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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Karin Röpke: Sprachförderung weiterhin zentraler Schwerpunkt frühkindlicher Bildung in Bremen

30.08.2004

Sozialsenatorin Röpke stellt Auswertungsbericht der ersten beiden flächendeckenden Sprachstandserhebungen in Bremen vor

Sozialsenatorin Karin Röpke hat heute (30.08.2004) die Auswertung der ersten beiden flächendeckenden Sprachstandserhebungen bei 5-jährigen Kindern in Bremen vorgestellt. Dabei wurden jeweils etwa 5.000 Kinder von entsprechend geschulten Erzieherinnen getestet. Ziel war es, den Spracherwerb bei Kindern systematisch zu unterstützen, zu begleiten und zu fördern. Für 15 % der Kinder konnte anschließend in den Kindertageseinrichtungen ein ergänzendes Sprach-Förderangebot durch sozialpädagogische Fachkräfte eingerichtet werden.

„Sprachförderung wird auch weiterhin in Bremen ein zentraler Schwerpunkt im Rahmen frühkindlicher Bildung sein“, erklärte Senatorin Röpke. „Darüber hinaus soll die systematische Förderung der Sprachentwicklung zu den Regelaufgaben der Kindertagesbetreuung gehören und mit Aufnahme des Kindes in die Tageseinrichtung beginnen.“

Das umfangreiche Material der beiden Erhebungen wurde von Prof. Dr. Rudolf Kretschmann und Dr. Werner Schulte von der Universität Bremen unter folgenden Aspekten untersucht:

  • die Ermittlung derjenigen 15% der getesteten Kinder, welche die niedrigsten sprachlichen Kompetenzen aufwiesen und somit als sprachförderbedürftig angesehen werden konnten,
  • die Überprüfung der verwendeten Prüfverfahren und
  • weitergehende statistische Berechnungen, u.a. die Identifikation von Risikoprofilen und Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Variablen.


Hintergrund der Erhebungen war die Erkenntnis der PISA-Studie, nach der die differenzierte Beherrschung der deutschen Sprache grundlegende Bedeutung für den schulischen Werdegang und die individuelle Lebensplanung von Kindern hat. Prof. Dr. Rudolf Kretschmann: „Der Schulerfolg hängt hochgradig auch davon ab, unter welchen Bedingungen Kinder vor Schuleintritt heranwachsen.“ Dr. Werner Schulte ergänzte: „Insbesondere sind in den ersten Schuljahren solche Kinder begünstigt, die bereits vor Schuleintritt über eine hohe Sprachkompetenz verfügen und erste Erfahrungen machen konnten mit Vorlesen, Buchstaben, Zahlen und Schrift.“


Die flächendeckende Erhebung zur Feststellung der Kenntnisse der deutschen Sprache wird nach Auskunft von Senatorin Röpke auch in Zukunft jährlich durchgeführt. Die rechtliche Grundlage dafür ist mit der Veränderung des Schulgesetzes (§ 36) geschaffen worden, das eine verpflichtende Teilnahme aller einzuschulenden Kinder an Sprachtests vorsieht. Um sicherzustellen, dass Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf über einen ausreichend langen Zeitraum gefördert werden können, soll die Erhebung in der Regel im Mai jeden Jahres durchgeführt werden.


Zusammenfassung der Ergebnisse
Bei beiden Erhebungen wurde auf der Basis der durchgeführten Sprachtests eine Quote von 15% förderbedürftiger Kinder aus der Gesamtpopulation ermittelt. Für diese Kinder wurden in den Kindergärten Förderangebote organisiert. Neben den Sprachtests wurde auch ein Erzieherinnen-Fragebogen eingesetzt. Aus beiden Instrumenten ergibt sich aus der Erhebung 2004 folgendes Ergebnis (2003 war ähnlich):

  • Gruppe 1 (177 Kinder):Kinder mit Sprachrückständen und unterdurchschnittlichen Werten bei „Sozialkompetenz“ und „Kooperativem Verhalten“.
  • Gruppe 2 (349 Kinder):
    Kinder mit Sprachrückständen und unterdurchschnittlichen Werten bei „Kooperativem Verhalten“.
  • Gruppe 3 (369 Kinder):
    Kinder mit unterdurchschnittlichen Werten bei „Sozialkompetenz“:
  • Gruppe 4 (756 Kinder):
    Kinder mit unterdurchschnittlichen Werten bei „Zielstrebigkeit und Konzentration“.
  • Gruppe 5 (907 Kinder):Unauffällige Kinder mit tendenziell unterdurchschnittlichen Werten bei Sprachfähigkeiten „Kooperativem Verhalten“.
  • Gruppe 6 (2006 Kinder):
    Altersadäquat entwickelte Kinder mit durchgängig leicht überdurchschnittlichen Fähigkeiten.

    In den Gruppen 1 und 2 sind gut 500 Kinder zusammengefasst. Das sind gut 10% aller getesteten Kinder. Hinzu kommen etwa 130 Kinder, die den Wortschatz- und/oder Satzverständnistest nicht absolviert haben.


Sprache, Sprachumfeld und Migrationshintergrund.
Das Sprachumfeld des Kindes wurde mit der Frage, ob in der Familie des Kindes noch andere Sprachen als Deutsch gesprochen werden, erfasst. Diese Frage ist für 1.783 Kinder (35,7%) mit „ja“ beantwortet worden. Die meisten der Kinder mit Migrationshintergrund (über 90%) sind in Deutschland geboren.
Auf die Frage, ob das Kind vorzugsweise mit Kindern seiner Muttersprache spricht, haben die Erzieherinnen für etwa ein Viertel der Kinder mit Migrationshintergrund (23,8%) mit „ja“ geantwortet. Von diesen gut 400 Kindern sprechen zwei Fünftel ausschließlich in einer anderen Sprache als Deutsch mit anderen Kindern.

Alter und Geschlecht
Weder bei dem Einschulungsjahrgang 2003 noch bei dem Einschulungsjahrgang 2004 zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Sprachkompetenz und dem Geschlecht. Jungen und Mädchen sind einander im statistischen Durchschnitt sprachlich ebenbürtig, und zwar sowohl lt. Erzieherinnenurteil als auch bei den durchgeführten Sprachtests. Auch das Alter steht in keinem Zusammenhang mit den Ergebnissen der Sprachstandstests und der Erzieherinneneinschätzung.


Kindergartenbesuch
Die Vermutung, dass ein längerer Besuch des Kindergartens sich förderlich auf die Sprachentwicklung auswirkt, hat sich bestätigt: je länger die zur Einschulung anstehenden Kinder den Kindergarten besucht haben, desto höher ist ihre Sprachkompetenz. In allen Bereichen steigen die Werte kontinuierlich an.


Sprachstand, Sprache und sprachliches Umfeld
Am besten schneiden bei den sprachlichen Indikatoren die Kinder ab, die eine ausschließlich deutschsprachige Sozialisation erfahren haben. Kinder mit einer mehrsprachigen Sozialisation erzielen im statistischen Durchschnitt Werte, die um eine Standardabweichung niedriger liegen als die Werte ihrer ausschließlich deutschsprachigen Altersgenossen. Noch deutlicher fällt der Abstand aus bei den Kindern, die offenbar eine überwiegend fremdsprachliche Sozialisation erhalten haben. Die Werte korrespondieren mit dem Zuzugsalter. Bei den in Deutschland geborenen Kindern mit Migrationshintergrund fallen die Unterschiede am niedrigsten aus. Am deutlichsten sind die Unterschiede bei Kindern, die nach dem 4. Lebensjahr zugezogen sind. Sie sind denn auch in den „Risikogruppen“ überrepräsentiert.


Präliterales und pränumerisches Wissen
Hierbei handelt es sich um Vorläuferkompetenzen des Lesens und Schreibens. Aus diesen Kompetenzen ergeben sich – als eine erweiterte Form der Sprachstandsprüfung – wichtige Indikatoren für den späteren Schulerfolg. Hier zeigt sich eine immense Streuung:

  • 25,6% der Kinder können das ABC vollständig aufsagen, 36,6% nicht ansatzweise
  • 72,1% der Kinder können ihren Vornamen schreiben, 12,8% nicht ansatzweise.
  • 14,9% können die bei der Testung 10 vorgegebene Buchstaben korrekt benennen, 24,9% erkennen keinen
  • 21,6% der Kinder können mehr als 10 Buchstaben schreiben, 18,4% können keinen Buchstaben schreiben.