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Sonstige

Am Roland hing ein Hakenkreuz - Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit

16.08.2002

Ausstellung der Schulgeschichtlichen Sammlung Bremen unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Dr. Hennig Scherf vom 11. September bis 3. Oktober 2002 in der Unteren Rathaushalle
Eröffnung am 10. September 2002 um 18 Uhr in der Oberen Rathaushalle

Der Faden lebendig vermittelter Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus wird immer dünner - trotz einer Fülle von Informationen über die geschichtlichen Fakten, die Opfer und die Folgen nationalsozialistischer Politik. Die Generationen, die nach 1945 aufgewachsen sind, verfügen nur selten über lebendig vermittelte Erfahrungen zum Leben „unterm Hakenkreuz“ und im Zweiten Weltkrieg, wie sie aus Gesprächen mit Eltern oder Großeltern erwachsen könnten. Damit die Erinnerung daran nicht verloren geht, macht die Schulgeschichtliche Sammlung Bremen den Versuch, sie in der Ausstellung „Am Roland hing ein Hakenkreuz - Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit“ exemplarisch festzuhalten und den Dialog zwischen den Generationen anzuregen.

Nach einem Presse-Aufruf im März 2000 brachten mehr als 250 Bremerinnen und Bremer der Jahrgänge 1920 bis 1938 Erinnerungsstücke und Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend in der Nazizeit ins Bremer Schulmuseum. Daraus ist ein umfangreiches Archiv zur Geschichte von Bremer Kindheit, Jugend und Schule im Nationalsozialismus entstanden, das den Fundus der Schulgeschichtlichen Sammlung Bremen erweitert. Es umfasst ein Fotoarchiv von mehr als 4000 Fotos, eine Dokumentensammlung mit ca. 2000 Positionen und eine Sammlung von sachkulturellen Zeugnissen im Umfang von etwa 500 Objekten.

Die aus der Fülle dieser Überlassungen und Leihgaben ausgewählten Exponate dokumentieren das Kinder- und Jugendleben zwischen 1933 und 1945: zu Hause[M1] , in der Schule, in der Hitlerjugend[M2] , im Arbeitsdienst, in der Kinderlandverschickung, im Kriegshilfsdienst und schließlich an der Front. Die Ausstellung ist in diese Lebensräume der Kinder und Jugendlichen gegliedert, auch entsprechend den Lebensstationen, die das nationalsozialistische Regime für sie vorgesehen hatte und die Hitler am 4.12.1938 in seiner „Reichenberger Rede“ explizit formulierte.

Einzelbeispiele verdeutlichen in der Ausstellung das Schicksal von jüdischen Kindern und Jugendlichen und von Kindern politisch verfolgter Eltern. Schließlich dokumentiert ein Ausstellungsbereich den individuellen Umgang mit den Erinnerungen an die Nazizeit.

Die Ausstellung soll zum Schauen, Nachspüren und Nachdenken einladen. Deshalb sind die Objekte, Fotos und Dokumente zurückhaltend - ohne pädagogischen Zeigefinger - kommentiert. Für die Betrachter bietet sich ein Spielraum, in dem sie fragen können, in welchen Situationen die ausgestellten Dinge benutzt wurden oder entstanden sind und was sie im Leben von Kindern und Jugendlichen möglicherweise bedeutet und bewirkt haben.

Die älteren der Zeitzeugen waren Kinder, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, die jüngeren wurden in die Diktatur hineingeboren. Die Mechanismen, mit denen sie von früher Kindheit an auf den „Führer“ [M3] eingeschworen, für seine politischen Ziele in Dienst genommen und auf das Opfer ihres Lebens für den Endsieg vorbereitet wurden, konnten sie damals nicht erkennen. Heute stellen sie in der Ausstellung ihre Erinnerungsstücke aus der Nazizeit und ihre Erfahrungen [M4] zur Verfügung.

„Wer, wie auch wir aus der Schulgeschichtlichen Sammlung, erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen ist oder erst später geboren wurde, kann in dieser Ausstellung vielleicht erahnen, was die Zeitzeugen damals als Kinder und Jugendliche erlebten“, meint Dr. Ulla Nitsch, Koordinatorin der Schulgeschichtlichen Sammlung Bremen. „Wenn wir Nachgeborenen bereit sind zu verstehen, wie es den nationalsozialistischen Machthabern gelungen ist, die Kinder und Jugendlichen für sich zu gewinnen, können wir daraus auch für unsere Gegenwart lernen.“

Das Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters MOKS am Bremer Theater entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Schulmuseum das Stück „Hans und Grete“, eine theatrale Inszenierung der Ausstellung. Sie möchte die Dynamik, die Atmosphäre und die Hintergründe des ausgestellten Themas einfangen und die damit verbundenen Gefühle transportieren. Die szenische Darstellung erregt die Aufmerksamkeit der Besucher, verschärft die Wahrnehmung, fokussiert scheinbar Belangloses und kann so den Zugang zur Ausstellung erleichtern und zur Auseinandersetzung anregen.

In Zusammenarbeit mit der Landesbildstelle Bremen ist der Film „Das ist ein Teil des Lebens - Das Jungvolk im Rückblick von Zeitzeugen“ gedreht worden, der im Versammlungsbereich der Ausstellung gezeigt wird.

Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm: Gesprächsrunden mit Zeitzeugen zu Einzelthemen, wie „Meine Zeit im BDM“, „Wir waren Schüler der Napola in Haselünne“, „Mein Elternhaus“, Diavorträge und Lesungen sowie Vorführungen von NS-Spiel- und Unterrichtsfilmen.

Besonders hervorzuheben sind zwei Veranstaltungen: die Podiumsdiskussion „Wissen wie es war warum ...“ am 20. September um 20 Uhr im Haus der Bürgerschaft (mit Bremens Altbürgermeister Hans Koschnick, Bildungssenator Willi Lemke und weiteren Experten) sowie Lesung und Vortrag „Von der Schulbank in den Krieg“ mit dem Autor und Psychoanalytiker Professor Dr. Hans-Eberhard Richter am 27. September um 20 Uhr in der Oberen Rathaushalle Bremen.

Zur Ausstellung erscheint im Verlag H.M.Hauschild das Buch „Am Roland hing ein Hakenkreuz – Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit“, das am 28. August 2002 um 14 Uhr im Bremer Rathaus, Sitzungssaal, 2. Stock, in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Die Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung findet am 10. September 2002 um 11 Uhr in der Unteren Rathaushalle Bremen statt.

Die Ausstellung „Am Roland hing ein Hakenkreuz“ steht unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Senats der Freien Hansestadt Bremen, Bürgermeister Dr. Henning Scherf. Sie ist Teil des Herbstprogramms der Städtepartnerschaft „Bremen für UNICEF“.