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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Senatorin Stahmann weist Vorwürfe des Steuerzahlerbundes zurück

„Verwaltungsrechtliche Vorgaben in schwieriger Lage weitestgehend erfüllt“

06.11.2018

Die Kritik des Bundes der Steuerzahler am Umgang mit der insolventen Akademie Kannenberg weist Senatorin Stahmann zurück. „Es wäre schön gewesen, wenn der Steuerzahlerbund alle verfügbaren Informationen berücksichtigt hätte.“ So verkenne der entsprechende Abschnitt im Schwarzbuch die seinerzeit herrschende Ausnahmesituation. Sie sei gekennzeichnet gewesen von einem sehr schnellen Anstieg der Zuzüge in den Jahren 2014 und 2015 und dann von einem abrupten Abbruch wegen der gesetzlichen Neuregelung, die zur Umverteilung aller Jugendlichen vom Stichtag 1. November 2015 geführt habe. „Bremen hat danach für lange Zeit praktisch keinen Jugendlichen mehr aufgenommen“, sagte die Senatorin. „Das hat die Akademie Kannenberg besonders getroffen, weil sie mit Abstand die meisten minderjährigen Geflüchteten betreut und zu diesem Zweck in großem Umfang Immobilien hergerichtet und Personal angestellt hat.“ Dazu seien Abschlagszahlungen unverzichtbar gewesen.

Angesichts der seinerzeit „immensen Arbeitsbelastung“ in der Behörde sei unbestritten, „dass auch das Verwaltungshandeln nicht immer nach Lehrbuch laufen konnte“, sagte die Senatorin weiter. Selbst die Innenrevision habe aber allen Verfahrensbeteiligten attestiert, dass sie „einerseits dem gesetzlichen Auftrag zur Unterbringung der Jugendlichen verpflichtet war und dabei andererseits die gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Vorgaben weitestgehend erfüllt hat“. Bei strenger Anwendung aller rechtlichen Regelungen hätte die Stadt ihrer rechtlichen Pflicht dagegen nicht nachkommen können, alle Jugendlichen unterzubringen.

Senatorin Stahmann räumte ein, dass der Träger bei konsequenterem Vorgehen der Behörde früher Insolvenz hätte anmelden müssen. Die finanziellen Folgewirkungen der verspätet eingeleiteten Insolvenz seien von der Innenrevision allerdings als gering eingeschätzt worden. Grund: Schon lange vor der Insolvenz waren keine Abschlagzahlungen mehr gewährt, sondern lediglich der laufende Betrieb finanziert worden.

Die Innenrevision habe daher in ihrem Abschlussbericht unter anderem festgestellt:
„Auch in Zukunft werden derartige Schadensfälle nie ganz auszuschließen sein, da in Ermangelung finanzieller Prüfrechte bei Trägern entgeltfinanzierter Leistungen Liquiditätsprobleme häufig erst dann zutage treten, wenn ein Insolvenzverfahren schon nicht mehr zu verhindern ist.

Zum Hintergrund:
Bremen hat in den Jahren 2014 und 2015 zusammen rund 3.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. Bremen ist eines der bundesweit wenigen Zentren dieses starken Zuzugs gewesen. Die Akademie Lothar Kannenberg hatte ihr Angebot in dieser Zeit von rund 50 Plätzen im Mai 2015 auf rund 800 im Januar 2016 ausgebaut und war damit zeitweise der größte Jugendhilfeträger in Bremen (800 von 2.000 umA-Plätzen). Zum Vergleich: Das gesamte, über Jahrzehnte gewachsene Jugendhilfesystem aller Bremischen Träger zusammen hatte bis 2012 nur rund 300 Heimplätze.

Inzwischen werden unbegleitete minderjährige Ausländer, anders als bis November 2015, gleichmäßig unter den Ländern der Bundesrepublik verteilt. Im Jahr 2017 hat Bremen 50 Jugendliche dauerhaft aufgenommen. Der unerwartet plötzliche Rückgang der Zugangszahlen in Bremen durch die gesetzlichen Änderungen zur Umverteilung 2015 war mit erheblichen finanziellen Einschnitten für die beteiligten Träger der Jugendhilfe verbunden. Die Finanzierung basiert fast ausschließlich auf der Zahl der betreuten Personen und der erforderlichen Intensität der Betreuung.

Die Akademie Lothar Kannenberg hat am 30. November beim Amtsgericht Walsrode Insolvenz in Eigenverantwortung beantragt. Das Gericht hatte zum 1. Dezember 2017 das Insolvenzantragsverfahren über die Akademie eröffnet und mit Beschluss vom 26. Januar 2018 das Insolvenzverfahren.