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Der Senator für Kultur

Friesische Ufersiedlung in Bremen nachgewiesen

28.07.2009

Die Landesarchäologie Bremen teilt mit:

Archäologie-Studentin Kristina Zimmer bei den Arbeiten in der Baugrube Bredenplatz
Archäologie-Studentin Kristina Zimmer bei den Arbeiten in der Baugrube Bredenplatz

Das Team der Landesarchäologie Bremen hat in der Bremer Innenstadt neue, wegweisende Funde gemacht. „Auf der Baustelle am Bredenplatz konnten wir einen tiefen Einblick in die Geschichte der Stadt nehmen“, so Dr. Dieter Bischop, Stadtarchäologe bei der Bremer Landesarchäologie. „Wir haben dort in rund acht Metern Tiefe Gegenstände aus den Anfängen der Hansestadt, also um 800 n. Chr., gefunden“, so Dieter Bischop.


An der Rückfront der Böttcherstraße, direkt am Spielcasino, fanden die Archäologen Einmachgläser, die von der gewaltigen Hitze bei den Bombennächten im August 1944 verschmolzen. Darunter wurden die Reste eines Kellers des 17. Jahrhunderts aufgedeckt, unter dem nun eine wohl um 1200 errichtete Steinkammer, also ein steinernes Wohn- und Speicherhaus eines mittelalterlichen Bremer Kaufmanns liegt. Die Bewohner scheinen fromme Menschen gewesen zu sein. Auf dem Fußboden konnten die Archäologen ein Pilgerzeichen aus Wilsnack bei Brandenburg entdecken. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts hat ein Bremer die knapp 300 km lange Reise zu den dortigen Wunderhostien unternommen.
Etwa aus dem späten 12. Jh. stammen mehrere aus Tierknochen gearbeitete Objekte: Ein kleiner Knochenbeschlag in Form eines Greifen und mehrere Würfel sowie der Abzugshebel einer Armbrust. Diese Schusswaffe, deren schlagkräftige Bolzen leicht auch starke Rüstungen durchdringen konnten, war 1139 gerade erst vom Papst geächtet worden. Wahre Christen sollten diese unritterliche Waffe nicht gegeneinander einsetzen – eine Forderung, die sich hier wohl nicht durchsetzen konnte.
Etwas tiefer, in rund 7,5 Metern Tiefe, bot sich ein außergewöhnlich seltener Blick in die Anfangszeit der Bischofsstadt Bremen.
Mehrere Meter steriler Sand überdecken hier eine Fundschicht, in der zwischen kleinen Flusskieseln zahlreiche Tonscherben der sogenannten Muschelgrusware, Tier-, aber auch Menschenknochen und teilweise bearbeitete Hölzer eingebettet lagen. Ein Eichenstamm konnte am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin genau auf das Jahr 829 datiert werden.
Offenbar war im 9. Jh. an dieser Stelle die breite Balge, an deren Ufer eine kleinere Siedlung lag, bei einer plötzlichen Umweltkatastrophe zugesandet.


Greif (Beschlag einer Ledertasche) und Würfel, beide um 1200.
Greif (Beschlag einer Ledertasche) und Würfel, beide um 1200.

Die Tonscherben sind eine Art Leitfossil für den Stamm der Friesen, die sich sehr früh auf den Fernhandel spezialisiert hatten. Sie fuhren im 9. und 10. Jahrhundert, als Vorgänger der Hansekaufleute, mit ihren Schiffen auf See, aber auch auf Flüssen wie den Rhein bis nach Mainz, Worms und Straßburg hinauf. Sie gründeten Handelsstützpunkte, wo sie ihre importierte Handelsware, wie Tuche, Mahlsteine und vieles mehr verkauften.


Offensichtlich gründeten friesische Fernhändler auch im gerade zum Bischofssitz erhobenen Bremen am Ufer der Balge einen Handelsposten. Fundstücke aus dem Bremer Balgeboden zeugen von Handel mit dem Rheinland und der Eifel. Gefundene Webgewichte deuten auf Tuchproduktion, Reste von der Knochenverarbeitung und Gussformen deuten auf weitere Handwerkszweige. Schon vor 20 Jahren wurde nur etwa 50 m vom Bredenplatz entfernt, beim Bau des heutigen Hilton-Hotels an der Wachtstraße, ein bedeutender Fund gemacht, der friesische Fernhändler in Bremen vermuten ließ. Hier fand sich in 10 m Tiefe ein Flussschiff, das auf etwa 808 n. Chr. datiert wurde. Auch bei diesem Schiff, das heute, mit dem Namen „Karl“ getauft, in der Koggehalle des Bremerhavener Schifffahrtsmuseums seinen Platz gefunden hat, fanden sich wenige Muschelgrusscherben.
„Mit dem heutigen Fund haben wir nun die Existenz einer friesischen Ufersiedlung im karolingischen Bremen eindeutig nachgewiesen. Das ist ein Ergebnis, mit dem wir zu Beginn der Grabung kaum rechnen können“, so Stadtarchäologe Dieter Bischop zufrieden.


[Foto: Landesarchäologie Bremen]