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Die Senatorin für Justiz und Verfassung

Keine Abschiebungshaft im Justizvollzug

Justizministerinnen und Justizminister der Länder stimmen gegen das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ des Bundesinnenministers

12.06.2019

Auf Antrag Berlins, Brandenburgs, Hamburgs und Thüringens haben sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder in der heutigen (12.06.2019) Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zum sogenannten „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ausgesprochen.

In der unter wesentlicher Mitwirkung des Bremer Justizressorts verfassten Begründung zu dem Beschluss heißt es, die beabsichtigte Aufhebung der getrennten Unterbringung von Strafgefangenen in Gefängnissen einerseits und ausreisepflichtigen Personen in speziellen Hafteinrichtungen andererseits verstoße gegen europäisches Recht. Die aktuelle Situation sei die absehbaren Folgen von Schließungen diverser Abschiebungshaftanstalten, von langwierigen Asylverfahren und von unzureichenden Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern. Die Öffnung des Justizvollzuges für Abschiebungshäftlinge – darunter Familien mit Kindern – gehe an diesen Problemen nicht nur vorbei, sie führe auch zu erheblichen Sicherheitsrisiken.

„Wir als Land Bremen haben uns erst in der vergangenen Woche auf der Justizministerkonferenz massiv dafür eingesetzt, dass ausreisepflichtige Personen weiterhin in speziellen Einrichtungen und getrennt vom Justizvollzug untergebracht werden. Ich freue mich daher ganz besonders, dass es uns nun gemeinsam mit Berlin, Brandenburg und Thüringen gelungen ist, ein deutliches Signal gegen den Abschiebungswahn des Bundesinnenministers zu setzen. Wenn dieser ohne jeden Sinn und Verstand und ohne Maß und Mitte die Unterbringung von Familien mit Kindern im Gefängnis forciert, damit gegen europäisches Recht verstößt und dabei vollständig an der Realität von Ausreisepflicht und Justizvollzug vorbeiagiert, bedarf es der besonnenen und unmissverständlichen Antwort des Rechtsstaats“, so Justizsenator Martin Günthner.

Der Beschluss der Justizministerinnen und Justizminister führt hierzu aus, dass es im vollbelegten Justizvollzug der Länder an den baulichen, finanziellen und personellen Ressourcen fehle, um die Zusatzaufgabe „Abschiebungshaft“ zu übernehmen. Die vergleichsweise liberale Abschiebungshaft, die dem Konzept „Wohnen minus Freiheit“ folge, könne ohne erhebliche Sicherheitsrisiken nicht parallel zum Sicherheitsregime des Justizvollzuges betrieben werden.

„Personen, deren einziges Vergehen es war, bei uns erfolglos um Schutz nachgesucht zu haben, zumal Familien mit Kindern, dürfen wir nicht wie Strafgefangene behandeln. Dann bleibt es aber das Geheimnis des Bundesinnenministers, wie wir einerseits die Sicherheit des Justizvollzuges für die Bevölkerung gewährleisten, andererseits und gleichsam ‚nebenan‘ aber Menschen in einem möglichst normalen Wohnumfeld unterbringen sollen. Die Pläne des Bundesinnenministers sind nicht nur unethisch, sondern auch fachlich ersichtlich mit heißer Nadel gestrickt. Die Abschiebungshaft im Gefängnis bedeutet ‚geplantes Chaos‘ statt ‚geordneter Rückkehr‘ und wird für Bremen mit Sicherheit nicht umgesetzt werden“, so Martin Günthner.

Zum Hintergrund:
Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (sogenannte Rückführungsrichtlinie) bestimmt, dass die Inhaftierung von Abschiebungsgefangenen grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen erfolgt. Dieses Trennungsgebot wurde durch § 62a Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes in nationales Recht umgesetzt. Die beabsichtigte Gesetzesänderung setzt das Trennungsgebot für etwa drei Jahre ersatzlos und für sämtliche Abschiebungsgefangene außer Kraft. Auf diese Weise soll unter anderem die Unterbringung von ausreisepflichtigen Familien – einschließlich Kindern – in Justizvollzugsanstalten ermöglicht werden. Im Gesetzentwurf wird der Verstoß gegen die europarechtlichen Vorgaben mit einer bestehenden Notlage nach Artikel 18 der Rückführungsrichtlinie begründet.

Der Bremer Senator für Justiz und Verfassung hatte die Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Lübeck-Travemünde genutzt, um für seine ablehnende Haltung zum sogenannten „geordnete-Rückkehr-Gesetz“ des Bundesinnenministers zu werben (vgl. Pressemitteilung vom 06.06.2019, Ausgabe 817).

Ansprechpartner für die Medien:
Dr. Sebastian Schulenberg, Pressesprecher beim Senator für Justiz und Verfassung, Tel. 0421/361-2947, E-Mail: sebastian.schulenberg@justiz.bremen.de