Sie sind hier:
  • Europa- und verfassungswidrig und eine Gefahr für die Sicherheit des Justizvollzuges

Die Senatorin für Justiz und Verfassung

Europa- und verfassungswidrig und eine Gefahr für die Sicherheit des Justizvollzuges

Der Senator für Justiz und Verfassung weist den Referentenentwurf zum "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" des Bundesinnenministers zurück

15.04.2019

Der Senator für Justiz und Verfassung hat mit Schreiben an das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz deutliche Kritik am sogenannten "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" des Bundesinnenministers geäußert. Da der Referentenentwurf in entscheidenden Teilen europarechtswidrig und verfassungswidrig sei und weil er eine Gefahr für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Justizvollzuges bedeute, wurde der Referentenentwurf als unhaltbar zurückgewiesen.

"Der Bundesinnenminister hat jedes Maß und jede Mitte verloren", so Justizstaatsrat Jörg Schulz. "Das sogenannte ´Geordnete-Rückkehr-Gesetz‘ klingt nur dem Namen nach harmlos. In der Sache geht es um nicht weniger als die Schaffung der rechtlichen Grundlagen, um ausreisepflichtige Familien mit Kindern hinter Gefängnismauern verschwinden zu lassen. Der Bundesinnenminister zielt mit seinem Gesetzesvorhaben auf Menschen, die weder Straftäter noch Gefährder sind, sondern deren einziges Vergehen ist, bei uns erfolglos um Schutz nachgesucht zu haben", so der Justizstaatsrat.

Nach dem vorliegenden Referentenentwurf soll die Abschiebungshaft anders als bisher nicht mehr in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen werden, sondern auch in Gefängnissen möglich sein. Begründet wird der darin liegende Verstoß gegen geltendes Europarecht mit einer Notlage. Es bestehe ein eklatantes Missverhältnis von ausreisepflichtigen Personen und Abschiebungshaftplätzen.
"Statt von einer vermeintlichen Notlage zu fabulieren, für die es an jedem Anhaltspunkt fehlt, hätte der Bundesinnenminister gut daran getan, sich einmal mit den Gegebenheiten des Justizvollzuges vertraut zu machen. Während noch 2017 Abschiebungshafteinrichtungen geschlossen wurden, verzeichnen wir seit 2015 in unseren Gefängnissen stark ansteigende Gefangenenzahlen. Die Justizvollzugsanstalt Bremen ist wie bundesweit nahezu alle Vollzugsanstalten an der Grenze zur Überbelegung", erläutert Schulz.

Mit einer durchschnittlichen Auslastung von 86,07 Prozent im Jahr 2016 (durchschnittlich 573,2 Gefangene bei 666 Haftplätzen), 94,80 Prozent im Jahr 2017 (durchschnittlich 631,4 Gefangene bei 666 Haftplätzen) und schließlich 99,95 Prozent in den Monaten Januar bis März 2018 (durchschnittlich 665,67 Gefangene bei 666 Haftplätzen), die durch eine Neufestsetzung der Haftplätze auf 717 auf 91,38 Prozent (durchschnittlich 655,16 Gefangene bei 717 Haftplätzen von April bis Dezember 2018) reduziert werden konnte, ist die Justizvollzugsanstalt Bremen bereits aktuell und bereits angesichts der gegenwärtig zu erfüllenden Aufgaben voll- bis überbelegt. Dabei sind stets Haftkapazitäten freizuhalten, um Tätergruppen und beispielsweise Jugendliche, Frauen und Männer voneinander trennen zu können.

"Die Aufnahme einer weiteren Gefangenengruppe stellt für den Justizvollzug eine echte Notlage dar, ist praktisch nicht umzusetzen und gefährdet den gesetzlichen Auftrag zur Resozialisierung, zur Sicherung von Strafverfahren und zum Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten ganz erheblich. Angesichts der Voll- bis Überbelegung des Justizvollzuges kann das mit dem Gesetz verfolgte Ziel, zeitnah weitere Abschiebungshaftkapazitäten zu schaffen, nicht nur nicht erreicht werden. Herr Seehofer schafft auch einen ineffizienten und gefährlichen Mischbetrieb von Strafhaft und Abschiebung, bei dem für die einen strengste Sicherheitsvorgaben umgesetzt werden müssen und für die anderen ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit sichergestellt werden muss", bewertet der Justizstaatsrat die Auswirkungen des geplanten Gesetzes.

In der Stellungnahme des Senators für Justiz und Verfassung zum Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums wird hervorgehoben, dass dieser sich nicht zu den personellen, finanziellen, organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen einer Abschiebungshaft im Justizvollzug verhalte. "Der Bundesinnenminister handelt mit seinem Gesetzesvorhaben nicht nur rechtlich und ethisch überaus fragwürdig, er verfährt auch ersichtlich nach dem Motto ´nach mir die Sintflut` und dass andere sich die Hände schmutzig machen sollen. Dass die Bundesländer so im Regen stehen gelassen werden und in den Gefängnissen das Chaos droht, schert Herrn Seehofer ganz offenbar nicht", schließt Jörg Schulz.

Neben der Abschiebungshaft im Justizvollzug weist der Senator für Justiz und Verfassung in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der staatliche Strafanspruch vorrangig vor einer Ausweisung von Personen durchgesetzt werden müsse, dass den Verwaltungsgerichten durch die Schaffung eines neuen Status "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" eine Klagewelle drohe und dass verfassungs- und völkerrechtliche Vorgaben bei der Festlegung des staatlichen Interesses an der Ausweisung einer Person nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

Ansprechpartner für die Medien: Dr. Sebastian Schulenberg, Telefon 0421 361 14476, E-Mail pressestelle@justiz.bremen.de