel dieser 'Täterarbeit' ist es, die Opfer dauerhaft vor möglichen weiteren Übergriffen zu schützen. Im Rahmen der Umsetzung der Istanbul-Konvention konnten dafür zwei weitere Mitarbeiterinnen der Sozialen Dienste der Justiz ausgebildet und zusätzlich ein Case-Management etabliert werden, das die Staatsanwaltschaft dabei unterstützt, individuell passgenaue Maßnahmen für die einzelnen Täter anzuordnen. Diesen Weg müssen wir unbedingt weitergehen – um uns insbesondere an die Seite der Frauen zu stellen, die nach wie vor in übergroßer Mehrzahl die Opfer von schlagenden Partnern und häuslicher Gewalt sind."

Polizei Bremen und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven

  • Implementierung von Verfahren zur Erkennung und Bearbeitung von Hochrisikofällen der häuslichen Gewalt
  • Überarbeitung der Standards zum Gefährdungsmanagement bei der Polizei Bremen
  • Inkraftsetzen der "Dienstanweisung zum Umgang mit Häuslicher Gewalt und dem Management von Hochrisikofällen" in Bremerhaven

Dazu Ulrich Mäurer, Senator für Inneres: "Polizei und Innenbehörde haben in den vergangenen Monaten effektiv an der Umsetzung der Istanbul Konvention mitgearbeitet. Die Polizeien haben ihre Instrumente zur Gefährdungsanalyse und zum Gefahrenmanagement von Hochrisikofällen weiter ausgebaut und den Opferschutz weiter gestärkt. Es ist wichtig, genau hinzuschauen – nicht nur für die Polizei, sondern als Gesellschaft. Häusliche Gewalt kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor und das Thema sollte kein Tabu mehr sein. Mit unserem Fortschrittsbericht zeigen wir, dass sich viel in Bremen bewegt und wir daran alle gemeinsam behördenübergreifend mitarbeiten. Wir werden unsere Zusammenarbeit zwischen den Behörden, Ämtern und Beratungsstellen weiter ausbauen und Schnittstellen noch weiter optimieren, damit wichtige Informationen zum Schutz der Betroffenen gebündelt werden können."
Mit dem Fortschrittsbericht zum Bremer Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention informiert der Senat über die Arbeits- und Organisationsstruktur der mit der Koordination der Umsetzung in Bremen beauftragten Landeskoordinierungsstelle Istanbul-Konvention bei der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Die Landeskoordinierungsstelle Istanbul-Konvention hat den in der Konvention vorgeschriebenen Einbezug der Zivilgesellschaft und der Betroffenen durch den Betroffenenbeirat Istanbul-Konvention und acht Arbeitsgruppen koordiniert und daraus mittlerweile feste Einheiten gebildet, die kontinuierlich an der Umsetzung der Maßnahmen arbeiten.

Der Fortschrittsbericht zum Download unter www.gesundheit.bremen.de/frauen-32243

Ansprechpartner für die Medien:
Lukas Fuhrmann, Pressesprecher der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Tel.: (0421) 361-2082, E-Mail: lukas.fuhrmann@gesundheit.bremen.de