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Der Senator für Inneres und Sport

Bremer Senat beschließt „Sicherheitspaket“

12.12.2005

Innensenator Röwekamp: Modernste Verfassungsschutz- und Polizeigesetze unterstützen wirkungsvollen Kampf gegen Extremismus und Kriminalität im Land Bremen

Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz zum Teil neu geregelt -
Platzverweis bei Verstoß gegen die Öffentliche Ordnung -
Neue Kommission entscheidet über ausländerrechtliche Härtefälle -
Sachstandsbericht zur Videoüberwachung vorgelegt


Der Bremer Senat hat heute (12.12.2005) auf Vorschlag von Bürgermeister Thomas Röwekamp, Senator für Inneres und Sport, ein ganzes Bündel an innenpolitischen Maßnahmen auf den Weg gebracht. Während der Kabinettssitzung beschloss die Landesregierung die Neufassung des Bremer Verfassungsschutzgesetzes, den Entwurf zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes, die Änderung des Ortsgesetzes über die Öffentliche Ordnung, eine Verordnung zur Errichtung einer Härtefallkommission sowie einen Sachstandsbericht zur polizeilichen Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Die Gesetzentwürfe werden nun zur weiteren Beratung und Beschlussfassung an die Bremische Bürgerschaft weitergeleitet; der Sachstandsbericht zur Videoüberwachung geht als Mitteilung des Senats an den Landtag.


„Im Bereich der Polizei und des Verfassungsschutzes wird Bremen bundesweit die modernsten Landesgesetze haben“, unterstrich Innensenator Thomas Röwekamp bei der Vorstellung des Sicherheitspaketes, „denn wir sind die Ersten, die entsprechende Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beispielsweise bei der Wohnungsüberwachung in Artikel 13 Grundgesetz in Landesrecht umwandeln. Und nicht nur an die Adresse der Kritiker von Sicherheitsgesetzen füge ich hinzu: Unsere Gesetzesnovellen entsprechen auch den zwischenzeitlich fortentwickelten Anforderungen des Datenschutzes. Mit dem heute vorgelegten Sicherheitspaket weitet der Senat die Kompetenzen von Polizisten und Verfassungsschützern gezielt aus – da wo es die Freiheit des Staates und der Schutz jedes einzelnen Bürgers verlangt“, fügte Röwekamp hinzu. „So werden es terrorismusverdächtige Personen künftig nicht mehr so leicht haben, ihre extremistischen Aktivitäten zu verschleiern. Wer gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung agitiert oder gar Anschläge in Deutschland plant, darf dies nicht unbehelligt von Sicherheitsorganen tun. Unsere Demokratie muss hier zeigen, dass sie wehrhaft ist.“


„Auch mit der Änderung im Polizeirecht verbessern wir die Arbeit der Beamtinnen und Beamten an entscheidenden Stellen, die im Alltag immer wieder auf neue Formen schwerer Kriminalität stoßen und darauf reagieren müssen. Die Videoaufzeichnung bei Polizeikontrollen sowie Kennzeichen-Lesegeräte dienen in diesem Zusammenhang auch der Eigensicherung der Polizistinnen und Polizisten. Beschwerden von Bürgern über bestimmte Zeitgenossen, die auf öffentlichen Flächen dauerhaft lagern und Alkohol konsumieren, urinieren oder andere Menschen verbal belästigen, kann ich nicht nur persönlich gut nachvollziehen. Künftig kann die Polizei in diesen Fällen konsequent einschreiten und dies mit einem Platzverweis unterbinden.“


Bürgermeister und Innensenator Röwekamp ging auch auf die beiden weiteren Punkte des sogenannten Sicherheitspaketes ein: „Insbesondere die Einrichtung einer Härtefallkommission war in Bremen lange Zeit umstritten und ist ohne Zweifel ein Kompromiss der beiden Koalitionspartner. Mit dem Bericht zur Videoüberwachung weisen wir abermals die unbestrittenen Erfolge nach, die allein im Umfeld des Bahnhofsplatzes seit Errichtung der Überwachungskamera eingetreten sind. So konnten schwere Straftaten aufgeklärt bzw. deren Begehung verhindert werden. Daher wird die Maßnahme am Bremer Hauptbahnhof fortgesetzt. Über eine Einsetzung der Videoüberwachung an anderen Kriminalitätsbrennpunkten in Bremen oder Bremerhaven ist aber noch nicht entschieden“, so Röwekamp, der abschließend auf die breite und umfassende Abstimmung des Sicherheitspakets mit den beiden Koalitionspartnern und den anderen Senatsressorts sowie der Innendeputation hingewiesen hat: „Das heute vorgelegte Sicherheitspaket ist nicht nur ein politischer Konsens. Die große Koalition insgesamt gibt damit eine angemessene Antwort auf die aktuellen innenpolitischen Herausforderungen“, so Röwekamp abschließend.



Erläuterungen zu den einzelnen Teilen des Sicherheitspakets:


Neufassung des Verfassungsschutzgesetzes für das Land Bremen


Das bestehende Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen stammt aus dem Jahr 1981 und gilt als überholt. Die vom Senat beschlossene Neufassung trägt der erforderlichen Anpassung an Bundesgesetze (Bundesverfassungsschutzgesetz sowie Terrorismusbekämpfungsgesetz) sowie den Bestimmungen des Datenschutzes Rechnung. Der Verfassungsschutz erhält künftig besondere Befugnisse, um sich über mutmaßlich verfassungsfeindlich agierende Personen beispielsweise bei Banken, Fluggesellschaften, Post und Telekommunikationsunternehmen über Konto- und Reisebewegungen oder Handy-Gesprächsdaten zu erkundigen. Außerdem wird die Überwachung der Wohnung mit technischen Mitteln erlaubt, dabei wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2004 berücksichtigt. Nach der Beschlussfassung durch die Bremische Bürgerschaft würde Bremen dann über das bundesweit modernste Verfassungsschutzgesetz verfügen, das als Einziges hierzu bereits Umsetzungen erhält.



Änderungen im Bremischen Polizeigesetz


Die bereits erwähnte Rechtssprechung aus Karlsruhe zur akustischen Wohnraumüberwachung war auch ein Grund für die Novelle des Bremischen Polizeigesetzes, um den Anforderungen der Bundesverfassungsrichter Rechnung zu tragen. Ferner schien es geboten, das Polizeigesetz weiter zu entwickeln und neuere Entwicklungen aufzugreifen. Dazu gehört die Einführung eines verdachtsunabhängigen Anhalte- und Befragungsrechts der Polizei, um Straftaten von erheblicher Bedeutung mit internationalem Bezug verhüten zu können. Neu ist die Befugnis, dass die Polizei automatische Kennzeichen-Lesesysteme einsetzen kann und mit den zur Fahndung ausgeschriebenen Kennzeichen abgleichen lassen kann. Der offene Einsatz dieser Systeme ist nur im Rahmen von polizeilichen Kontrollen auf öffentlichen Straßen zulässig. Die Kennzeichen von „unbescholtenen“ Autofahrern werden dabei ausdrücklich nicht gespeichert; das Kennzeichen-Lesesystem gleicht vielmehr die zuvor eingegebenen „verdächtigen“ Kfz.-Kennzeichen ab. Um die Eigensicherung von Polizeibeamten bei Anhalten und Kontrollen zu verbessern, wird zudem die Videoaufzeichnung eingeführt.


Ebenfalls neu ist die gesetzliche Voraussetzung zur Einführung eines sog. Distanz-Elektroimpulsgerätes als neue polizeiliche Waffe. Diese neuartige Waffe (englisch Taser) können einen Täter auf kürzere Distanzen sofort handlungsunfähig machen, ohne dass die Person Schmerzen empfindet oder das Bewusstsein verliert. Der Einsatz des Tasers ist ausdrücklich nicht für den täglichen Streifendienst, sondern nur für Spezialkräfte und Sondereinheiten der Polizei, beispielsweise gegen Geiselnehmer, vorgesehen. Das Elektro-Impulsgerät folgt dem polizeilichen Ziel, gegen bestimmte aggressive oder bewaffnete Personen unterhalb der Schwelle des Schutzwaffeneinsatzes einschreiten zu können, die Person dabei ohne Gefahr für die Polizei und für Dritte unverzüglich festnehmen zu können und die Person dabei so wenig wie möglich zu verletzen oder zu gefährden. Zu beachten ist hierbei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auch im Polizeieinsatz stets den mildestmöglichen Eingriff vorzunehmen. Unterhalb der Schwelle des Schusswaffeneinsatzes kam bisher nur der Gebrauch von Reizstoffen in Frage, die jedoch nicht immer praktikabel sind. Versuche anderer Länder, zum Beispiel Hartgummigeschosse einzusetzen, haben sich ebenfalls nicht als erfolgreich erwiesen.


Ferner vollzieht die Polizeirechtsnovelle auch Anpassungen von Regelungen aus der Justiz: So wird der bisher gebräuchliche Begriff „Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft“ durch das Wort „Ermittlungspersonen“ ersetzt.



Angleichung an niedersächsisches Recht – Ausnahmen für Berufsgeheimnisträger bei Wohnraumüberwachung


Die Polizei- und Verfassungsschutzgesetze nehmen nicht nur Bezug zu Änderungen auf Bundesebene, sondern berücksichtigen auch das Nachbarland Niedersachsen. Die Koalitionsvereinbarung in einer Regierungskoalition für die 16. Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft sieht ausdrücklich eine engere Zusammenarbeit des Bremischen Landesamtes für Verfassungsschutz mit dem Niedersächsischen Landesamt vor. Mit der Harmonisierung der Landesgesetze wird hierfür die notwendige Grundlage geschaffen.

Bei der akustischen Wohnraumüberwachung (Abhören mit technischen Mitteln) sehen sowohl das Verfassungsschutz- als auch das Polizeigesetz in der vom Senat geplanten Novelle Ausnahmevorschriften bei Amts- und Berufsgeheimnisträgern vor. Hierzu gehören z.B. Rechtsanwälte, Ärzte, Pastoren oder Journalisten.



Ortsgesetz über die Öffentliche Ordnung wird geändert


Während die Städte Bremen und Bremerhaven erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um die Aufenthaltsqualität auf öffentlichen Wegen und Plätzen aufzuwerten, fühlen sich Bürger und Touristen zunehmend auf öffentlichen Flächen durch Personen beeinträchtigt, die diese Flächen missbräuchlich in Anspruch nehmen, d.h. über den sog. Gemeingebrauch hinausgehen. Hierzu gehört vor allem dauerhaftes Lagern auf öffentlichem Grund in Verbindung mit extensivem Alkoholgenuss, aber auch verbale Belästigungen, Abfallansammlungen und Geruchsbelästigungen durch Urin und Fäkalien. Mit der Neuregelung des entsprechenden Ortsgesetzes kann die Polizei künftig gegen diese Verhaltensweisen einschreiten und sie beispielsweise mit einen Platzverweis (§ 14 Bremisches Polizeigesetz) unterbinden. Verstöße sind außerdem mit einem Bußgeld bewehrt.



Einrichtung einer Härtefallkommission nach dem Aufenthaltsgesetz


Der Senat hat entsprechend der Vorlage des Senators für Inneres und Sport die Verordnung zur Einrichtung einer Härtefallkommission nach dem Aufenthaltsgesetz beschlossen. Gemäß § 23 a des Aufenthaltsgesetzes darf die oberste Landesbehörde anordnen, dass einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, dem nach den allgemeinen Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, ein Aufenthaltsrecht gewährt wird, wenn eine von der jeweiligen Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission ein Härtefallersuchen an die Landesregierung richtet. Voraussetzung für die Entscheidung der Härtefallkommission ist nach den Regelungen im Aufenthaltsgesetz des Bundes, dass „nach den Feststellungen der Kommission dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen.“


Nach der Verordnung des Senators für Inneres und Sport gehören der Härtefallkommission an:


1. ein Vertreter des Senators für Inneres und Sport als Vorsitzender,

2. ein Vertreter des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales,

3. ein Vertreter des Magistrats der Stadtgemeinde Bremerhaven,

4. ein Vertreter der evangelischen Kirche im Land Bremen,

5. ein Vertreter der katholischen Kirche im Land Bremen,

6. ein Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen e.V.,


die von der entsendenden Institution benannt werden. Die Geschäftsstelle der Härtefallkommission wird beim Senator für Inneres und Sport eingerichtet.

Die Härtefallkommission wird ausschließlich im Wege der Selbstbefassung tätig. Die Kommission berät und entscheidet über Einzelfälle nur auf Vorlage eines ihrer Mitglieder. Die Mitglieder der Härtefallkommission sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu wahren. Stellt die Härtefallkommission fest, dass der Ausländer aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen weiter in Deutschland bleiben dürfe, richtet sie ihr Härtefallersuchen unter Darlegung der Gründe an den Senator für Inneres und Sport zur abschließenden Entscheidung.




Videoüberwachung im öffentlichen Raum als Teil der Kriminalitätsbekämpfung – Erfahrungsbericht des Senators für Inneres und Sport


Am 04. Oktober 2002 wurde das Modellprojekt der Videoüberwachung auf dem Bahnhofsvorplatz begonnen. Der Senator für Inneres und Sport legte hierzu einen ersten Erfahrungsbericht am 03. November 2004 vor: Demnach verzeichnete die Gesamtkriminalität seit Einführung der Überwachungstechnik 2002 einen Rückgang von 43,2 %. Auch bei den Einzeldelikten sind die Zahlen rückläufig: Die Fälle von gefährlicher Körperverletzung halbierten sich, der Handtaschenraub ging sogar um 100 % zurück und taucht demnach nicht mehr in der Statistik der Einzeldelikte auf.

Ähnlich positiv sieht es bei Sachbeschädigung an Fahrzeugen aus, wo die Delikszahl im Vergleich zu 2002 um die Hälfte rückläufig war. 40,8 % weniger Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz konnten im untersuchten Zeitraum festgestellt wurden.

Neben diesen rein statistischen Daten kann die Polizei auch konkrete repressive Erfolge vorweisen: Durch den Einsatz der Videoüberwachung konnten in mindestens sechs Fällen Körperverletzungsdelikte beobachtet und die Täter ermittelt werden. Die moderne Überwachungstechnik ermöglichte die Aufzeichnung von Raubdelikten in mindestens zwei Fällen. Die offene Rauschgiftszene am Bahnhofsvorplatz ist in den vergangenen beiden Jahren deutlich zurückgegangen. Dies bestätigen auch ortsansässige Geschäftsleute. Auch die Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls dieser direkt Betroffenen ist ebenfalls ein Ergebnis der Videoüberwachung.


Auf Initiative der Fraktionen der CDU und SPD beschloss die Bremische Bürgerschaft am 23. Februar 2005 einen Antrag, in dem der Senat gebeten wird, die Videoüberwachung am Bahnhofsvorplatz vorerst fortzusetzen und bis zum 01. Juni 2005 eine ausführliche Auswertung der Maßnahme über den bisherigen und laufenden Überwachungszeitraum vorzulegen, die Ausführungen zur Wirksamkeit der Maßnahme beinhaltet. Innensenator Röwekamp hat hierzu seinen Bericht dem Senat am 12.07.2005 vorgelegt. Der Senat bat den Senator für Inneres und Sport, den Bericht zunächst in der Deputation für Inneres zu behandeln. Die staatliche Deputation für Inneres hat in ihrer Sitzung am 06. Oktober 2005 den Bericht erörtert und zur Kenntnis genommen und sich mit den Stimmen der Großen Koalition für die Fortsetzung der offenen und erkennbaren Videoüberwachung des Vorplatzes des Bremer Hauptbahnhofs ausgesprochen. Nach der heutigen Kabinettsbefassung geht der Bericht nun als Mitteilung des Senats an die Bremische Bürgerschaft.